Kündigung wegen Vergleich von Infektionsschutzgesetz mit Ermächtigungsgesetz

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschied, dass die Kündigung einer Polizeiärztin wegen öffentlicher Kritik an der Corona-Politik wirksam ist. Die Frau hat in einer Zeitungsanzeige das Infektionsschutzgesetz mit dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten gleichgesetzt und somit gegen ihre Treuepflicht verstoßen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 2. Februar 2022, Aktenzeichen 10 Sa 66/21).

Der Fall

Die Klägerin war beim beklagten Land Baden-Württemberg als Polizeiärztin im polizeiärztlichen Dienst beschäftigt. Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

Im November 2020 veröffentlichte die Klägerin in einer Sonntagszeitung eine Kleinanzeige, in der sie das Infektionsschutzgesetz (3. Bevölkerungsschutzgesetz) vom 18. November 2020 mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 gleichsetzt. Weiter hat sie dort unter anderem behauptet, dass der Verlust aller Rechte der Bürgerinnen und Bürger bevorsteht, und zum Widerstand aufgerufen. Zudem hat die Klägerin von „Zwangsimpfung, Wegnehmen der Kinder, Schutzlos in der eigenen Wohnung, geschlossenen Grenzen, Arbeitsverbot, Gefängnis“ gesprochen.

In einem anschließenden Personalgespräch erklärt die Klägerin, sie sehe in der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes eine vergleichbare Situation wie beim Erlass des Ermächtigungsgesetzes vom 24. März 1933. Daraufhin kündigte das beklagte Land die Klägerin, da diese nicht (mehr) in der Lage sei, die geschuldete Arbeitsleistung vertragsgerecht zu erbringen. Die Klägerin wehrt sich mit der streitgegenständlichen Kündigungsschutzklage. Bis zuletzt hat die Klägerin die Zeitungsanzeige und deren Inhalt verteidigt.

Die Entscheidung

Die Kündigung ist gemäß § 1 Absatz 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sozial gerechtfertigt und daher wirksam. Die Äußerungen der Klägerin stellten einen Verstoß gegen ihre Treuepflicht dar. Nach § 241 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 3 Absatz 2 Satz 2 TV-L ist die Klägerin als Beschäftigte des Landes verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes (GG) zu bekennen. Arbeitnehmende des öffentlichen Dienstes ohne hoheitliche Aufgaben träfe eine „einfache“ politische Treuepflicht. Dabei dürften sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht aktiv bekämpfen. Zu diesem Mindestmaß an Verfassungstreue gehöre, dass sie nicht darauf aus sein dürfen, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen.

Durch die Zeitungsanzeige habe die Klägerin diese „einfache“ Treuepflicht verletzt, weil sie damit die gesetzgebenden Organe verächtlich gemacht hat. In ihrer Anzeige behauptet die Klägerin, durch das Infektionsschutzgesetz komme es zum Verlust sämtlicher Grundrechte. Damit werfe die Klägerin den Gesetzgebungsorganen einen Eingriff in die unabänderlichen Normen der Verfassung vor – ein Eingriff, wie er durch das Ermächtigungsgesetz aus dem Jahr 1933 ermöglicht worden ist. Mit diesem Sinngehalt habe die Klägerin die gesetzgebenden Organe und damit einen Teil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in einer Weise verächtlich gemacht, die mit der einfachen Treuepflicht des § 241 Absatz 2 BGB, § 3 Absatz 1 Satz 2 TV-L nicht in Einklang zu bringen ist. Die Klägerin habe den gesetzgebenden Organen in der Anzeige vorgeworfen, durch ein Verfahren, das dem Verhalten des Reichstags im Jahr 1933 entsprochen habe, den unantastbaren Gehalt der Grundrechte und der Staatsfundamentalprinzipien missachtet zu haben. Ein schärferer Vorwurf gegenüber den gesetzgebenden Organen sei kaum denkbar.

Durch das Verhalten der Klägerin sei das Arbeitsverhältnis und somit der personale Vertrauensbereich konkret gestört worden. Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin sei dem Land nicht zumutbar.

Das Fazit

Für Beschäftigte im öffentlichen Dienst gilt eine besondere Treuepflicht zum Grundgesetz, zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zu den Grundfesten des jeweiligen Landes. Diese Pflicht ist für einen funktionierenden demokratischen Staat unerlässlich.

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