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Beamtinnen und Beamte wollen Flexibilität bei der Arbeitszeit

Mit Praktikerinnen aus den Ländern diskutiert der dbb neue Wege zur Modernisierung des Beamtenrechts.

Beamtinnen & Beamte

„Angesichts des wachsenden Fachkräftemangels benötigen wir ein höheres Maß an Arbeitszeitsouveränität und Flexibilität im öffentlichen Dienst. Das ist die klare Erwartung der Beamtinnen und Beamten. Deshalb wird das auch in der bevorstehenden Einkommensrunde 2025 von Bund und Kommunen ein Thema sein“, sagte Waldemar Dombrowski, Zweiter Vorsitzender und Fachvorstand Beamtenpolitik des dbb. Die jetzigen Regelungen zu Langzeitkonten für Beamtinnen und Beamte würden in den meisten Gebietskörperschaften weder Vertrauen noch Motivation schaffen, so Dombrowski. „Die Öffnung der Langzeitkonten beim Bund für alle Beamtinnen und Beamten böte zudem die große Chance, die seit vielen Jahren überfällige Rückführung der Wochenarbeitszeit von 41 auf 39 Stunden endlich vorzunehmen, ohne dass sich Lücken in den Dienststellen ergeben würden und die Arbeitsbelastung weiter steigt. Das wäre eine echte Win-win-Situation, die von Wertschätzung und Fairness gekennzeichnet ist“, so der dbb Vize. Die Wochenarbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes war im Jahr 2006 zu Sparzwecken auf 41-Wochenstunden erhöht worden – damals mit dem Versprechen, dass es sich um eine temporäre Maßnahme handeln würde. Heute, 18 Jahre später, gibt es diese einseitige Belastung aber immer noch.

Föderaler Flickenteppich auch bei der Arbeitszeit für Beamtinnen und Beamte

Mechthild Behr, Leiterin des Referats für Beamtenrecht und Personalvertretungsrecht im hessischen Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz, skizzierte die hessische Lösung, nach der grundsätzlich Arbeitszeit angespart wird. Das hessische Lebensarbeitszeitkonto gilt für alle Landes- und Kommunalbeamten (ausgenommen sind nur Beamtinnen und Beamte auf Widerruf, auf Zeit sowie Beamtinnen und Beamte, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können) und sieht vor, dass jeweils die 41. Wochenstunde gutgeschrieben wird. Das Modell geht auf eine Vereinbarung zwischen der Landesregierung und dem dbb Hessen zurück, die seit Januar 2007 gilt. Das Kontomodell sei daher kein klassisches Langzeitarbeitszeitkonto, weil zusätzlich keine Mehrstunden oder Urlaubstage gutgeschrieben werden können, sagte Behr. „Das hat auch damit zu tun, dass die Methodik zu einer relativ starken Anhäufung von Stunden führt, die irgendwann auch wieder abgebaut werden müssen.“ Klare Richtlinien machen die Handhabung laut Behr „sehr transparent, individuelle Vereinbarungen sind nicht notwendig.“

Demnach können die angesparten Stunden – in Teilzeit anteilig – in der Regel vor dem Eintritt in den Ruhestand en bloc in Anspruch genommen werden. Da ab dem 60. Lebensjahr die 40-Stunden-Woche greift, können Beamtinnen und Beamte ab diesem Zeitpunkt freiwillig weiter sparen. „Wenn keine dienstlichen Belange entgegenstehen, kann die Zeit auch vorher in Anspruch genommen werden, sofern dies rechtzeitig beantragt wird. Das wird von den Kolleginnen und Kollegen gerne in Anspruch genommen, etwa dann, wenn Angehörige gepflegt werden müssen, ein Haus gebaut werden soll, oder auch für eine längere Reise.“ Ausgezahlt werden könne das angesparte Guthaben allerdings nicht. Bei Dienstunfähigkeit -„ein Störfall, den der Dienstherr mitgedacht hat“ - gibt es einen monetären Ausgleich. Zum Hintergrund: In Hessen galt im Jahr 2007 auch aus Gründen der Haushaltskonsolidierung noch die 42-Wochen-Stunde. „Die Idee war, den Beamten zum Ende ihrer Dienstzeit etwas zurückzugeben“, erklärte Behr.

„Viele Beschäftigte hegen den Wunsch, langfristig oder kurzfristig weniger zu arbeiten“

Für die Attraktivität der Arbeitsplätze im Beamtenbereich attestierte Behr dem hessischen Modell große Anziehungskraft. Weiterhin biete das Land Hessen flexible Teilzeitmöglichkeiten, mobiles Arbeiten und Gleitzeit, die je nach Lebensphase helfen, auch gegenüber der Konkurrenz aus der Wirtschaft Personal zu binden. „Künftig werden wir natürlich darüber nachdenken müssen, wie wir unser Langzeitmodell zukunftsfest machen. Wenn das Gesamtpaket stimmt, kommen auch junge qualifizierte Nachwuchskräfte in die vielfältigen Berufe des öffentlichen Dienstes.“

Karen Siwonia, Vorsitzende des Bezirkspersonalrates beim Landesamt für Steuern und Finanzen Dresden und stellvertretende Vorsitzende des SBB Beamtenbund und Tarifunion Sachsen, betonte, dass das Thema Arbeitssouveränität im Freistaat sehr viel Raum einnimmt, und das seit Jahren. „Viele Beschäftigte hegen den Wunsch, langfristig oder kurzfristig weniger zu arbeiten“, sagte sie. In Sachsen gebe es bereits die Möglichkeit für Behörden, Langzeitkonten zu erproben – die Pilotphase dauere noch bis 2026 an. „Leider ist bis jetzt kaum etwas passiert, de facto handelt es sich um einen Papiertiger“, sagte Siwonia. „Wenn wir nichts ausprobieren, können wir auch nicht feststellen, was sich bewährt.“ Das sei bedauerlich, von den Verantwortlichen wünsche sie sich mehr Mut.

Der Dienstherr sei mit der Frage konfrontiert, ob er dem Wunsch nach mehr Arbeitszeitsouveränität angesichts des demografischen Wandels überhaupt gerecht werden kann, so Siwonia weiter. „Natürlich steht die Frage im Raum, ob sich das kompensieren lässt. Meine Antwort lautet: Der öffentliche Dienst muss dem Wunsch gerecht werden, weil es das ist, was ihn attraktiv macht!“ Es sei keine Seltenheit, dass junge Menschen in Teilzeit ins Berufsleben starten wollen. Mit Blick auf Arbeitszeitkonten unterstrich die Gewerkschafterin: „Gerade in Projektarbeiten gibt es Arbeitsspitzen, die Teilzeit-Beschäftigte in eine Arbeitszeit-Bredouille bringen. Unter anderem für diese Fälle sind Arbeitszeitkonten ein sinnvoller Baustein.“

Fürsorgepflicht vs. Flexibilität?

In Bayern gebe es keine Einsparkonten, weder für Langzeit noch für Lebensarbeitszeit, erklärte Dr. Julia Uckelmann, Ministerialrätin im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat. „Dafür haben wir sehr flexible Arbeitszeitmodelle, um die Gestaltung in verschiedenen Lebensphasen anzupassen.“ Es gebe etwa im Urlaubsrecht flexible Möglichkeiten der Einsparung. Uckelmann betonte: „Wir können die Arbeitszeitkonten nicht als Lösung aller Probleme aufschreiben.“ Stattdessen sollten die Dienstherren auf bereits vorhandene Möglichkeiten setzen. Für andere Modelle sieht sie keinen Bedarf. Auch die bisherigen Erfahrungsberichte über Langzeitkonten sprächen nicht wirklich für ein Erfolgsmodell. Für die bayerische Referatsleiterin sind dafür zwei Gründe ausschlaggebend: „Zum einen haben wir einen erheblichen Anteil an Teilzeitbeschäftigten bei den Beamtinnen und Beamten in Bayern. Bei den neuen Generationen, für die die Work-Life-Balance viel mehr im Vordergrund steht, besteht eher der Wunsch, einfach weniger zu arbeiten.“ Zum anderen sehe sie die Fürsorgepflicht gefährdet: „Wenn wir Beschäftigte dazu ermutigen, über eine längere Phase deutlich mehr zu arbeiten, halte ich das für gesundheitsgefährdend. Im Angesicht des demografischen Wandels müssen wir die Arbeitsfähigkeit der Kolleginnen und Kollegen schützen.“ 

Was spricht also für den Freistaat Bayern als Arbeitgeber? „Ganz wichtig ist die sinnstiftende Arbeit“, antwortete Uckelmann. „Dass ich weiß, dass ich mich an meiner Stelle für das Gemeinwohl engagiere.“ Ein weiterer Faktor sei die Jobsicherheit, die gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und im Vergleich zur freien Wirtschaft sehr attraktiv ist. Dies sei hinsichtlich der Arbeitszeit aber beidseitig: „Wir bieten unseren Beschäftigten Verlässlichkeit, fordern sie aber auch von unseren Beschäftigten“, hob Uckelmann hervor.

Dombrowski: dbb wird beim Bund weiter bohren 

An der Forderung nach einer Öffnung der Langzeitkonten für alle Beamtinnen und Beamten beim Bund will der dbb trotz unterschiedlicher Erfahrungen in den Ländern festhalten, machte Waldemar Dombrowski als Fachvorstand Beamtenpolitik des gewerkschaftlichen Dachverbands in seinem Fazit deutlich. Dabei gehe es nicht nur darum, dass der Bund als Dienstherr endlich sein Versprechen hinsichtlich der Arbeitszeit einlöse. Es gehe auch um grundsätzliche Fragen. Dombrowski: „Das Beamtentum hat sich immer wieder bewährt. Aber es muss in die Zeit gestellt werden, damit es weiterhin attraktiv bleibt. Attraktivität durch Flexibilität kann der Dienstherr durch Langezeitkonten sogar ohne große Mehrkosten erreichen. Diese Chance darf nicht vertan werden, dafür wird der dbb entschlossen eintreten.“
 

 

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