Bund und Kommunen
„Stalking“ als Kündigungsgrund
„Stalking“ kann als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung gelten. Eine Abmahnung ist nicht erforderlich, wenn eine Verhaltensänderung nicht zu erwarten ist oder wenn es sich um eine besonders schwere Pflichtverletzung handelt (BAG, Urteil vom 19. April 2012, Aktenzeichen 2 AZR 258/11).
Der Fall
Der Kläger war bei dem beklagten Bundesland als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Im Jahr 2007 brachte eine Beschäftigte gegenüber der Beklagten vor, dass sie sich von dem Kläger belästigt fühle. Nach einem Verfahren vor der Beschwerdestelle nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz teilte diese dem Kläger schriftlich mit, dass er es zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu unterlassen habe, unmittelbaren dienstlichen Kontakt zu der Mitarbeiterin aufzunehmen. Im Jahr 2009 erklärte eine andere Mitarbeiterin, dass sie sich durch den Kläger bedrängt fühle. Die Beklagte ordnete daraufhin an, dass der Kläger jeden Kontakt zu der Mitarbeiterin zu unterlassen habe, hörte die Mitarbeiterin an und gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegen die erhobenen Vorwürfe. Nach Zustimmung des Personalrats und des Integrationsamts kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos. Hiergegen ging der Kläger gerichtlich vor.
Die Entscheidung
Das BAG hat die der Klage stattgebende Entscheidung des LAG aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.
„Stalking“ ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine Straftat handelt, sondern dass ein solches Verhalten eine Störung des Betriebsfriedens und eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen sowie der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers darstellt. Eine Abmahnung ist nur dann nicht notwendig, wenn eine Verhaltensänderung in der Zukunft nicht zu erwarten ist oder wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber erkennbar ausgeschlossen ist. Das Schreiben der Beschwerdestelle stellt jedenfalls keine Abmahnung dar, da es an der Rüge eines konkreten Fehlverhaltens fehlt. Die Ausführungen des LAG, dass das Fehlverhalten des Klägers nicht so gravierend war, dass eine Weiterbeschäftigung unzumutbar war, hält einer Überprüfung nicht stand. Aufgrund fehlender Feststellungen des LAG kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob eine Weiterbeschäftigung des Klägers zumutbar oder eine Abmahnung erforderlich war.
Das Fazit
Das Phänomen des „Stalking“, also wenn eine Person einer anderen Person gegen deren Willen nachstellt, wurde erst vor wenigen Jahren als Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Doch jenseits der Strafbarkeit eines entsprechenden Verhaltens hatten sich auch die Arbeitsgerichte mit dieser Thematik zu befassen. Das vorliegende Urteil macht deutlich, dass auch auf arbeitsrechtlicher Ebene eine Handhabe gegen Nachstellungen durch Kolleginnen oder Kollegen besteht. Diese haben, je nach Einzelfall, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur außerordentlichen fristlosen Kündigung zu rechnen.