Warnstreik und Groß-Demo in Niedersachsen
„Beton-Taktik der Arbeitgeber ist zukunftsfeindlich“
dbb Chef Ulrich Silberbach hat in Hannover die „Beton-Taktik“ der Arbeitgeber von Bund und Kommunen vor über 1.500 Beschäftigten als „zukunftsfeindlich“ kritisiert.
Ganztägiger landesweiter Warnstreik in Niedersachsen und mehr als 1.500 Beschäftigte bei der zentralen Groß-Demo in Hannover – die Geduld der Beschäftigten mit den Arbeitgebern in der laufenden Einkommensrunde für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen ist „am Anschlag“, stellte der dbb Bundesvorsitzende am 28. Februar 2023 vor über tausend Demonstrierenden in Hannover fest, die dem Aufruf zur zentralen Protestkundgebung gefolgt waren. „Die Beton-Taktik der Arbeitgeber ist zukunftsfeindlich. Sie bremst uns aus, sie schätzt uns nicht wert und sie sendet fatale Signale an den so dringend über all unsere Branchen hinweg benötigten Berufsnachwuchs“, kritisierte Silberbach. „Viel reden und nichts bieten bringt uns keinen Schritt weiter, das muss der Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Karin Welge als Verhandlungsführerin der kommunalen Arbeitgeber eigentlich klar sein, denn an herausfordernden Krisen fehlt es dem Staat nun wirklich nicht. Betreuungs- und Bildungskrise, Migration und Geflüchtete, Klimawende – all das muss der öffentliche Dienst schultern und zwar so schnell wie möglich. Mogelpackungen und Nebelkerzen, die die Verhandlungen künstlich in die Länge ziehen, sind in dieser Situation geradezu fahrlässig“, kritisierte der dbb Chef mit Blick auf die erneut ergebnislos zweite Verhandlungsrunde in Potsdam Ende vergangener Woche. „Investitionen in Personal, Ausstattung und attraktive Arbeitsbedingungen sind unumgänglich für die Zukunftsfähigkeit von Bund und Kommunen. Wenn sie jetzt nicht die Reißleine ziehen, werden Frau Faeser und Frau Welge den Bürgerinnen und Bürgern erklären müssen, warum der Staatsdienst nicht aus dem Krisenmodus kommt“, warnte Silberbach und kündigte eine Intensivierung der Warnstreik- und Protestmaßnahmen im ganzen Land an.
Auch Alexander Zimbehl, 1. Landesvorsitzender des NBB Niedersächsischer Beamtenbund und Tarifunion, betonte, „dass die Kolleginnen und Kollegen keinerlei Verständnis mehr für die Hinhaltetaktik und Mogelpackungen der Arbeitgeberseite haben. Gerade in Anbetracht der Inflation und immer wieder von der Politik geäußerten Wertschätzung brauchen wir jetzt Taten, die wir in der Tasche spüren“, forderte er unter dem lautstarken Applaus der Demonstrierenden. Auch im Umgang mit den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes brauche es eine „Zeitenwende: Wertschätzung heißt leistungsgerechte Bezahlung, moderne Arbeitsbedingungen und verlässliche Perspektiven für junge Menschen. Jeder Arbeitgeber, der in diesen Punkten nicht liefert, hat heute schon verloren und wird es morgen nicht mehr schaffen, Leute zu finden und dauerhaft zu binden, um die anstehenden Aufgaben zu übernehmen. Im Bereich der Daseinsvorsorge ist ein solches Szenario schlicht keine Option, denn damit brächten wir unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität gleichermaßen in Gefahr“, mahnte Zimbehl. Bund und VKA seien daher gut beraten, in der nächsten Verhandlungsrunde endlich die richtigen Weichen für einen auch in Zukunft funktionierenden Staatsdienst zu stellen.
Peter Specke, 2. Landesvorsitzender des NBB und Vorsitzender der komba gewerkschaft niedersachsen, kritisierte die „Leere-Taschen-Rhetorik“ insbesondere der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA): „Der Tariftisch ist der falsche Ort, um die finanziellen Probleme der kommunalen Haushalte zu lösen. Wir streiten gar nicht ab, dass bei hier Handlungsbedarf besteht, aber die Beschäftigten sind definitiv nicht die richtigen Adressaten in dieser Angelegenheit. Wir werden nicht zulassen, dass die Altschulden auf unserem Rücken abgeladen werden“, machte Specke deutlich. „Die finanzielle Lage beispielsweise der Kita-Erzieherin oder des Bauhof-Mitarbeiters ist viel dramatischer als die des Stadt- und Staatssäckels, zumal die Kommunen erwiesenermaßen Einnahmen verzeichnen und im letzten Jahr sogar einen Nettoüberschuss erzielt haben.“ Die Arbeitgeber sollten aufhören, „Scheindiskussionen zu führen und endlich ein anständiges Angebot auf den Tisch legen“, forderte Specke.
Vom Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) sind insgesamt über 2,5 Millionen Beschäftigte direkt oder indirekt betroffen: Fast 1,6 Millionen Arbeitnehmende des Bundes und der Kommunen und weiterer Bereiche, für die der TVöD direkte Auswirkungen hat, sowie Auszubildende (6.350 beim Bund, 56.300 bei den Kommunen), Praktikantinnen und Praktikanten sowie Studierende in ausbildungsintegrierten dualen Studiengängen und auch knapp 190.000 Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte, Anwärterinnen und Anwärter (16.885 beim Bund) sowie über 500.000 Versorgungsempfängerinnen und -empfänger beim Bund, auf die der Tarifabschluss übertragen werden soll. Die dritte und vorerst letzte terminierte Verhandlungsrunde ist für den 27./28. März 2023 in Potsdam geplant.
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