dbb magazin 1-2/2019 - page 27

beamtenrecht
Tarifabschlüsse. Diese über
Jahre vorgenommene Praxis
war – neben den bereits unter­
schiedlichen Regelungen im
Bereich der Sonderzahlung –
der Grundstein für die jetzt
bestehenden Besoldungsdif­
ferenzen zwischen Bund, Län­
dern und Gemeinden.
Diese unterschiedliche Gewäh­
rung von Linearanpassungen
verstärkte sich in den Jahren
2013 und 2014. Nur noch der
Freistaat Bayern und die Freie
und Hansestadt Hamburg
übertrugen den Tarifabschluss
der Länder – Hessen übernahm
den eigenständig abgeschlos­
senen Tarifvertrag. Die übrigen
Länder einschließlich Berlin,
das im Jahr 2013 wieder Mit­
glied der Tarifgemeinschaft
deutscher Länder wurde, ver­
abschiedeten eigenständige
Regelungen, mit sozial gestaf­
felten Anpassungen in Bezug
auf die Höhe und den Inkraft­
tretenszeitpunkten. Vielfach
wurden die Anpassungen so­
gar für die mittleren und höhe­
ren Besoldungsgruppen erst
mehrere Monate verspätet
gewährt.
In den Jahren 2015 und 2016
übertrugen immerhin fünf
Länder den Tarifabschluss zeit-
und inhaltsgleich auf den Be­
amtenbereich, während acht
Länder eine zeitliche Verschie­
bung bei gleich hohen Linear­
anpassungen vornahmen. Drei
Länder gingen vollständig eige­
ne Wege, indem sie unter an­
derem Regelungen bereits für
das Jahr 2017 trafen und damit
den Grundsatz „Besoldung
folgt Tarif“ ins Gegenteil ver­
kehrten.
Die Jahre 2017 und 2018 waren
imWesentlichen durch die
Übertragung des Tarifabschlus­
ses auf die Beamtinnen und
Beamten der Länder geprägt,
wenngleich es immer noch in
einigen Fällen zu zeitlichen
Verschiebungen kam. Lediglich
die Länder Berlin, Mecklen­
burg-Vorpommern, Nieder­
sachsen und das Saarland tra­
fen eigenständige Regelungen.
Grund für die „Wiederan­
gliederung“ der Besoldungs­
anpassung im Bereich der
Linearanpassungen an den
Tarifabschluss bei der überwie­
genden Anzahl der Länder war
jedoch nicht die Einsicht der
Dienstherrn, dass alle Beschäf­
tigten und Beamtinnen und
Beamten aller Gebietskörper­
schaften in gleicher Weise an
der finanziellen und wirt­
schaftlichen Entwicklung teil­
haben sollen. Vielmehr war
dies der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts
Ende 2015 geschuldet, das den
Vergleich der Besoldungs- und
der Tarifentwicklung als eines
der Prüfungskriterien festleg­
te, mit dem seitens der Gerich­
te überprüft werden kann, ob
die in ihrem Land gewährte
Besoldung und Versorgung an
die Beamtinnen und Beamten
noch amtsangemessen ausge­
staltet oder verfassungswidrig
zu niedrig bemessen ist.
<
Politik muss
gegensteuern
Nach sechs Einkommensrun­
den im Bereich der Länder und
mehr als zwölf Jahre nach der
Reföderalisierung der Gesetz­
gebung von Bund und Ländern
ist die Besoldung in Bund, Län­
dern und Kommunen sowohl
bei der Struktur als auch bei
der Höhe völlig unterschiedlich
ausgestaltet. Es bestehen Be­
soldungsdifferenzen von über
zehn Prozent bei den Beamtin­
nen und Beamten der verschie­
denen Gebietskörperschaften,
auch wenn sie das gleiche abs­
trakt und vielleicht sogar das
gleiche konkret funktionelle
Amt ausüben.
Dadurch besteht ein nicht zu
rechtfertigendes und schädli­
ches besoldungsrechtliches
Konkurrenzverhältnis zwi­
schen den Gebietskörper­
schaften um das beste Per­
sonal. Vertieft werden diese
Besoldungsdifferenzen in der
Grundbesoldung weiter durch
landesspezifische Regelungen
unter anderem im Bereich der
Sonderzuwendung („Weih­
nachtsgeld“), der Zulagen, der
Arbeitszeit, der Beihilferege­
lungen, der Absenkung der
Eingangsbesoldung oder der
Beförderungspraxis. Bedauer­
licherweise waren diese Rege­
lungen bei der überwiegen­
den Anzahl der Dienstherrn
nicht in Personalentwick­
lungs- oder Personalgewin­
nungskonzepte eingebunden,
sondern allein von Einsparbe­
mühungen unter Haushalts­
gesichtspunkten geprägt.
Diese fehlgesteuerte Perso­
nalpolitik über mindestens
ein Jahrzehnt ist heute überall
sichtbar und spürbar. Nicht
nur bei den sogenannten
Mangelberufen, sondern in
vielen Bereichen des öffentli­
chen Dienstes – wie der Justiz,
dem Vollzug, der Polizei, der
Bildung und der Sicherheit –
fehlen gut ausgebildete Nach­
wuchskräfte und können auch
in absehbarer Zeit nicht in
ausreichendem Umfang ge­
wonnen werden. Dieser Man­
gel an Personal wird sich
durch die vorhandene Alters­
struktur noch verschärfen, da
in den nächsten zehn Jahren
mehr als 20 Prozent der Mitar­
beiterinnen und Mitarbeiter
altersbedingt aus dem öffent­
lichen Dienst ausscheiden.
Es ist zu befürchten, dass die
als Gegenmaßnahmen geplan­
ten oder bereits in Kraft getre­
tenen Sonderregelungen viel­
fach zu spät kommen oder den
Personalmangel nur in Teilbe­
reichen mildern, jedoch nicht
geeignet sind, auf absehbare
Zeit das fehlende Personal in
den weiten Teilen des öffentli­
chen Dienstes auszugleichen.
Zudem wird sich der Konkur­
renzkampf um die besten
Nachwuchskräfte auch auf
die vorhandenen Beamtinnen
und Beamten niederschlagen,
da diese immer mehr Aufga­
ben erledigen müssen: Die
überproportionalen Belastun­
gen bei gleichzeitigem Anstieg
des Lebensalters sind nicht zu­
mutbar und führen zu gesund­
heitlichen Einschränkungen.
Die Beibehaltung der Aufga­
benwahrnehmung durch den
öffentlichen Dienst in der ge­
wohnten Qualität ist mit im­
mer weniger Personal nicht
mehr zu bewältigen.
Diesen Herausforderungen
jetzt wirkungsvoll zu begeg­
nen, muss vorrangiges Anlie­
gen aller Dienstherrn sein. Nur
wenn es gelingt, kurz- und
langfristig sowohl für das vor­
handene Personal als auch für
die Nachwuchskräfte attrakti­
vere Bezahlungs- und Arbeits­
bedingungen zu schaffen, wird
die von der Öffentlichkeit zu
Recht geforderte Erledigung
der Leistungs- und Daseinsvor­
sorge durch den öffentlichen
Dienst erfolgen können.
Die Anerkennung der Leistun­
gen der Beschäftigten des öf­
fentlichen Dienstes in Form der
Teilhabe an der wirtschaftli­
chen und finanziellen Entwick­
lung ebenso wie die Rückfüh­
rung der im letzten Jahrzehnt
vorgenommenen Sparmaß­
nahmen ist dabei eine – wenn
auch nicht alleinige – Grund­
lage. Dadurch könnten die
Dienstherrn das bei den Beam­
tinnen und Beamten verloren
gegangene Vertrauen wieder
zurückgewinnen und Perspek­
tiven für die Zukunft schaffen.
Ein faires, gerechtes und leis­
tungsorientiertes Besoldungs-
und Bezahlungssystem sowie
deren finanzielle Unterfütte­
rung ist ein Signal der Wert­
schätzung der Arbeit des öffent­
lichen Dienstes sowohl nach
innen als auch nach außen.
Der öffentliche Dienst muss
zukünftig wieder in der Öf­
fentlichkeit als attraktiver, zu­
kunfts- und mitarbeiterorien­
tierter Arbeitgeber und als
Garant für das Funktionieren
des Staates wahrgenommen
und wertgeschätzt werden.
Nur mit allen Beschäftigten­
gruppen gemeinsam kann
auch zukünftig ein handlungs­
fähiger, bürgerorientierter und
motivierter öffentlicher Dienst
gewährleistet werden.
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