Bund und Kommunen
Fristlose Kündigung nach Unterschlagung von 1,30 Euro
Die Verletzung des Eigentums oder des Vermögens eines Arbeitgebers ist geeignet, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darzustellen. Auch der Verdacht einer Straftat ist ausreichend, wenn er dringend ist und sich auf objektive Tatsachen gründet. Der Wert der Sache ist hierbei unerheblich. Anhand einer Abwägung im Einzelfall ist zu bestimmen, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten oder sein Vertrauen in den Arbeitnehmer irreparabel geschädigt ist. Auch das Verhalten des Arbeitnehmers nach der mutmaßlichen Tatbegehung kann hierbei eine Rolle spielen. (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08)
Der Fall
Die Klägerin ist eine 50-jährige Mutter von drei Kindern. Sie war seit 1977 bei der Beklagten als Kassiererin angestellt. Eine Kollegin der Klägerin teilte der Beklagten mit, dass sie beobachtet habe, wie die Klägerin zwei Leergutbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro an sich genommen und unrechtmäßig für sich eingelöst habe. Die Beklagte hörte die Klägerin zu dem Sachverhalt an und kündigte ihr daraufhin fristlos. Die Klägerin bestritt die ihr vorgeworfene Unterschlagung der Leergutbons. Zumindest sei der Wert der Bons von 1,30 Euro nicht ausreichend für eine außerordentliche Kündigung. Es sei nicht hinzunehmen, dass der Beschäftigte im Falle einer Verdachtskündigung seine Unschuld beweisen müsse. Sie warf der Beklagten vor, die Kündigung deshalb ausgesprochen zu haben, weil sie als Gewerkschaftsmitglied kurz zuvor einen Streik organisiert hatte.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Die fristlose Kündigung durch die Beklagte ist wirksam. Eine Verdachtskündigung war hier rechtmäßig, da der dringende Verdacht einer Straftat bestand, der auf objektiven Tatsachen und nicht bloß auf Unterstellungen der Beklagten beruhte. Die Beschäftigte muss nicht ihre Unschuld beweisen. Vielmehr muss der Arbeitgeber den dringenden Verdacht einer Straftat glaubhaft machen. Dies ist hier geschehen. Die Aussage der Zeugin war glaubhaft. Auch die Anhörung der Klägerin durch die Beklagte legte den dringenden Verdacht nahe, dass die Klägerin eine Straftat begangen hat. Der geringe Wert der Sache ist hierbei nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr der Vertrauensverlust bei der Beklagten. Dieser ist im vorliegenden Fall irreparabel, so dass der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht zuzumuten war. In einer Einzelfallabwägung sind zu Gunsten der Klägerin zwar ihr Alter und ihre lange Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Für die Beklagte spricht allerdings, dass sie sich auf die Zuverlässigkeit und Korrektheit einer Kassiererin verlassen können muss. Der ihr obliegende Umgang mit Geld setzt absolute Ehrlichkeit voraus. Des Weiteren spricht ihr Verhalten nach der mutmaßlichen Tat gegen die Klägerin. Sie hat im Rahmen der Anhörung durch die Beklagte wiederholt falsche Angaben gemacht und grundlos eine unbeteiligte Kollegin belastet. All dies führte zu einem irreparablen Vertrauensverlust bei der Beklagten. Ein Zusammenhang der Kündigung mit dem zuvor organisierten Streik ist nicht erkennbar.
Das Fazit
Die fristlose Kündigung wegen des bloßen Verdachts einer Unterschlagung von 1,30 Euro erscheint zunächst unverhältnismäßig und ungerecht, gerade im Hinblick auf die lange Betriebszugehörigkeit und das Alter der Klägerin. Das Gericht hat in seiner Entscheidung jedoch deutlich gemacht, dass der Wert der Sache vorliegend nicht entscheidend war. Kündigungsgrund sei letztlich der Vertrauensverlust gewesen, der durch das gesamte Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit dem vorliegenden Sachverhalt herbeigeführt worden sei. Das Gericht hat zur Begründung dargelegt, dass der Arbeitgeber darauf angewiesen sei, einem Beschäftigten, der mit Geldangelegenheiten betraut ist, Vertrauen entgegenzubringen und dass dieses Vertrauen hier durch die Gesamtumstände irreparabel zerstört worden sei. Insgesamt bestätigt das Urteil die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Verdachtskündigung.