Fristlose Kündigung aufgrund sexueller Belästigung

Wer auf einer Dienstreise eine Kollegin gegen ihren Willen küsst, verletzt seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seiner Arbeitgeberin Rücksicht zu nehmen, in erheblicher Weise. Solch ein Verhalten ist an sich geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (LArbG Köln, Urteil vom 1. April 2021, Aktenzeichen 8 Sa 798/20). 

Der Fall

In dem Verfahren streiten die Parteien über die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Kündigung der Beklagten. Der Kläger ist seit 1996 bei der Beklagten als zuletzt so genannter EDI-Manager beschäftigt. Er ist verheiratet und hat zwei unterhaltspflichtige Kinder. Die betreffende Kollegin ist im September 2019 bei der Beklagten eingestellt worden und war zuvor bereits als Werkstudentin beschäftigt. Auf einer zweitägigen Teamklausur versuchte der Kläger am Abend, die Kollegin zu küssen, und küsste sie gegen ihren Willen. Er folgte der Kollegin zunächst auf dem Rückweg von der Hotelbar zu ihrem Zimmer, obwohl sie ihm gegenüber eindeutig geäußert hatte, dass sie das nicht wolle. Vor ihrem Hotelzimmer dann zog der Kläger sie zu sich heran, um sie zu küssen. Nachdem sie sich weggedrückt hatte, zog er sie erneut zu sich heran und küsste sie schließlich. Die Kollegin drückte ihn daraufhin erneut weg, öffnete ihre Zimmertür, ging schnell hinein und verschloss die Tür von innen. Der Kläger schrieb in einer anschließenden WhatsApp-Nachricht, er hoffe, sie sei ihm nicht böse. Die Kollegin wandte sich an den Vorgesetzten der beiden und berichtete diesem von dem Vorfall auf der Klausur. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Klägers fristlos, hilfsweise fristgerecht. Gegen die Kündigung wehrte sich der Kläger gerichtlich. Das Arbeitsgericht hat die Klage jedoch nach Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme abgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht Köln habe zu Recht die Klage gegen die fristlose Kündigung abgewiesen. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten sei wirksam und habe das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aufgelöst. Es liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor, welcher die fristlose Kündigung rechtfertige. Der Kläger hat seine Kollegin sexuell belästigt, so dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist der Beklagten unzumutbar sei. Nach § 626 Absatz 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer der/dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Im vorliegenden Fall liege ein wichtiger Grund für die ausgesprochene Kündigung vor. Wer auf einer dienstlich veranlassten Reise eine Arbeitskollegin gegen ihren Willen zu küssen versucht und küsst, verletze – unabhängig von der Strafbarkeit der Tat wegen sexueller Belästigung – seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seiner/seines Arbeitgebenden Rücksicht zu nehmen, in erheblicher Weise. Ein solches Verhalten sei „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Der Kläger habe durch sein Verhalten eine so schwere Pflichtverletzung begangen, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Kläger selbst erkennbar – ausgeschlossen sei. Daher bedurfte es auch keiner vorherigen Abmahnung. Der Kläger habe mit der aufgrund der Beweisaufnahme nachgewiesenen sexuellen Belästigung der Kollegin eine „rote Linie“ überschritten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte, deren Verpflichtung es sei, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor sexuellen Belästigungen gegenüber Kolleginnen und Kollegen zu schützen, auch für den Kläger erkennbar – unzumutbar mache. Die sexuelle Belästigung habe im Rahmen einer dienstlichen Fortbildung stattgefunden. Dabei habe der Kläger gegenüber der Kollegin seine stärkere Position ausgenutzt. Er sei der Kollegin nicht nur körperlich überlegen, sondern habe auch gewusst, dass diese erst vor circa zwei Wochen bei der Beklagten angefangen und sich noch in der Probezeit befunden habe. Zudem seien die vom Kläger nachträglich gegenüber seiner Kollegin ausgesprochenen Entschuldigungen nicht geeignet, die vorher begangene schwere Pflichtverletzung ungeschehen zu machen. Schließlich habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass auch die – unter Abwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstände – durchzuführende Interessenabwägung zu keinem anderen Ergebnis kommt. In Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung des Klägers sei trotz der langen Dauer des Arbeitsverhältnisses des Klägers und dessen familiärer Situation ein Festhalten am Arbeitsverhältnis selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen. 

Das Fazit

Nicht erst seit der MeToo-Bewegung sollte grundsätzlich jeder und jedem Arbeitnehmenden klar sein, welches Verhalten hinsichtlich kollegialer Beziehungen eindeutig falsch und unangebracht ist. Heutzutage muss primäres Ziel sein, Parität am Arbeitsplatz herzustellen. Wenn dieses Ziel bedauerlicherweise nicht von allen Arbeitnehmenden verfolgt wird, müssen Arbeitgebende umgehend und umfassend ihrer Fürsorgepflicht nachkommen. Arbeitgebende haben ihre Mitarbeitenden vor sexuellen Belästigungen und Angriffen zu schützen. Daher ist die vorliegende Entscheidung der Arbeitgeberin und die des Gerichts nur konsequent und unerlässlich.

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