Bund und Kommunen
Schwierige Tarifverhandlungen – Beschäftigte starten Proteste
Die Einkommensrunde für die Beschäftigten von Bund und Kommunen ist mit dem Beginn der Tarifverhandlungen am 24. Januar 2023 in Potsdam in die heiße Phase gestartet. Weil die Arbeitgebenden kein Angebot vorlegten, gibt es erste Proteste.
Direkt vor dem Beginn der Verhandlungen in Potsdam hatte der dbb seine Forderung bekräftigt und Führung angemahnt. „Der Bundeskanzler hat es doch perfekt formuliert: Die Kolleginnen und Kollegen des öffentlichen Dienstes sind die Gestalter der Zeitenwende und gerade weil sie ihre Kraft in den Dienst der Allgemeinheit stellen, haben sie Anspruch auf eine faire und wettbewerbsfähige Bezahlung, vor allem in den unteren Tarif- und Besoldungsgruppen“, zitierte der dbb Chef aus Olaf Scholz‘ Rede beim dbb Gewerkschaftstag im November 2022.
Bereits am Tag zuvor hatte Silberbach im Interview mit der WirtschaftsWoche klargestellt: „Ohne eine massive Lohnsteigerung wird der Personalmangel im öffentlichen Dienst eskalieren. Es fehlen uns bereits heute rund 360.000 Fachkräfte. Und in den kommenden zehn Jahren gehen 1,3 Millionen Beschäftigte in den Ruhestand. Da müssen wir gegensteuern.“ Der dbb fordert deshalb eine Erhöhung der Entgelte um 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro. Der Bund soll außerdem die Besoldung und Versorgung der Beamtinnen und Beamten entsprechend erhöhen. Silberbach: „Die vollständige Übertragung ist nicht verhandelbar, der Tarifabschluss muss zeit- und inhaltsgleich übernommen werden. Zumal die Alimentation der Beamtinnen und Beamten ja gerade ohnehin eine Riesenbaustelle ist und vom Bundesverfassungsgericht als nicht verfassungskonform bewertet wird.“ Hinsichtlich möglicher Warnstreiks legte sich der dbb Chef dabei nicht fest: „Es hat in den vergangenen Jahren keine einzige Tarifrunde gegeben, in der wir nicht mit Streikaktionen politischen Druck aufbauen mussten“, erklärte Silberbach. „Ich hoffe darauf, dass der Kanzler ein Machtwort spricht, sollte sich das Finanzministerium querstellen.“
Nach dem ernüchternden Start der Verhandlungen ohne konkretes Angebot der Arbeitgebenden verurteilte der dbb Bundesvorsitzende die Blockade von Bund und Kommunen und kündigt Proteste an. „Bund und Kommunen bringen das Kunststück fertig, gegen Tarifrituale zu wettern, die sie selbst immer wieder erzwingen. Wir brauchen ein verhandlungsfähiges Angebot und nicht diese Rituale der Respektlosigkeit“, sagte Silberbach. „Die Kolleginnen und Kollegen verlangen zu recht, dass ihre Reallohnverluste ausgeglichen werden. Es kann nicht sein, dass die, die uns so sicher durch die Mehrfachkrisen der letzten Jahre geführt haben, jetzt auch noch Zeche dafür zahlen sollen. Das erzeugt Frust und der wird sich auf Straßen und in Betrieben zeigen“, kündigte der dbb Chef an.
Und so demonstrierten Bundespolizisten bereits am 25. Januar 2023 spontan vor dem Bundesinnenministerium und fordern Wertschätzung „in barer Münze“. „Unser Verhandlungsführer Ulrich Silberbach hat gestern in Potsdam diese ‚Rituale der Respektlosigkeit‘ kritisiert“, erklärte dort Heiko Teggatz, Bundesvorsitzender der DPolG Bundespolizeigewerkschaft und dbb Vize. „Recht hat er! Gerade die Kolleginnen und Kollegen der Bundespolizei, die immer wieder, auch in gefährlichen Einsätzen den Kopf für diesen Staat hinhalten, erwarten von Nancy Faeser im Gegenzug Respekt und Anerkennung, nicht nur in Worten, sondern auch in barer Münze.“
In den kommenden Tagen und Wochen wird es überall im Land und über alle betroffenen Berufe im öffentlichen Dienst hinweg Protestaktionen und Warnstreiks geben, um den Druck auf die Arbeitgeber von Bund und Kommunen zu erhöhen. „Das ist der von den Arbeitgebern erzwungene nächste Schritt“, ergänzte Volker Geyer, dbb Fachvorstand Tarifpolitik. „Für die von Warnstreiks betroffenen Bürgerinnen und Bürger tut es uns leid, aber wir müssen den Arbeitgebern jetzt klarmachen, dass warme Worte nicht reichen, dass die Lebenshaltungskosten dramatisch steigen und dass die Einkommensentwicklung damit Schritt halten muss. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit, des Respekts und der Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes.“
Auch die dbb jugend war mit dem Auftakt der Verhandlungen unzufrieden. „Das war ein Satz mit X – Danke für nichts“, zeigte sich dbb jugend Chef Matthäus Fandrejewski nach dem ergebnislosen Ende der ersten Verhandlungsrunde schwer enttäuscht. „Bund und Kommunen sind scheinbar wild entschlossen, die Zukunft zu verschlafen“, machte Fandrejewski seinem Unmut Luft. „Anstatt zügig zu einem annehmbaren Ergebnis zu kommen, das ein klares Attraktivitätssignal an die Beschäftigten und potenzielle Berufsanfangende sendet, stimmt die Arbeitgeberseite wieder das ewige Lamento der Unbezahlbarkeit an, das uns auch in den kommenden Wochen von Verhandlungstermin zu Verhandlungstermin begleiten, aber keinen einzigen produktiven Schritt voranbringen wird. Das ist fahrlässig hoch drei, denn der öffentliche Dienst und die Menschen, die dort arbeiten, fahren schon jetzt auf der letzten Rille. Wir brauchen einen unmittelbaren Motivationsschub und ein klares Bekenntnis zu einem modernen und funktionsfähigen öffentlichen Dienst. Wer dazu nicht bereit ist, muss den Beschäftigten, Wirtschaft und Gesellschaft reinen Wein einschenken und sagen, was genau denn künftig überhaupt noch bezahl- und damit leistbar sein soll. Dass das das Land dann nicht gerade beruhigen und dauerhaft krisenfest machen wird, liegt auf der Hand.“
Alle Informationen zum Thema gibt es unter www.dbb.de/einkommensrunde.