Bund und Kommunen
Zugang der Kündigung treuwidrig verhindert
Das Bundesarbeitsgericht hat in dem Verfahren über die außerordentliche Kündigung einer schwerbehinderten Arbeitnehmerin entschieden, dass die Verhinderung des Zugangs des Kündigungsschreibens durch Kur- bzw. Urlaubsabwesenheit des Arbeitnehmers treuwidriges Verhalten darstellt, das die verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Die Angestellte war nach BAT ordentlich unkündbar. Zwischen Januar 1997 und November 1999 war sie an lediglich drei Tagen ihrer Tätigkeit als Justizangestellte nachgegangen. In der übrigen Zeit war die Arbeitnehmerin zumeist arbeitsunfähig erkrankt. Für die vom Arbeitgeber veranlasste Untersuchung durch den Vertrauensarzt, die nach § 7 Abs. 2 BAT der Feststellung der Dienstfähigkeit dient, traf die Arbeitnehmerin eine Pflicht zur Mitwirkung. Jedoch hatte sich die Arbeitnehmerin auch nach Androhung der fristlosen Kündigung geweigert, dem mit der Untersuchung beauftragten Personalärztlichen Dienst die benötigten ärztlichen Vorbefunde zur Verfügung zu stellen. Die darauf gegründete außerordentliche Kündigung wurde dem Rechtsanwalt der Arbeitnehmerin zugestellt. Das für die Angestellte selbst bestimmte Kündigungsschreiben konnte nicht persönlich übergeben werden und musste durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt zugestellt werden. Dort nahm die Angestellte das Schreiben erst 12 Tage nach Hinterlegung des Benachrichtigungsscheins der Post über die Zustellung entgegen. Die Angestellte erhob Kündigungsschutzklage mit der Rüge, die Kündigung sei ihr nicht unverzüglich im Sinne von § 21 Abs. 5 Schwerbehindertengesetz (jetzt § 91 Abs. 5 SGB IX) ausgesprochen worden. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der beklagten Stadt hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.
Das BAG hielt die Kündigung für rechtswirksam. Die beharrliche Weigerung, dem mit der Begutachtung beauftragten Personalärztlichen Dienst entgegen § 7 Abs. 2 BAT Vorbefunde zur Verfügung zu stellen, sei unter diesen Umständen ein außerordentlicher Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bzw. § 54 BAT. Der Arbeitgeber konnte anstelle des im BAT genannten Vertrauensarztes den eigens zur Erstellung dieser und vergleichbarer Gutachten eingerichteten Personalärztlichen Dienst mit der Begutachtung beauftragen. Auch ist die Kündigung rechtzeitig erfolgt. Die Arbeitnehmerin kann sich wegen des Rechtsgrundsatzes, dass man sich im täglichen Rechtsverkehr nicht treuwidrig verhalten darf (§ 242 BGB), nicht auf die verspätete Aushändigung der Kündigung berufen. Vielmehr war die Arbeitnehmerin von der Hauptfürsorgestelle zuvor zu der bevorstehenden Kündigung angehört worden. Daher war ihr bekannt, dass ihr demnächst ein Kündigungsschreiben ihres Arbeitgebers zugehen würde. Folglich konnte sie sich nicht darauf berufen, dass sie die Kündigung tatsächlich erst 12 Tage nach Zugang des Benachrichtigungsscheins der Post in Händen gehalten hat. Außerdem war mit zu berücksichtigen, dass ein erster Kündigungsversuch im Januar 1999 unter ähnlichen Umständen gescheitert war. Damals hatte die Arbeitnehmerin ihrem Rechtsanwalt zwar eine Vollmacht dahingehend erteilt, gegen die Kündigung Klage zu erheben, nicht jedoch auch dazu, weitere Kündigungen in Empfang zu nehmen. Da sie aus dem Anhörungsverfahren der Hauptfürsorgestelle von der bevorstehenden Kündigung wusste, hätte sie vor der Abreise zur Kur jemanden damit beauftragen müssen, die Post für sie entgegen zu nehmen.
(BAG, Urteil vom 7. November 2002 - 2 AZR 475/01)