dbb Jahrestagung 2023
Plädoyers für Investitionen in den öffentlichen Dienst
Insbesondere in Krisenzeiten muss Geld da sein für einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst - darin sind sich Politik und Wissenschaft bei der dbb Jahrestagung einig.
Katja Dörner, Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn, verwies auf den enormen Investitionsstau in den Kommunen, der laut Deutschem Städtetag bei über 150 Milliarden Euro liege. „Auf Dauer führt das dazu, dass etwa in manchen Turnhallen keine Reparaturen mehr möglich sind. Da sind die Kommunen mittlerweile an einem Kipppunkt.“ Diesen Investitionsstau aufzulösen sei aber nicht nur eine Frage der Finanzen, sondern auch der verfügbaren Fachkräfte, um die durchaus vorhandenen Mittel auch auszugeben. Hier mache sich auch der demografische Wandel bemerkbar: „30 Prozent unserer Fachkräfte in Bonn verlassen uns in den nächsten Jahren altersbedingt.“ Gerade die letzten Jahre hätten aber gezeigt, wie wichtig eine starke Kommunalverwaltung sei. Dörner plädierte daher auch für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen durch Bund und Länder. „Wir brauchen grundsätzlich mehr Geld, nicht immer neue Förderprogramme.“ Sonst würden in den Haushalten der Städte und Gemeinden immer wieder alles „hinten runter fallen, was keine kommunale Pflichtaufgabe ist“. Das gelte aktuell beispielsweise für den Klimaschutz. Hinsichtlich der Finanzen appellierte die Bonner Oberbürgermeisterin insbesondere an den Bund, keine Gesetze zu Lasten der Kommunen zu erlassen und nannte die Wohngeld-Reform als aktuelles Beispiel: „Inhaltlich finde ich das gut, hier erhalten Menschen gezielt Unterstützung. Aber alleine in Bonn müssen wir für die Umsetzung dieser Neuerungen 32 zusätzliche Stellen schaffen.“
Philipp Amthor, Mitglied des Deutschen Bundestages und des dortigen Innenausschusses, forderte bei den Ausgaben des Staates von der Bundesregierung eine stärkere Priorisierung. Der öffentliche Dienst dürfe aber nicht Opfer weiterer Sparmaßnahmen werden. „Ein guter öffentlicher Dienst kostet Geld“, so der Abgeordnete. Um mehr Mittel für notwendige Investitionen zur Verfügung zu haben, müsste gerade der Bund nicht nur immer neue Projekte entwickeln, sondern alte Programme auch permanent evaluieren. Insgesamt gebe es aber eine gesamtstaatliche Verantwortung für Investitionen. „Hier sind auch die Länder gefordert“, so Amthor.
Nach Auffassung von Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, ist Haushaltspolitik immer Priorisierung, denn „genug Geld wird nie da sein“. Die Einhaltung der Schuldenbremse angesichts von Finanzpolitik im Krisenmodus sei eine Maxime, die kluge Priorisierungen erfordere. Nach der kostenintensiven Bewältigung der Corona-Krise bedeute das für den Bundeshaushalt in der Energiekrise einerseits, die Schuldenbremse einzuhalten und andererseits trotzdem Preisbremsen zu finanzieren. Das sei über das Instrument eines Abwehrschirms geschehen. Das Ziel sei dennoch, „den Bundeshaushalt auf Normal zu fahren“. Die Einkommensforderung des dbb von 10,5 Prozent hält Dürr für „angemessen, zumindest als Bürger, nicht als Finanzpolitiker.“ Dem öffentlichen Dienst prophezeite Dürr weitere Personalengpässe aufgrund ungünstiger demografischer Faktoren: „Dass wir hier nicht zu mehr Personal kommen, wird am Ende nicht am Geld liegen. Daher müssen Strukturen und Abläufe an allen Stellen, wo Personal auch künftig fehlen wird, intelligenter machen.“ Darüber hinaus müsse Infrastruktur als Kernaufgabe der Länder betrachtet werden. Das bringe die Notwendigkeit mit sich, insbesondere die Kommunen auskömmlich auszustatten, „damit sie ihre Aufgaben dauerhaft, und nicht nur über Investitionsprogramme wahrnehmen können“. Dabei hätten sich die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern „im Großen und Ganzen zu Gunsten der Länder entwickelt. Daher mein Appell, besser mit den Kommunen umzugehen, denn sie leisten ganz viel gute Basisarbeit, die man dann später nicht durch Finanzspritzen reparieren muss, weil sie bereits im Vorfeld gut geleistet wurde. Wir sollten als Bund darüber hinaus auch sehr genau darauf schauen, ob alle laufenden Förderprogramme noch zeitgemäß sind.“ Bezüglich der „Unternehmenskultur“ im öffentlichen Dienst wünschte sich Dürr, dass Beschäftigte jederzeit das Gefühl haben müssten, ihre Vorgesetzten hinter sich und ihren Entscheidungen zu wissen. „Öffentlicher Dienst funktioniert besser und effektiver, wenn die Fehlerkultur stimmt.“
Dr. Markus Optendrenk, Minister der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen betonte mit Blick auf den Investitionsstau des Staates, dass die Frage nach dem „starken Staat“ stets die Frage beinhalte, was eine Gesellschaft für wichtig halte. In der Debatte darum, in welchen Bereichen die Investitionen am dringendsten gebraucht würden, betonte Optendrenk, dass die Entscheidungen oft nicht in einem Entweder-Oder aufgingen. So fehle es vielfach nicht unbedingt am Geld, sondern an Personal, oder die Struktur funktioniere nicht. Man müsse sich stets fragen, wie die Anreize richtig gesetzt werden können. „Die Zustimmung zur Demokratie beginnt vor Ort“, betonte der langjährige Kommunalpolitiker. Die Kommunen hätten in den letzten Jahren riesige zusätzliche Aufgaben übernommen und sprach sich für eine klare Beantwortung der Frage aus, wer was tun solle und welche Mittel und Personal er dafür brauche und woher diese Ressourcen kommen sollten. In puncto „Sondervermögen öffentlicher Dienst“ fragte der Minister, wofür es dann noch einen „normalen Haushalt“ geben solle. Die Gesellschaft brauche für die Bewältigung der anstehenden Aufgaben einen demografiefesten öffentlichen Dienst, in dem die Beschäftigten angemessen bezahlt werden. Dies würde in jedem öffentlichen Haushalt abgebildet. Ein Sondervermögen einzuführen bedeutete, dass dieses auch wieder zurückgefahren werden könne, was kontraproduktiv sei angesichts der aktuellen Krisen, die dauerhaft nach einem handlungsfähigen, starken öffentlichen Dienst verlangten.
Philippa Sigl-Glöckner, Direktorin und Geschäftsführerin vom finanz- und wirtschaftspolitischen Thinktank „Dezernat Zukunft“, thematisierte den Widerspruch „zwischen dem, was man denkt, und dem, was passiert“ in Sachen Investitionen. So herrsche grundsätzlich immer Konsens darüber, dass mehr in Bildung investiert werden müsse – nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch seitens der Wissenschaft: „Frühkindliche Bildung hat den größten wirtschaftlichen Return, da brauchen Sie keinen Hedgefonds gründen“, so Sigl-Glöckner. Trotzdem werde viel mehr in Gebäude, Straßenbau und auch Entwicklungshilfe investiert, aktuell habe man die monumentale Summe von 200 Milliarden Euro für Energie mobilisiert – „bei der Bildung, wo es um deutlich kleinere Beträge geht, finden wir bislang keinen Weg vom abstrakten Unterstützen zur konkreten Umsetzung“, kritisierte die Volkswirtschaftlerin. Denn bei allen anstehenden Herausforderungen, insbesondere beim Klimaschutz, seien gut ausgebildete Fachkräfte der entscheidende Gelingensfaktor. Vor allem der öffentliche Dienst brauche für die Gestaltung der Energiewende und des Klimaschutzes entsprechendes Personal. Bei der Organisation der Investitionsmittel sieht Sigl-Glöckner in den föderalen Strukturen durchaus Hemmnisse und plädiert dafür, die Gelder etwa beim Klimaschutz nicht in Gestalt von zu beantragenden Mitteln in Bundesfonds, sondern „mehr ‚performancebased‘“ bereitzustellen. Die Kommunen, die den Klimaschutz im Wesentlichen zu gestalten hätten, sollten frei verfügen können, wofür und wie sie investieren – „sie sollen die jeweils vor Ort notwendigen Strukturen schaffen, bauen, kaufen und nicht Anträge für den Bund schreiben“, so Sigl-Glöckner.