Fachvortrag „Der öffentliche Dienst – in bester Verfassung?“
Berufsbeamtentum sichert Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung
Welche Rolle der öffentliche Dienst in unserer Verfassungsordnung spielt, war Thema des Fachvortrages von Udo Di Fabio auf der dbb Jahrestagung am 11. Januar 2021. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter nahm insbesondere die Herausforderungen für die Verwaltung als Teil der staatlichen Gewaltenteilung in den Blick.
Als tragender Pfeiler unserer Gesellschaft, der die staatliche Gewalt ausübt, sei der öffentliche Dienst Gegenspieler und Servicepartner, weil er sowohl für die Einschränkung grundrechtlicher bürgerlicher Freiheiten, als auch die Gewährung staatlicher Leistungsansprüche zuständig ist.
Als strukturellen Garanten für das Funktionieren der öffentlichen Verwaltung nannte Di Fabio den Fortbestand des Berufsbeamtentums: Viele hätten schon gedacht, die Zeit des Berufsbeamtentums sei vergangen und Artikel 35, Absatz 5, des Grundgesetzes werde irgendwann gestrichen: „Doch das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass die Vorschrift nicht nur weiter gültig ist, sondern dass dahinter auch ein hochaktueller sowohl rechtsstaatlicher wie auch demokratischer Kerngedanke steht, der gerade in volatilen Zeiten nicht verloren gehen sollte.“ Zumal die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums – ungeachtet der Strukturunterschiede – auch für andere Gruppen in der Verwaltung von Bedeutung seien.
Qualitative Verbesserungen mahnte Di Fabio für die Personalsituation an: „Die alternde Gesellschaft ist nicht nur ein Problem im Hinblick auf den Nachwuchs im öffentlichen Dienst, sondern sie bewirkt auch eine Zunahme von Aufgaben und eine Bedeutungszunahme öffentlicher Dienstleistungen.“ Das gelte nicht nur für die Altenpflege oder die medizinische Versorgung, sondern auch für die Bereiche der inneren und sozialen Sicherheit.
Der öffentliche Dienst werde nur dann in guter Verfassung bleiben, wenn es gelingt junge Menschen zu gewinnen und langfristig zu motivieren. „Das bedeutet in einer Gesellschaft, die herkömmliche Rollenbilder aufgegeben oder verändert hat, dass auch der öffentliche Dienst dem nicht nur zeitverzögert irgendwie folgt, sondern proaktiv gestaltet.“ Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei im öffentlichen Dienst im Vergleich zu Privatwirtschaft durchaus gut ausgestaltet, aber die Teilzeitbeschäftigung führe insbesondere bei weiblichen Beschäftigten noch immer zu Nachteilen in der Karrierebiografie: „Wer junge Frauen im Dienst fair behandeln will, wird demnach die Bedingungen für Teilzeitarbeit verbessern. Führungsmodelle wie Führen aus der Ferne oder Führen in Teilzeit werden in einer mehr und mehr digitalen Arbeitswelt neue Qualifikationsprofile entstehen lassen und ihren Niederschlag in geänderten Beurteilungskriterien für Führungskräfte finden.“
Di Fabio nahm auch Defizite des öffentlichen Dienstes ins Visier. Wenn Schulen in der Coronakrise viele Monate benötigten, um einen halbwegs akzeptablen Digitalunterricht anzubieten, müsse gefragt werden, warum das so ist. Wenn die Ausstellung eines Personalausweises oder die Zulassung eines PKWs einen viel zu großen Zeitraum erfordere, muss gefragt werden, woran es hakt. Manchmal handele es sich um Fehler der Führung der Verwaltung, die politisch in Angriff genommen werden müssten. Manchmal aber zeigen sich auch Symptome einer strukturellen Überforderung, die aus einem zum Teil Jahrzehnte erfolgten Zuwachs von Aufgaben resultierten. „Die demokratische Gesellschaft muss erkennen, dass das Ansehen des Rechtsstaates immer auch davon abhängt, dass die öffentlichen Aufgaben, das Versprechen der inneren Sicherheit und die Infrastruktur der Daseinsvorsorge auf der einen Seite immer in der Balance zu den personellen und sächlichen Mitteln auf der anderen Seite stehen muss.“
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