Diskussionsrunde zur Digitalisierung
Deutschland nach der Wahl: Kommt jetzt die Verwaltungsdigitalisierung?
Die neue Bundesregierung will die Verwaltungsdigitalisierung voranbringen. Ob und wie das funktionieren kann, diskutierte ein Expertenpanel bei der dbb Jahrestagung.
Das Ziel der Koalitionäre ist ein grundlegender Wandel hin zu einem ermöglichenden, lernenden und digitalen Staat, der vorausschauend für die Bürgerinnen und Bürger arbeitet. Wie das genau erreicht werden soll, bleibt allerdings an vielen Stellen unklar. Für den dbb sind Forderungen nach mehr Agilität und Digitalisierung nicht neu, er fordert seit Jahren ein bestimmteres Zupacken der Politik bei der Verwaltungsmodernisierung. Über den Status quo und die notwendigen nächsten Schritte sprach der Zweite Vorsitzende des dbb Friedhelm Schäfer bei der dbb Jahrestagung mit Anna Christmann (Mitglied des Deutschen Bundestages und Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt), Thomas Langkabel (Vizepräsident Initiative D21), Kristina Sinemus (Hessische Staatsministerin für Digitale Strategie und Entwicklung) sowie Lilith Wittmann (Softwareentwicklerin, IT-Sicherheitsexpertin und Aktivistin).
Christmann verteidigte dabei die Entscheidung der neuen Ampel-Koalition gegen ein eigenes Digitalministerium. Dies müsse nämlich sonst eine „eierlegende Wollmilchsau“ sein, stattdessen „geht es darum, dass sich alle Bereiche der Verwaltung mit Digitalisierung beschäftigten müssen. Das lässt sich nicht alles in einem Haus bündeln“, so die Abgeordnete. Das Problem habe in der Vergangenheit eher darin bestanden, dass viele Sachen nicht mutig genug angegangen worden seien. Nun hätten die Koalitionäre aber „gute Leitlinien verankert. Jetzt ist es wichtig, diese Ideen umzusetzen“, sagte Christmann.
Der Einschätzung bezüglich der Notwendigkeit eines Digitalministeriums wollte sich Kristina Sinemus als entsprechende Landesministerin in Hessen naturgemäß nicht anschließen. „Wir wollen die hessische Verwaltung agiler machen und ihre Dienstleistungen immer besser in den Alltag der Menschen integrieren. Dieses Nutzenversprechen steht im Mittelpunkt der Strategie, die Teil des Gesamtkonzeptes der Digitalisierung in unserem Bundesland ist“, betonte sie. Besonders hob Sinemus die positive Rolle ihres Hauses als Beratungseinrichtung für Kommunen hervor, um etwa über den Austausch von Best-Practice-Beispiele die Digitalisierung auch in der Fläche voranzubringen.
Den Ansatz, intern Beratungskompetenz aufzubauen, sieht Lilith Wittman, die selbst schon beispielsweise mit der Föderalen IT-Kooperation (Fitko) zusammengearbeitet hat, zwar als Fortschritt gegenüber dem Einkauf von externen Beratern, aber längst nicht als Ideallösung. „Wir brauchen überall Digitalkompetenz, in jeder Abteilung, in jedem Referat. Deshalb braucht es einen Mentalitätswandel und einen dauerhaften – nicht nur projektbezogenen – Wissensaufbau in der Verwaltung“, so die IT-Sicherheitsexpertin. Dabei sei es auch wichtig, die entsprechenden Projektteams multiprofessionell aufzustellen: „Diese Trennung zwischen IT-lern und Verwaltung ist doch Quatsch.“ Nicht zuletzt könnte die Arbeit im öffentlichen Dienst, von den Routineaufgaben befreit, auch für die Beschäftigten wieder interessanter werden. „Wenn wir uns anschauen, was wir heute alle nicht tun, obwohl wir es müssten, muss dabei auch niemand Angst um seinen Job haben.“
Dem Wunsch nach Wissensaufbau in der Verwaltung schloss sich auch Thomas Langkabel an. Investitionen in das Personal seien mit das Sinnvollste, was der Staat tun könne. „Viele Digitalisierungsprojekte sind aus meiner Sicht daran gescheitert, dass die Menschen aus der Verwaltung, die die Prozesse verstehen, nicht mitgenommen worden sind. Das Wissen über Daten, Prozesse und Informationszusammenhänge kann nicht von denen kommen, die programmieren können“, erklärte der National Technology Officer von Microsoft Deutschland. Mit Blick auf die Pläne der neuen Bundesregierung zeigte er sich erfreut über die Bereitschaft, die Digitalisierung grundsätzlicher anzugehen, statt bereits bestehende Strukturen nur „mit einer Lackschicht ‚Digitalisierung‘ zu überziehen“.
Einen breiteren Ansatz bei der Digitalisierung forderte auch dbb Vize Friedheln Schäfer: „Das Wort ‚Onlinezugangsgesetz‘ sagt schon alles. Online-„Zugang“. Und danach ist Schluss?“ Grundsätzlich sei es zwar richtig, die Verwaltungsdigitalisierung von den Bürgerinnen und Bürgern her zu denken, aber das dürfe eben nur der Anfang sein. Vielmehr müssten die Verwaltungsprozesse insgesamt in den Blick genommen und zur Not auch angepasst werden. „Es kann doch nicht sein, das ein Antrag von den Bürgerinnen und Bürgern digital eingereicht und dann in der Behörde trotzdem erstmal ausgedruckt wird. Wir müssen diese Prozesse vom Anfang bis zum Ende digitalisieren und dazu gehört auch eine bessere Rechtsetzung.“
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