dbb Jahrestagung 2024

Kommunen fordern mehr Geld und Personal

Braucht Deutschland eine Staatsreform zur Stärkung der Kommunen? Diese Frage stand auf der letzten Podiumsdiskussion der Jahrestagung im Mittelpunkt.

dbb Jahrestagung 2024

Nach Auffassung von Dr. André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), ist permanente Aufgabenkritik ein Bestandteil gelingender kommunaler Planung. „Dezentralisierung und Föderalismus müssen mit Leben gefüllt werden“, sagte er. „Dazu bedarf es keiner perfektionistischen Überregulierung, sondern praktischer Lösungen vor Ort sowie einer leistungsfähigen Verwaltung mit ausreichender Personal- und Finanzausstattung.“ Hinterfragt werden müsse in diesem Zusammenhang auch das Verhältnis von Staat und Gesellschaft. Beispiel Kinderbetreuung: Trotz Mehreinstellungen fehle es vielen Kommunen an allen Ecken und Enden an Personal für diesen Bereich, weil auch dort immer neue Aufgaben geschultert werden müssten. „Für eine faire Verteilung im Finanzausgleich müssen die Kommunen wieder stärker einbezogen werden, denn ein Großteil politischer Entscheidungen wird dort umgesetzt.“

Das unterstrich auch Lena Burth, Bürgermeisterin der Stadt Ostrach im baden-württembergischen Landkreis Sigmaringen. „Die Kommunen sind die erste Anlaufstelle der Menschen und Träger der Demokratie“, sagte sie. Burth ist mit 26 Jahren die jüngste Bürgermeisterin Deutschlands. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Digitalisierung der Verwaltung. „Ich finde es schockierend, wie weit wir zurückliegen“. Aktuell arbeite sie an daran, ein digitales Managementsystem für Dokumente zu etablieren. Das sei alles machbar und lösbar, aber brauche noch Zeit. Ganz grundsätzlich appellierte Burth an den Gesetzgeber: Wenn ein Gesetz beschlossen werde, müsse man sich auch über die damit einhergehenden langfristigen Kosten sowie den Personalbedarf Gedanken machen. Wenn das Geld nicht ausreiche, habe eine Kommune zwei Möglichkeiten: die Steuern und Gebühren erhöhen oder zulasten der Lebensqualität der Menschen sparen. Beides sei nicht erstrebenswert.

Staat muss Staat mehr vertrauen

Ramona Schumann, Bürgermeisterin der Stadt Pattensen in Niedersachsen, erlebt ihre Kommune nicht als überfordert: „Egal, wie groß die Herausforderungen sind, die Kommunen haben immer wieder gezeigt, wie leistungsfähig sie sind. Krise ist auf kommunaler Ebene längst der Normal-Modus. Aber auch uns trifft natürlich der Fachkräfte- und noch mehr der Führungskräftemangel. Mehr Geld hilft, löst allein aber unsere Probleme nicht. Wir brauchen andere Strukturen. Wir sind nicht schnell und agil genug.“ Darüber hinaus müssten die staatlichen Ebenen sich gegenseitig mehr vertrauen: „Ich brauche keine übergeordnete Behörde, die auf mich aufpasst und mir ‚goldene Zügel‘ anlegt, im dem mir immer detailliertere Vorgaben zur Mittelverwendung gemacht werden. Kommunen sind selbstverwaltete Gebietskörperschaften und meine Bürgerinnen und Bürger signalisieren mir schon ganz deutlich, wo ich Prioritäten setzen muss.“ Außerdem sollten die Aufgaben da erledigt werden, wo sie politisch beschlossen werden. „Es ist doch Irrsinn, dass in Deutschland ganz oben neue Leistungen geschaffen werden, die dann ganz unten, auf kommunaler Ebene, erbracht werden müssen.“ Ein weiteres großes Problem der kommunalen Arbeit ist aus Sicht von Ramona Schumann der zunehmende Populismus in den Stadt- und Gemeinderäten. „Das führt zur Zersplitterung der politischen Landschaft und zur gegenseitigen Blockade in den Räten.“

Andreas Hemsing, stellvertretender dbb Bundesvorsitzender und Vorsitzender der komba gewerkschaft, verwies darauf, dass kommunale Aufgaben angesichts des Personalmangels nicht gestemmt werden könnten. Beispiel Gelsenkirchen: „Da gab es in den letzten Jahren aufgrund von Flucht und Migration 3.000 zusätzliche Kinder in der frühkindlichen Bildung, dabei war das Personal eh schon knapp. Das führt bei Bürgerinnen und Bürgern zu Frust.“ Abschließend stellte er die Frage der Verhältnismäßigkeit: „Die Kommunen tätigen 25 Prozent der staatlichen Ausgaben, bekommen aber nur 14 Prozent der Steuereinnahmen.“ Dies sei nicht hinnehmbar.

 

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