Fristlose Kündigung wegen menschenverachtender Äußerung gegenüber Kollegen gerechtfertigt

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Verfassungsbeschwerde gegen die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen zu einer fristlosen Kündigung wegen einer groben menschenverachtenden Äußerung nicht zur Entscheidung angenommen. Die Äußerung „Ugah, Ugah“ gegenüber Kollegen mit dunkler Hautfarbe stelle eine menschenverachtende Diskriminierung dar, die sich nicht unter Berufung auf die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) rechtfertigen lasse (BVerfG, Beschluss vom 2. November 2020, Aktenzeichen 1 BvR 2727/19).

Der Fall

Der Beschwerdeführer war seit 13 Jahren bei einem Logistikunternehmen beschäftigt und dort als Betriebsratsmitglied tätig. Im Rahmen einer Ausein-andersetzung während einer Betriebsratssitzung über den Umgang mit einem EDV-System betitelte er seinen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten „Ugah, Ugah“, während der angesprochene Kollege ihn als „Stricher“ bezeichnete. Unter anderem aufgrund dieses Vorfalls wurde dem Beschwerdeführer außerordentlich gekündigt. Gegen die Kündigung ging er gerichtlich vor. Nach umfänglicher Beweisaufnahme erachteten die Gerichte für Arbeitssachen die Kündigung auch aufgrund einer einschlägigen vorhergehenden Abmahnung als rechtmäßig. Das Arbeitsgericht stellte darauf ab, dass grobe Beleidigungen von Arbeitskolleginnen und -kollegen eine erhebliche Pflichtverletzung seien, die als wichtiger Grund im Sinne von § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Kündigung berechtigen. Das ergebe sich schon aus den Wertungen in §§ 104, 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und §§ 1, 7, 12 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Die Äußerung sei eine grobe, wegen der ethnischen Herkunft diskriminierende Beleidigung, die nach der Beweisaufnahme zwar in einem Wortwechsel, aber nicht selbst in Reaktion auf „Du Stricher“ erfolgte. Das Landesarbeitsgericht hat sich diesem Ergebnis angeschlossen. Die Äußerung sei als rassistische Beleidung schon „für sich“ ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung, gegenüber einem dunkelhäutigen Kollegen sei sie schließlich als Offenbarung eines Rassisten zu verstehen. Auch ausweislich der vorausgegangenen Konflikte im Betrieb liege darin keine Entgleisung oder ein Irrtum, sondern wissend und ohne Reue Ausdruck einer Grundhaltung. Durch das Verfahren vor dem BVerfG rügt der Beschwerdeführer unter anderem, dass die Gerichte sein Recht auf Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG verletzten, indem sie die Kündigung für rechtmäßig erachteten. Sie hätten seine Grundrechte gegenüber dem Kündigungsinteresse der Arbeitgeberin nicht abgewogen. Nach Auffassung des Beschwerdeführers durften die Arbeitsgerichte ihm zudem keine rassistische Grundeinstellung vorwerfen und ihn als Rassisten betiteln.

Die Entscheidung

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers nicht zur Entscheidung angenommen. Insbesondere verletzten die angegriffenen Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Die Gerichte für Arbeitssachen hätten die Wertungen aus Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) sowie Art. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (Diskriminierungsverbot) nicht verkannt. Die Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers durch die arbeitsgerichtliche Bestätigung der Kündigung sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Gerichte hätten sich ausführlich mit den Deutungsangeboten des Beschwerdeführers befasst. Zutreffend sei die konkrete Situation als maßgeblich angesehen worden, in der ein Mensch mit dunkler Hautfarbe direkt mit der Nachahmung von Affenlauten adressiert wird. Der Schluss, dass es sich aufgrund der Verbindung zu einem nach § 1 AGG verpönten Merkmal nicht nur um eine derbe Beleidigung handle, sondern die Äußerung fundamental herabwürdigend sei, sei auch im Lichte von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, der sich gegen rassistische Diskriminierung wendet, nicht zu beanstanden. Zudem macht das BVerfG in seiner Entscheidung deutlich, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit grundsätzlich eine Abwägung zwischen drohenden Beeinträchtigungen der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite erfordert. Die Meinungsfreiheit trete aber dann zurück, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde anderer antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellten. An diese Ausnahmefälle seien jeweils strenge Kriterien zu stellen und ihr Vorliegen sei ausführlich zu begründen. Dies hätten die Gerichte für Arbeitssachen im vorliegenden Fall in Anwendung des Kündigungsschutzrechts aber nicht verkannt. Sie stützen sich auf die Regelungen der §§ 104, 75 Abs. 1 BetrVG und §§ 1, 7, 12 AGG, in denen die verfassungsrechtlichen Wertungen der Unantastbarkeit der Menschenwürde und des Diskriminierungsverbots verankert sind. Sie begründeten ausführlich, dass und warum es sich um menschenverachtende Diskriminierung handele. Die Menschenwürde werde angetastet, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird, und damit das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich normierte Recht auf Anerkennung als Gleiche unabhängig von der „Rasse“ verletzt wird. Eine solche Diskriminierung lasse sich nicht unter Berufung auf Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigen. Diese Wertung sei ebenso wie die im Rahmen der fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB geforderte Gesamtabwägung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Fazit

Die Entscheidung zeigt, dass für rassistisches Gedankengut auch in der Arbeitswelt kein Platz ist und dem entschieden entgegenzutreten ist. Es ist von immens großer Bedeutung, den Werten der Verfassung auch im alltäglichen Rechtsleben zur Geltung zu verhelfen. Im Arbeitsrecht geschieht dies beispielsweise mittels der Regelungen in §§ 104, 75 Abs. 1 BetrVG und §§ 1, 7, 12 AGG, hinter denen die Meinungsfreiheit zurücktreten muss.

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