Bund und Kommunen
Außerordentliche Kündigung bei häufigen Kurzerkrankungen
Häufige Kurzerkrankungen können ein Dauertatbestand sein, der den Lauf der Frist der fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 2 BGB ständig neu in Gang setzt, sobald und solange wie sie den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit zulassen und damit eine negative Gesundheitsprognose begründen (BAG, Urteil vom 23. Januar 2014, Aktenzeichen 2 AZR 582/13).
Der Fall
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist. Die Klägerin ist seit dem Jahr 1981 bei der Beklagten beschäftigt. Sie ist aufgrund tarifvertraglicher Regelungen ordentlich unkündbar. Seit dem Jahr 2000 war sie überwiegend als Hilfsgärtnerin tätig. Sie war von 2000 bis 2011 im Durchschnitt pro Jahr über 18 Wochen arbeitsunfähig erkrankt. In den letzten drei Jahren – von Frühjahr 2010 bis Frühjahr 2012 – war sie allerdings nur noch 11,75 Wochen krank. Der Arbeitgeber kündigte im März 2012 außerordentlich unter Gewährung einer Auslauffrist bis zum 30. September 2012. Als Kündigungsgrund gab die Beklagte die Gesamtheit der Krankheiten der vergangenen mehr als zehn Jahre und die sich daraus ergebende – fortbestehende – Anfälligkeit für Kurzerkrankungen an. Dabei handelt es sich nach Ansicht der Beklagten um einen Dauertatbestand. Dagegen reichte die Klägerin Kündigungsschutzklage ein. Aus ihrer Sicht sei die Kündigung unwirksam. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt. Zudem sei kein wichtiger Grund zur Kündigung gegeben, da ihre Erkrankung ausgeheilt sei.
Die Entscheidung
Das BAG hat zugunsten der Klägerin entschieden. Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist auch im Fall einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist einzuhalten. Bei Dauertatbeständen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen fortwährend neu verwirklichen, lässt sich der Fristbeginn jedoch nicht eindeutig fixieren. Liegt ein solcher Tatbestand vor, reicht es zur Fristwahrung aus, dass die Umstände, auf die der Arbeitgeber die Kündigung stützt, auch noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung gegeben waren. Im Fall einer lang andauernden Arbeitsunfähigkeit liegt ein solcher Dauertatbestand vor. Auch häufige Kurzerkrankungen können einen Dauertatbestand darstellen, so dass der Kündigungsgrund fortlaufend neu entsteht. Kündigungsgrund ist dabei nicht die Erkrankung als solche, sondern die negative Gesundheitsprognose und eine daraus resultierende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. In dem – als Grundlage für eine Prognose geeigneten – Zeitraum von drei Jahren vor Zugang der Kündigung sind die Ausfallzeiten der Klägerin deutlich zurückgegangen. Die künftig zu erwartenden Fehlzeiten der Klägerin führen auch dann nicht zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung der Beklagten, wenn diese für sämtliche Krankheitszeiten das Entgelt fortzahlen müsste. Das Arbeitsverhältnis wäre auch dann noch nicht „sinnentleert“, wenn künftig Fehlzeiten in dem von der Beklagten prognostizierten Umfang von jährlich 18,81 Wochen einträten. Auch in diesem Fall wäre die Klägerin noch zu fast zwei Dritteln ihrer Jahresarbeitszeit arbeitsfähig.
Das Fazit
Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit kann ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB sein. Grundsätzlich ist dem Arbeitgeber aber die Einhaltung der Kündigungsfrist zuzumuten. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa wenn die ordentliche Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen ausgeschlossen ist. Schon an eine ordentliche Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit ist ein strenger Maßstab anzulegen. Voraussetzung ist eine negative Gesundheitsprognose. Die prognostizierten Fehlzeiten müssten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, zum Beispiel zu Betriebsablaufstörungen oder zu wirtschaftlichen Belastungen. Im Wege einer Interessenabwägung ist zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber nicht mehr hingenommen werden müssen. Bei einer außerordentlichen Kündigung ist dieser Prüfungsmaßstab erheblich strenger.