Faeser will „Grundpfeiler sichern, nicht schleifen“
Bundesinnenministerin: Modernisierung des Staates gelingt nur mit starkem öffentlichen Dienst
Bundesinnenministerin Nancy Faeser will den öffentlichen Dienst stärken und seine Beschäftigten besser vor gewalttätigen Angriffen schützen, sagte sie bei der dbb Jahrestagung.
Nancy Faeser, seit Dezember Bundesministerin des Innern und für Heimat, betonte bei ihrem Besuch der dbb Jahrestagung am 10. Januar 2022 in Berlin die zahlreichen Gemeinsamkeiten, die sie bei der künftigen Ausgestaltung des öffentlichen Dienstes mit den Positionen des dbb sieht. „Die Zusammenarbeit mit Ihnen liegt mir sehr am Herzen. Wir wollen unser Land moderner und digitaler machen. Das geht nur mit einem starken öffentlichen Dienst. Wir wollen Vorbild und Antreiber sein: für Vielfalt, Gleichstellung und gute Arbeitsbedingungen“, sagte Faeser in ihrem Statement. Die neue Ressortchefin würdigte zudem den Einsatz der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im bisherigen Verlauf der Corona-Krise: „In dieser Pandemie leistet der öffentliche Dienst herausragende Arbeit. Er hält unser Land am Laufen, jeden Tag. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wachsen tagtäglich über sich hinaus. Viele halten tagtäglich den Kopf hin – trotz Anfeindungen, trotz eigener Infektionsgefahren, trotz Sorgen um Kinder oder Ältere in der eigenen Familie, trotz des Frusts und der Erschöpfung, die wir alle erleben. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken!“
Die Bundesinnenministerin kündigte an, dass die neue Regierung ein verlässlicher Partner für Tarifbeschäftigte, Beamtinnen und Beamte, Soldatinnen und Soldaten, Richterinnen und Richter sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger sein werde. Grundsätzlich gehe es nicht immer darum, bei der monatlichen Gehaltshöhe jedes Rennen mit der Wirtschaft zu gewinnen. „Viel wichtiger ist, das Gesamtpaket aus Einkommen, sozialer Absicherung und attraktiven Arbeitsbedingungen zu sichern und herauszustellen. Der Schleifstein wäre dafür das völlig falsche Instrument“, betonte Faeser. Mit Blick auf die Zukunft des öffentlichen Dienstes gehe es ihr darum, konkret zu analysieren, was verbessert werden könne. „Wir wollen den Wettbewerb um die besten Köpfe gewinnen. Da gibt es viel zu tun: von den Arbeitsbedingungen über die Ausstattung bis hin zum Respekt. Wir sind uns einig, dass wir es nicht beim Applaus belassen dürfen“, stellte Faeser klar. Zwar sei die Bezahlung im öffentlichen Dienst längst nicht alles, „aber eine gute Bezahlung ist Ausdruck von Wertschätzung“. Mit Blick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem letzten Jahr zur amtsangemessenen Alimentation versicherte die Bundesinnenministerin: „Wir werden für Besoldungs- und Versorgungsempfängerinnen und -empfänger eine zielorientierte und sachgerechte Lösung finden und sicherstellen, dass der Bund auch künftig verfassungsgemäß alimentiert. Wenn das zusätzliches Geld kostet, dann muss es uns dies wert sein.“
Eine klare Ansage gab es von Nancy Faeser in Sachen Gewalt gegen Beschäftigte: „Die Täter müssen konsequent zur Verantwortung gezogen werden. Wir brauchen einen besseren Schutz für Betroffene und wollen für eine wirkungsvolle Prävention sorgen.“ Die Bundesinnenministerin erneuerte auch ihre Warnung vor dem Rechtsextremismus, der „die größte Bedrohung für unsere Demokratie und für unsere offene und vielfältige Gesellschaft“ sei. „Diese Gefahr darf niemand mehr unterschätzen. Auch und erst recht nicht im öffentlichen Dienst.“ Wer nicht fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehe, habe in Behörden nichts zu suchen. Gemessen an der Gesamtzahl der öffentlich Beschäftigten rede man über sehr wenige Fälle, betonte Faeser, aber „jeder Extremismus-Fall ist einer zu viel. Verfassungsfeinde werden wir schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernen als bisher“.
Für das Gelingen der Digitalisierung in Staat und Verwaltung will die Bundesinnenministerin, deren Haus weiterhin für die digitale Transformation zuständig ist, neue Kräfte freisetzen. Ein Digital-Check soll Gesetze darauf abklopfen, ob sie das Leben einfacher und digitaler machen. Die Digitalisierung müsse noch stärker in der Kultur der Verwaltung, in Aus- und Fortbildung verankert werden. Faeser betonte, dass ihr Ministerium mit der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), dem Registermodernisierungsgesetz, der Digitalisierung des Personalausweises und der IT-Konsolidierung des Bundes große Reformvorhaben stemme, wobei die Föderale IT-Kooperation (FITKO) eine wichtige Rolle spiele und personell sowie finanziell gestärkt werde. „Aber bitte kein aufwändiger Umbau oder eine neue Behörde“, sagte Faeser mit Blick auf die Forderung des dbb, die FITKO zu einer vollwertigen Digitalisierungsagentur mit entsprechenden Umsetzungs- und Durchgriffsrechten auszubauen.
Video der Rede
In der anschließenden Diskussion mit dbb Chef Ulrich Silberbach betonte die Bundesinnenministerin, dass mit Blick auf die Gewinnung von Fachkräften für den öffentlichen Dienst deutlich mehr Anstrengungen erforderlich seien. Mit den Gehältern in der Privatwirtschaft beispielsweise im Bereich IT könne der Staat kaum mithalten, aber mit Arbeitsbedingungen und Arbeitsumfeld durchaus punkten. Ohne eine gewisse Flexibilisierung in Fragen des Verdienstes werde es indes nicht gehen, sagte Faeser. Der dbb Bundesvorsitzende verwies darauf, dass Besoldungs- und Tarifrecht in diesen Punkten flexibel genug seien, jedoch keine entsprechenden finanziellen Mittel bereitgestellt würden. Hieran müsse gearbeitet werden. Auch im Gesundheitssektor müssten die Einkommens- und Arbeitsbedingungen dringend verbessert werden, sagte Faeser, „die Pflegekräfte arbeiten weit über ihrem Limit“.
Als „unerträglich“ bezeichnete Faeser die zunehmende Gewalt gegen Beschäftigte und insbesondere gegen Sicherheitskräfte. „Die Polizistinnen und Polizisten verteidigen unsere Demokratie auf der Straße und halten ihren Kopf hin – ihnen müssen wir als Politiker mehr Rückendeckung geben.“ Auch die Arbeitsbedingungen müssten verbessert werden, und hierzu zähle für sie unter anderem auch die Wiederherstellung der Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage als eine Form der Anerkennung, so die Bundesinnenministerin. dbb Chef Silberbach begrüßte dies und forderte, „die Beschäftigten müssen merken, dass Politik nicht nur Gesetze erlässt, sondern auch beim Vollzug hinter ihnen steht“.
Dissens bestand in der Diskussion in punkto allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus. Während sich Bundesinnenministerin Faeser klar dafür aussprach, warnte der dbb Bundesvorsitzende davor, dass der Staat eine Drohkulisse aufbaue, die er am Ende nicht mit Umsetzung hinterlegen könne. „Der Staat ist derzeit nicht in der Lage, das umzusetzen, und dann verlieren wir weiter an Vertrauen in der Bevölkerung.“ Besser sei es, noch stärkere Impfanreize zu setzen und weiter für die Impfung zu werben.
Video des Gesprächs mit Ulrich Silberbach