dbb magazin 1-2/2019 - page 33

europa
nisationen brauchen überall
dort Unterstützung, wo Demo­
kratie und Rechtsstaatlichkeit
besonders unter Druck stehen.
Braucht die Europäische Union
mehr Möglichkeiten, wirksa-
mer auf solche Entwicklungen
reagieren zu können?
Ich arbeite dafür, dass unsere
gemeinsamen Werte uns künf­
tig wieder zusammenschwei­
ßen statt uns auseinanderzu­
treiben. Daher werbe ich dafür,
dass sich alle EU-Staaten künf­
tig einer regelmäßigen Über­
prüfung der Lage der Rechts­
staatlichkeit unterziehen – als
Gleiche unter Gleichen. Ich
denke dabei an eine Art Rechts­
staats-TÜV, der dem Universal
Periodic Review des Menschen­
rechtsrates der Vereinten Nati­
onen nachempfunden ist. Das
heißt ganz konkret: Nicht nur
die üblichen Verdächtigen wür­
den überprüft, sondern reihum
müssten sich alle den kriti­
schen Fragen der anderen stel­
len. Somit wird keiner mit
zweierlei Maß gemessen. Soll­
ten rechtsstaatliche Defizite
festgestellt werden, müsste der
betreffende Mitgliedstaat im
Folgejahr berichten, welche
konkreten Gegenmaßnahmen
er ergriffen hat.
Was kann Deutschland zur
Stabilisierung der freiheitlich-
rechtsstaatlichen Grundord-
nung in Europa beitragen?
Unser Land sollte sich dafür ein­
setzen, Brücken zwischen Ost
und West, Nord und Süd zu
bauen und die EU als Ganzes
zusammenzuhalten. Wir dürfen
nicht zulassen, dass Europa in
verschiedene Gruppen zerfällt.
Und es darf niemals wieder ei­
nen Zweifel daran geben, dass
unser ganzer Einsatz dem ver­
einten Europa, der friedlichen
Konfliktlösung und dem inter­
nationalen Teamgeist dient –
trotz der vielen Differenzen, die
wir oft mit den anderen euro­
päischen Staaten haben. Gleich­
zeitig müssen wir auch hier zu
Hause unsere Hausaufgaben
machen: Nationalismus und
Populismus stellen auch unser
Land vor große Bewährungs­
proben. Hier müssen wir end­
lich die richtigen Antworten
finden und unsere Grundwerte
mit Vernunft, Leidenschaft und
Mut verteidigen.
Welche Szenarien sehen Sie
für den Ausgang der Europa-
wahlen? Droht eine populisti-
sche Welle, die europäische
Gesetzgebung lahmzulegen?
Wir werden uns in den kom­
menden Monaten mit allem,
was wir haben, dafür einset­
zen, dass die proeuropäischen
Kräfte im nächsten Europa­
parlament eine klare Mehrheit
haben. Dafür müssen wir der
Lügenkampagne von Nationa­
listen und Populisten gegen
Europa etwas entgegensetzen.
Und wir haben gute Argumen­
te. Wir müssen den Menschen
in Europa die EU vermitteln als
das, was sie ist: die weltweit
modernste und fortschritt­
lichste Art des Zusammenle­
bens zwischen den Völkern,
unser Friedens- und Zukunfts­
projekt. Die Menschen müssen
wieder den Wert Europas erle­
ben und spüren, dass Europa
die Voraussetzung für die Lö­
sung zahlreicher unserer Prob­
leme ist. Das ist eine wesent­
liche Voraussetzung dafür,
gemeinsam die europäische
Idee weiterzuentwickeln und
uns nicht lahmlegen zu lassen.
Welche Bedeutung messen Sie
dem Berufsbeamtentum für die
Stabilität der Demokratie in
Deutschland und Europa bei?
Von Beamtinnen und Beamten
muss man zu Recht erwarten
können, dass sie sich uneinge­
schränkt zu unserer freiheit­
lich-demokratischen Grund­
ordnung und dem vereinten
Europa bekennen und Flagge
zeigen für unsere gemeinsa­
men Werte.
Das Interview ist auch in
den dbb Europathemen
erschienen.
CESI-Bildungskonferenz in Lissabon
Digitalisierung aktiv gestalten
„Die Digitalisierung ist unaufhaltsam und elementarer Be-
standteil der Zukunft. Die Schülerinnen und Schüler müssen
dafür an den Schulen methodisch und pädagogisch vorbereitet
werden. Wir haben hier die Möglichkeit, wirklich etwas zu ge-
stalten“, sagte der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende
Jürgen Böhm bei einer Podiumsdiskussion der CESI in Lissabon
am 23. November 2018.
Böhm warnte aber auch da­
vor, die Digitalisierung nicht
zu überhöhen und andere
Lehrmethoden aus den Au­
gen zu verlieren. „In der digi­
talen Welt ist es unabdingbar,
analog vorbereitet zu sein.
Digitale Tools sind Hilfsmittel
für professionell ausgebildete
Lehrkräfte“, betonte Böhm.
„Trotz des drohenden Lehrer­
mangels darf die Qualität der
Lehrerausbildung auf keinen
Fall leiden. Wir brauchen
europaweit eine qualitative,
universitäre und möglichst
differenzierte Lehrerausbil­
dung, um allen Herausforde­
rungen gerecht zu werden.
Eine europäische Einheits­
schule kann nicht die Lösung
sein.“ In den vergangenen
Jahren habe man auf der eu­
ropäischen Ebene eine Über­
bewertung der Akademisie­
rung beobachten können.
„Darüber haben wir Investiti­
onen in eine leistungsorien­
tierte schulische und berufli­
che Bildung vernachlässigt“,
kritisierte Böhm, „das müs­
sen wir schnell ändern und
die Berufsausbildung in Zu­
sammenarbeit mit der Wirt­
schaft wieder mehr in den
Fokus rücken.“
Die Ergebnisse der Podiums­
diskussion werden in das
Lehrkräfte-Manifest der CESI
einfließen, das auf der CESI-Bildungskonferenz in Lissa­
bon erarbeitet wurde. Ein
großes Anliegen stellt für die
europäischen Lehrkräfte au­
ßerdem die Wertevermitt­
lung dar.
<
Michael Roth ...
... (SPD) ist seit 1998 Mit­
glied des Deutschen Bun­
destages und seit dem
17. Dezember 2013 Staats­
minister für Europa im Aus­
wärtigen Amt. Seit Januar
2014 ist er auch Beauftrag­
ter für die deutsch-französi­
sche Zusammenarbeit.
<
dbb Vize Jürgen Böhm
diskutierte auf dem
CESI-Panel in Lissabon.
© dbb
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dbb
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