dbb Jahrestagung 2023
„Fachkräftegewinnung ist ein absolutes Topthema“
„Personalmangel im öffentlichen Dienst – Wie schließen wir die Fachkräftelücke?“ war das Thema der ersten Podiumsdiskussion am 10. Januar 2023 bei der dbb Jahrestagung.
Der Impulsvortrag kam von Matthias Heidmeier, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Er verwies auf die Folgen des demografischen Wandels für den gesamten Arbeitsmarkt. So folgen derzeit auf 100 Personen, die altersbedingt aus dem aktiven Berufsleben ausscheiden, nur etwa 66 neue Beschäftigte nach. Heidmeier gestand ein, dass Politik auf das Thema „in einigen Bereichen vielleicht zu spät reagiert“ habe, stellte aber klar: „Heute ist Fachkräftegewinnung ein absolutes Topthema.“ Nordrhein-Westfalen plane gerade eine Fachkräfteoffensive, nicht nur für den öffentlichen Dienst. Denn es gebe beispielsweise auch im Handwerk im Land derzeit und 80.000 Menschen in Ausbildung, 1980 seien es noch 180.000 gewesen. Eine Schlüsselmaßnahme gegen den Fachkräftemangel sieht Heidmeier in der Stärkung der Beruflichen Bildung. Es gebe immer noch viel zu viele junge Menschen ohne Berufsabschlüsse, die über die Aufstiegschancen nach einer Ausbildung informiert werden müssten. Aber es gehe um mehr, so Heidmeier: „Letztlich muss die Bezahlung beim Handwerksmeister und beim Bachelor-Absolventen gleichwertig sein.“
Daniela Kuzu, Beigeordnete und Ständige allgemeine Vertretung des Bürgermeisters der Fontanestadt Neuruppin in Brandenburg, verantwortet den Change-Management-Prozess der Stadt und berichtete aus der kommunalen Praxis. „Wir haben keinen Mangel“, freute sie sich. Derzeit seien 515 Mitarbeiter für Neuruppin tätig, sieben Stellen seien unbesetzt und davon lediglich eine seit mehr als sechs Monaten. Probleme bei der Personalgewinnung gebe es vor allem bei IT-Kräften und im Tiefbau. Neuruppins Strategie sei es, nun selber Ausbildungen und duale Studiengänge in diesen Bereichen anzubieten. „Wir müssen aber nicht nur Kräfte gewinnen, sondern auch halten“, so Kuzu und betonte die Bedeutung von Arbeitskultur und Führungskräften dabei: „Wer unfähige Führungskräfte hält, verliert fähige Beschäftigte!“ Um die Bedürfnisse der Beschäftigten besser zu verstehen und zu erfüllen, habe man gemeinsam mit diesen in einem anderthalbjährigen Prozesse ein Konzept für die Personalentwicklung erarbeitet. Ihr Wunsch: „Reden Sie nicht über die Mitarbeiter, sondern mit ihnen!“
Dr. Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, mahnte einen realistischen Blick auf die Lage an: „Unterm Strich müssen wir mit dem Fachkräftemangel umgehen und leben.“ Dabei säßen alle Branchen – ob öffentlicher Dienst, Handwerk, Industrie, Handel oder Dienstleistungen – in einem Boot. Für entscheidender als attraktivere Beschäftigungsbedingungen hält Dercks neue Lösungen, die er sich insbesondere aus dem Bereich der Digitalisierung erhofft. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass man das dauerhafte Fehlen von mehr als zwei Millionen Fachkräften durch attraktivere Beschäftigungsbedingungen kompensieren kann. Wir müssen uns damit abfinden, dass wir weniger werden. Und das bedeutet, dass man zum Teil Aufgaben einfach wegfallen lassen muss – beispielsweise den Sachverständiger für Solaranlagen – oder eben bei bestimmten Verfahren KI einbinden und auch entscheiden lassen muss. Denn nur so können wir auch künftig sicherstellen, dass wir in den Bereichen, in denen wir Menschen brauchen, etwa in Bildung und Pflege, diese dann auch tatsächlich noch haben.“ Auch föderale Strukturen und Datenschutzvorschriften seien in vielen Bereichen sowohl für Staatsbedienstete als auch für Bürgerinnen und Bürger sowie Wirtschaft zu häufig Ärger- und Hemmnisse und gehörten auf den Prüfstand, kritisierte Dercks und sprach sich auch für einen verstärken Austausch zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft aus.
Dr. Uda Bastians, Beigeordnete und Leiterin des Dezernats Recht und Verwaltung beim Deutschen Städtetag, will dem Fachkräftemangel, der insbesondere im Ingenieurswesen und der IT sowie Pflege und Betreuung eklatant sei, unter anderem durch mehr Ausbildungskapazitäten im öffentlichen Dienst begegnen. „Wir wollen zum Beispiel den Studiengang Verwaltungsinformatik aufstocken, denn an der Ausbildung darf es nicht scheitern; damit wir die Leute, die das machen wollen, auch in die Berufe bekommen.“ In diesem Zusammenhang sei auch Fachkräftezuwanderung unabdingbar. Junge Menschen für den öffentlichen Dienst zu begeistern, indem man Sinnhaftigkeit, Vielfalt und Perspektiven der Berufe herausstelle und dafür werbe, sei ebenfalls ein gangbarer Weg zu mehr Bewerberinnen und Bewerbern: „Wir müssen das viel mehr in die Gesellschaft tragen und dem Beamtenbashing entschieden begegnen.“