Fragen & Antworten zum Antrag auf Feststellung der Behinderung

Behinderung ist längst nicht mehr ein gesellschaftliches Randphänomen, sondern in seiner Bedeutung mitten in der Gesellschaft angekommen. In Deutschland leben über zehn Millionen behinderte Menschen, rund 7,9 Millionen Menschen hiervon mit einer schweren Behinderung, was einem Anteil von 9,3 Prozent der deutschen Bevölkerung entspricht.

Die Ursachen der Behinderung sind nicht immer eindeutig auszumachen. Der nicht endende Erschöpfungszustand oder die Schmerzen im Rücken, die eine permanente Beeinträchtigung darstellen. Eindeutiger ist die Ursachenerkennung bei einem plötzlich auftretenden Ereignis, von dem sich der Körper nicht wieder in Gänze erholen will.

Was aber bedeutet Behinderung? Und was stehen einem Menschen mit Behinderung für Rechte zu, um die sich dadurch ergebenen Nachteile auszugleichen?

Betroffene, die sich an den dbb wenden, sind oftmals skeptisch, ob ein Antrag auf Feststellung der Behinderung für sie in Frage kommt. „Das bringt doch nichts und ist ja eh meine Privatsache“, ist ein oftmals zu hörender Satz.

Um den Ablauf der Festellung des Grades der Behinderung nachvollziehbarer zu machen, gibt es hier eine grafische Verfahrensbeschreibung.

Privat ja, aber behinderte Menschen erhalten in unterschiedlichsten Lebensbereichen Schutz und Unterstützung und sollten diesen Ausgleich für ihre Beeinträchtigung auch annehmen und einfordern.

So erhalten Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch IX, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dazu zählt zum Beispiel auch der Kündigungsschutz zu den besonderen Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen oder der Anspruch auf zusätzlichen Urlaub.

Im Steuerrecht gilt: Menschen mit Behinderung haben zwangsläufig Ausgaben, die andere nicht haben. Daher ist es ihnen nicht zuzumuten, die Einkommenssteuer in voller Höhe zu tragen. Um diesem Umstand gerecht zu werden, erhalten Menschen mit Behinderung eine Steuervergünstigung in Form eines sogenannten Pauschbetrages. Der Pauschbetrag erhöht sich mit der Höhe des Grades der Behinderung.

Schwerbehinderte Menschen steht die Möglichkeit offen, früher in Rente bzw. in Pension zu gehen.

Um Nachteilsausgleiche in Anspruch zu nehmen, bedarf es aber immer zunächst der Feststellung der Behinderung.

Im Folgenden sollen häufig gestellte Fragen beantwortet und die Möglichkeiten aufgezeigt werden, welche rechtlichen Vorgehensweisen erforderlich sein können, um die Feststellung der Behinderung durchzusetzen.

Was versteht man unter Behinderung?

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

Was ist der Grad der Behinderung (GdB)?

Der Grad der Behinderung, abgekürzt GdB, ist ein Maß für die Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigungen, der nach Zehnergraden abgestuft wird. Liegen mehrere Beeinträchtigungen vor, wird deren Gesamtauswirkung beurteilt und ein Gesamt-GdB ermittelt. Hierbei werden die einzelnen Zehnergrade aber nicht addiert, sondern es findet eine Gesamtbetrachtung der Beeinträchtigungen und ihre Auswirkungen statt.

Ab welchen GdB gilt eine Person als Behindert bzw. Schwerbehindert?

Als behinderter Mensch im Sinne des Sozialgesetzbuch IX gilt eine Person mit einem GdB von mindestens 20. Eine Person mit einem GdB ab 50 gilt als schwerbehinderter Mensch. Ab einem GdB von 50 und mehr besteht der Anspruch auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises.

Wo kann ein Antrag auf Feststellung der Behinderung gestellt werden?

Einen Antrag auf Feststellung der Behinderung/Schwerbehinderung kann bei den zuständigen Versorgungsämtern bzw. die nach Landesrecht zuständigen Behörde gestellt werden.

Mit dem Link www.bih.de/integrationsaemter/kontakt/ können Sie deutschlandweit das für Sie zuständige Versorgungsamt/die für Sie zuständige Behörde durch Eingabe Ihrer Postleitzahl finden. Oder Sie rufen die Internetseite direkt auf:

 

Was kann ich machen, wenn der Antrag abgelehnt wird oder der festgestellte GdB nicht meinen Erwartungen entspricht?

Widerspruch einlegen: Das Versorgungsamt schickt Ihnen ein Schreiben, mit welchem ihr Antrag beschieden wird. Wenn Sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind, können Sie dagegen Widerspruch einlegen.

Form: Der Widerspruch muss schriftlich beim zuständigen Versorgungsamt/der zuständigen Landesbehörde eingereicht werden. Die genaue Adresse kann der Rechtsbehelfsbelehrung des Schreibens entnommen werden. Oftmals befindet sich diese am Ende des Schreibens.

Frist: Wichtig ist, dass Sie den Widerspruch fristgerecht einreichen. Gegen den Bescheid kann ab Erhalt einen Monat lang Widerspruch eingelegt werden. Bitte beachten Sie, dass der Widerspruch bei der zuständigen Behörde angekommen sein muss.

Inhalt: Der Widerspruch sollte den Hinweis darauf enthalten, dass Widerspruch eingelegt wird, indem Sie möglichst das Wort Widerspruch in das Schreiben aufnehmen.
Geben Sie Ihren Namen und Adresse sowie das Aktenzeichen/Geschäftszeichen nebst Datum des Ablehnungsbescheides an.
Abschließend muss der Widerspruch unterschrieben und sollte mit Datum und Ort versehen werden.
Zusätzlich können Sie bei Bedarf noch Akteneinsicht, Gutachten in schriftlicher Form und/oder die Stellungnahme des Versorgungsärztlichen Dienstes in schriftlicher Form anfordern.
Der Widerspruch sollte begründet werden.
Es empfiehlt sich, zunächst fristwahrend gegen den Bescheid Widerspruch einzulegen und die Begründung später hinterher zu schicken. In der Zeit können zum Beispiel Unterlagen gesichtet, der Schwerbehindertenbeauftragte eingebunden oder der behandelnde Arzt zur weiteren Begutachtung aufgesucht werden.
Im fristwahrenden Widerspruchsschreiben sollte darauf hingewiesen werden, dass die Begründung des Widerspruches in einem gesonderten Schreiben folgt!

Was kann ich machen, wenn der Widerspruchsbescheid nicht meinen Erwartungen entspricht?

Im Idealfall sieht das Versorgungsamt/die zuständige Behörde den Widerspruch als begründet an und stellt einen Abhilfebescheid aus.
Wenn der Widerspruch nicht Ihren Erwartungen entspricht, haben Sie die Möglichkeit Klage einzureichen oder einen komplett neuen Antrag zu stellen.

Klage beim Sozialgericht einreichen: Die Klage ist beim zuständigen Sozialgericht einzureichen. Welches das zuständige Gericht ist, wird Ihnen im Widerspruchsbescheid in der Rechtsmittelbelehrung mitgeteilt.

Ist eine anwaltliche Vertretung zwingend? Grundsätzlich kann jede Person den Prozess vor dem Sozialgericht allein führen. Sie brauchen also keine anwaltliche Vertretung oder sonstige Bevollmächtigte.

Form: Klage können Sie durch ein einfaches Schreiben erheben. Dieses muss von Ihnen unterschrieben werden. Die Klage und alle Anträge im Laufe des Verfahrens können aber auch mündlich zur Niederschrift eines Urkundsbeamten in der Rechtsantragsstelle des Sozialgerichts erklärt und dort aufgenommen werden.

Frist: Die Klage muss innerhalb einer Frist von einem Monat nach Erhalt des Widerspruchsbescheides beim Sozialgericht in schriftlicher Form eingehen.

Inhalt: Bei Klageerhebung sollten Sie neben dem Bescheid, gegen den Sie sich wenden, angeben, was Sie mit der Klage erreichen wollen und aus welchen Gründen Sie den Bescheid für unzutreffend halten.
Die Klagebegründung kann später nachgereicht werden.

Was unternimmt das Gericht? Das Gericht ist verpflichtet, von sich aus dafür zu sorgen, dass alle Tatsachen und Umstände aufgeklärt werden, die für die Entscheidung über Ihre Klage von Bedeutung sind. Es lässt sich deshalb die Unterlagen zusenden, die es für nötig hält. So z.B. die Akten des Beklagten. Es holt Gutachten von neutralen Sachverständigen ein, soweit es um Fragen geht, die nur durch ein Sachverständigengutachten (beispielsweise auf fachärztlichem Gebiet) beantworten werden können.

Welche Kosten (Gerichtkosten und sonstige Kosten) entstehen durch das Verfahren? Die Klageerhebung und das gesamte gerichtliche Verfahren sind für Versicherte, sonstige Leistungsempfänger oder Menschen mit Behinderung gerichtskostenfrei. Auch Gutachten, die das Gericht zur Aufklärung für notwendig hält, werden auf Staatskosten eingeholt.
Sie müssen jedoch Ihre eigenen Kosten für die Prozessführung (z. B. Porto, Telefonkosten, Fahrtkosten, Kopierkosten, das Honorar einer von Ihnen ggf. beauftragten anwaltlichen Vertretung oder für ein von Ihnen beantragtes Gutachten) selbst tragen. Solche Aufwendungen werden Ihnen in der Regel nur dann ganz oder teilweise erstattet, wenn Sie den Prozess gewinnen. Für diesen Fall empfiehlt es sich, entsprechende Belege aufzuheben.

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