Kündigung innerhalb der Wartezeit des § 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz

Erkrankt ein Arbeitnehmer während der Wartezeit des § 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) und dauert die Arbeitsunfähigkeit über den Ablauf der Wartezeit hinaus an, so entsteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz für die Dauer von sechs Wochen. In die Wartezeit fallende Krankheitstage sind nicht anzurechnen. Das gilt wegen § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis durch eine aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit ausgesprochene Kündigung noch innerhalb der Wartezeit beendet worden ist. Dies geht aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Mai 1999 hervor.

In dem entschiedenen Fall hatte die Beklagte am 13. Februar 1997 ein Zimmermädchen eingestellt. Dieses wurde am 27. Februar 1997 arbeitsunfähig krank. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 3. März 1997. Für die 42 Kalendertage vom 13. März bis zum 23. April 1997 leistete die Klägerin, bei der das Zimmermädchen gesetzlich krankenversichert war, Krankengeld in Höhe von insgesamt 1.350,30 Mark. Mit der Klage verlangte sie von der Beklagten die Erstattung dieses Betrages. Diesem Begehren gab das Bundesarbeitsgericht statt. Den Ausgangspunkt der Entscheidung bildet § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Danach hat ein wegen Krankheit arbeitsunfähiger Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Gemäß § 3 Abs. 3 EFZG entsteht dieser Anspruch, wenn das Arbeitsverhältnis vier Wochen ununterbrochen bestanden hat. Wird das Arbeitsverhältnis eines erkrankten Arbeitnehmers vor Ablauf der vierwöchigen Wartefrist wieder beendet, ist die Entstehung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs für die Zeit, in der das Arbeitsverhältnis bestanden hat, ausgeschlossen. Für die Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ist ein Entgeltfortzahlungsanspruch auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nicht gegeben. Etwas anderes gilt aber unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Nach dieser Vorschrift wird der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts "nicht dadurch berührt", dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt.

Nach Ansicht des Bundesarbeitgerichtes waren die Voraussetzungen dieser Vorschrift im Streitfall gegeben. Zwar lässt der Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts zwei unterschiedliche Deutungen zu: Er kann einmal dahin verstanden werden, dass nur der schon "bestehende" Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch eine krankheitsveranlasste Kündigung nicht berührt wird. Dem läge die Überlegung zugrunde, ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung müsse bei Kündigungsausspruch bereits bestanden haben, weil nur ein bestehender Anspruch "berührt" oder "nicht berührt" werden könne. Der Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG kann mit Blick auf § 3 Abs. 3 EFZG aber ebenso dahin verstanden werden, dass durch die betreffende Kündigung auch "die Entstehung" des Anspruchs auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht berührt wird. Diese Auslegung verdient nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes den Vorzug. Denn die Vorschrift solle verhindern, dass der Arbeitgeber sich durch die Kündigung seinen gesetzlichen Sozialverpflichtungen entzieht. Dieses Ziel aber würde verfehlt, falls eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf des Vier-Wochen-Zeitraums einen Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers trotz fortdauernder Arbeitsunfähigkeit auch dann ausschlösse, wenn das Arbeitverhältnis aus Anlass der Krankheit gekündigt würde. Es würde im Gegenteil - falls die Kündigungsfrist hinreichend kurz ist - ein Anreiz zum sofortigen Ausspruch einer Kündigung geschaffen.

(BAG vom 26. Mai 1999 -5 AZR 476/98)

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