beamtenrecht
Tarifabschlüsse. Diese über
Jahre vorgenommene Praxis
war – neben den bereits unter
schiedlichen Regelungen im
Bereich der Sonderzahlung –
der Grundstein für die jetzt
bestehenden Besoldungsdif
ferenzen zwischen Bund, Län
dern und Gemeinden.
Diese unterschiedliche Gewäh
rung von Linearanpassungen
verstärkte sich in den Jahren
2013 und 2014. Nur noch der
Freistaat Bayern und die Freie
und Hansestadt Hamburg
übertrugen den Tarifabschluss
der Länder – Hessen übernahm
den eigenständig abgeschlos
senen Tarifvertrag. Die übrigen
Länder einschließlich Berlin,
das im Jahr 2013 wieder Mit
glied der Tarifgemeinschaft
deutscher Länder wurde, ver
abschiedeten eigenständige
Regelungen, mit sozial gestaf
felten Anpassungen in Bezug
auf die Höhe und den Inkraft
tretenszeitpunkten. Vielfach
wurden die Anpassungen so
gar für die mittleren und höhe
ren Besoldungsgruppen erst
mehrere Monate verspätet
gewährt.
In den Jahren 2015 und 2016
übertrugen immerhin fünf
Länder den Tarifabschluss zeit-
und inhaltsgleich auf den Be
amtenbereich, während acht
Länder eine zeitliche Verschie
bung bei gleich hohen Linear
anpassungen vornahmen. Drei
Länder gingen vollständig eige
ne Wege, indem sie unter an
derem Regelungen bereits für
das Jahr 2017 trafen und damit
den Grundsatz „Besoldung
folgt Tarif“ ins Gegenteil ver
kehrten.
Die Jahre 2017 und 2018 waren
imWesentlichen durch die
Übertragung des Tarifabschlus
ses auf die Beamtinnen und
Beamten der Länder geprägt,
wenngleich es immer noch in
einigen Fällen zu zeitlichen
Verschiebungen kam. Lediglich
die Länder Berlin, Mecklen
burg-Vorpommern, Nieder
sachsen und das Saarland tra
fen eigenständige Regelungen.
Grund für die „Wiederan
gliederung“ der Besoldungs
anpassung im Bereich der
Linearanpassungen an den
Tarifabschluss bei der überwie
genden Anzahl der Länder war
jedoch nicht die Einsicht der
Dienstherrn, dass alle Beschäf
tigten und Beamtinnen und
Beamten aller Gebietskörper
schaften in gleicher Weise an
der finanziellen und wirt
schaftlichen Entwicklung teil
haben sollen. Vielmehr war
dies der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts
Ende 2015 geschuldet, das den
Vergleich der Besoldungs- und
der Tarifentwicklung als eines
der Prüfungskriterien festleg
te, mit dem seitens der Gerich
te überprüft werden kann, ob
die in ihrem Land gewährte
Besoldung und Versorgung an
die Beamtinnen und Beamten
noch amtsangemessen ausge
staltet oder verfassungswidrig
zu niedrig bemessen ist.
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Politik muss
gegensteuern
Nach sechs Einkommensrun
den im Bereich der Länder und
mehr als zwölf Jahre nach der
Reföderalisierung der Gesetz
gebung von Bund und Ländern
ist die Besoldung in Bund, Län
dern und Kommunen sowohl
bei der Struktur als auch bei
der Höhe völlig unterschiedlich
ausgestaltet. Es bestehen Be
soldungsdifferenzen von über
zehn Prozent bei den Beamtin
nen und Beamten der verschie
denen Gebietskörperschaften,
auch wenn sie das gleiche abs
trakt und vielleicht sogar das
gleiche konkret funktionelle
Amt ausüben.
Dadurch besteht ein nicht zu
rechtfertigendes und schädli
ches besoldungsrechtliches
Konkurrenzverhältnis zwi
schen den Gebietskörper
schaften um das beste Per
sonal. Vertieft werden diese
Besoldungsdifferenzen in der
Grundbesoldung weiter durch
landesspezifische Regelungen
unter anderem im Bereich der
Sonderzuwendung („Weih
nachtsgeld“), der Zulagen, der
Arbeitszeit, der Beihilferege
lungen, der Absenkung der
Eingangsbesoldung oder der
Beförderungspraxis. Bedauer
licherweise waren diese Rege
lungen bei der überwiegen
den Anzahl der Dienstherrn
nicht in Personalentwick
lungs- oder Personalgewin
nungskonzepte eingebunden,
sondern allein von Einsparbe
mühungen unter Haushalts
gesichtspunkten geprägt.
Diese fehlgesteuerte Perso
nalpolitik über mindestens
ein Jahrzehnt ist heute überall
sichtbar und spürbar. Nicht
nur bei den sogenannten
Mangelberufen, sondern in
vielen Bereichen des öffentli
chen Dienstes – wie der Justiz,
dem Vollzug, der Polizei, der
Bildung und der Sicherheit –
fehlen gut ausgebildete Nach
wuchskräfte und können auch
in absehbarer Zeit nicht in
ausreichendem Umfang ge
wonnen werden. Dieser Man
gel an Personal wird sich
durch die vorhandene Alters
struktur noch verschärfen, da
in den nächsten zehn Jahren
mehr als 20 Prozent der Mitar
beiterinnen und Mitarbeiter
altersbedingt aus dem öffent
lichen Dienst ausscheiden.
Es ist zu befürchten, dass die
als Gegenmaßnahmen geplan
ten oder bereits in Kraft getre
tenen Sonderregelungen viel
fach zu spät kommen oder den
Personalmangel nur in Teilbe
reichen mildern, jedoch nicht
geeignet sind, auf absehbare
Zeit das fehlende Personal in
den weiten Teilen des öffentli
chen Dienstes auszugleichen.
Zudem wird sich der Konkur
renzkampf um die besten
Nachwuchskräfte auch auf
die vorhandenen Beamtinnen
und Beamten niederschlagen,
da diese immer mehr Aufga
ben erledigen müssen: Die
überproportionalen Belastun
gen bei gleichzeitigem Anstieg
des Lebensalters sind nicht zu
mutbar und führen zu gesund
heitlichen Einschränkungen.
Die Beibehaltung der Aufga
benwahrnehmung durch den
öffentlichen Dienst in der ge
wohnten Qualität ist mit im
mer weniger Personal nicht
mehr zu bewältigen.
Diesen Herausforderungen
jetzt wirkungsvoll zu begeg
nen, muss vorrangiges Anlie
gen aller Dienstherrn sein. Nur
wenn es gelingt, kurz- und
langfristig sowohl für das vor
handene Personal als auch für
die Nachwuchskräfte attrakti
vere Bezahlungs- und Arbeits
bedingungen zu schaffen, wird
die von der Öffentlichkeit zu
Recht geforderte Erledigung
der Leistungs- und Daseinsvor
sorge durch den öffentlichen
Dienst erfolgen können.
Die Anerkennung der Leistun
gen der Beschäftigten des öf
fentlichen Dienstes in Form der
Teilhabe an der wirtschaftli
chen und finanziellen Entwick
lung ebenso wie die Rückfüh
rung der im letzten Jahrzehnt
vorgenommenen Sparmaß
nahmen ist dabei eine – wenn
auch nicht alleinige – Grund
lage. Dadurch könnten die
Dienstherrn das bei den Beam
tinnen und Beamten verloren
gegangene Vertrauen wieder
zurückgewinnen und Perspek
tiven für die Zukunft schaffen.
Ein faires, gerechtes und leis
tungsorientiertes Besoldungs-
und Bezahlungssystem sowie
deren finanzielle Unterfütte
rung ist ein Signal der Wert
schätzung der Arbeit des öffent
lichen Dienstes sowohl nach
innen als auch nach außen.
Der öffentliche Dienst muss
zukünftig wieder in der Öf
fentlichkeit als attraktiver, zu
kunfts- und mitarbeiterorien
tierter Arbeitgeber und als
Garant für das Funktionieren
des Staates wahrgenommen
und wertgeschätzt werden.
Nur mit allen Beschäftigten
gruppen gemeinsam kann
auch zukünftig ein handlungs
fähiger, bürgerorientierter und
motivierter öffentlicher Dienst
gewährleistet werden.
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dbb magazin | Januar/Februar 2019