Paneldiskussion zur Bundestagswahl
Geyer fordert „ganz, ganz große Koalition“ für Digitalisierung
Vertrauen in den Staat zurückgewinnen – wie das gelingen kann, diese Frage bildete den Schwerpunkt der ersten Paneldiskussion des Tages.
Die Frage nach dem Vertrauen in den Staat ist eng damit verknüpft, wie der öffentliche Dienst aufgestellt ist, unterstrich dbb Vize Volker Geyer. Einem pauschalen Stellenabbau erteilte er eine klare Absage. Dies gelte auch für die oft geschmähten Bundesministerien. „Nur weil sie oben Leute wegnehmen, werden es unten ja nicht automatisch mehr“, sagte Geyer. „Bevor wir über Stellenabbau reden, müssen wir über Aufgabenkritik reden. Ein pauschaler Abbau macht keinen Sinn.“
Ein Dorn im Auge ist dem dbb Vize die schleppende Verwaltungsdigitalisierung, die das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates schmälert: „Es kann doch nicht sein, dass wir es nicht schaffen, dieses Land zu digitalisieren. Da brauchen wir mal eine ganz, ganze große Koalition.“
Haase: „Keine Eins-zu-eins-Nachbesetzung“
Christian Haase, MdB, CDU/CSU-Fraktion, sagte, dass der öffentliche Dienst zukünftig mit weniger Personal auskommen muss: „Wir werden keine Eins-zu-eins-Nachbesetzung offener Stellen hinbekommen.“ Deshalb seien Digitalisierung und die Einführung von KI so bedeutsam. Auch parallel ausgegebene Leistungen müssten konsequenter vermieden werden, sagte der ehemalige Bürgermeister von Beverungen.
Zur Frage der Finanzierbarkeit von Reformen verwies der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag auf die Probleme der Kommunen: „Auf Kommunalebene haben wir ein Ausgabenproblem, aber es ist kein selbstverursachtes.“ Die kommunale Ebene müsse im Gesetzgebungsprozess weit stärker berücksichtigt werden.
Kuhle: „Umsetzung mitdenken“
Mehr Milei und Musk wagen – mit dieser Forderung hatte FDP-Chef Christian Lindner für Aufsehen gesorgt. „Kettensägen gehören nicht zu meinen Sprachbildern“, sagte Konstantin Kuhle, FDP-Berichterstatter für den öffentlichen Dienst. „Ich bin froh, dass wir nicht die politische Kultur der USA und nicht die dysfunktionale Struktur des öffentlichen Dienstes in Argentinien haben.“
Kuhle betonte, dass – trotz bestehender Probleme – in Deutschland vieles im internationalen Vergleich gut funktioniere, beispielsweise mit Blick auf die kaum ausgeprägte Korruption. Aber: „Wenn der Staat sich etwas Neues ausdenkt, dann darf das nicht geschehen, ohne an die Umsetzung zu denken.“ Es könne nicht sein, dass die Politik Gesetze oder Leistungen beschließt, aber nicht geklärt sei, wer sie umsetzt.
Mihalic: „Effizienzgewinne heben“
Irene Mihalic (Bündnis90/Die Grünen) sah die meisten Menschen darin einig, einen funktionierenden Staat zu präferieren. Wenn zum Beispiel Digitalisierung nicht funktioniere, liege das Problem nicht an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern an den Rahmenbedingungen, die verbessert werden müssten. Dabei gab Mihalic zu bedenken, dass sich alle EU-Staaten an dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen halten müssen.
Dennoch gelängen Digitalisierungsprojekte in vielen anderen Ländern schneller und umfassender als in Deutschland: „Auch wir als föderaler Staat hätten bis heute viel besser sein müssen.“ Aufgrund demografischer Faktoren müsse zudem die Frage beantwortet werden, wie Deutschland seine Aufgaben auch mit weniger Personal bewältigen kann. „Es wird darum gehen, Effizienzgewinne zu heben. Das muss als Bund-Länder übergreifende Aufgabe betrachtet und diskutiert werden. Es ist frustrierend, dass die Lösungen bereits lange bekannt sind. Statt sie umzusetzen, werden sie zwischen den Zuständigkeiten zerrieben.“
Schäfer: „Gefühl für Sicherheit kommt abhanden“
Als ehemaliger Feuerwehrmann beklagte Ingo Schäfer (SPD), dass viele Kolleginnen und Kollegen am Limit arbeiten. „Wenn sie zum Beispiel über Jahrzehnte mehr als 100 Prozent Leistung bringen, dann krank werden und sich am Ende noch anhören müssen, sie wollten sich der Arbeit entziehen – dann macht das den öffentlichen Dienst nicht gerade attraktiver.“
Ferner könnten Millionen Überstunden nicht abgegolten werden, was zeige, dass nicht nur Besoldung und Tarif entscheidende Faktoren für die Attraktivität eines Arbeitsplatzes seien. „Die Rahmenbedingungen der Beschäftigung im öffentlichen Dienst müssen stimmen, damit er zukunftsfähig wird.“