dbb Jahrestagung 2019
grundsätzlich zu überdenken.“
Anders als die Privatwirtschaft
stehe der öffentliche Dienst un
ter weniger Wettbewerbsdruck
und müsse diese Freiheit nut
zen, um ein Vorbild für die Ge
sellschaft zu sein. Dies sei ein
wichtiger Beitrag für den sozia
len Zusammenhalt.
Prof. Dr. Ute Klammer betonte,
dass der 100. Jahrestag zum
Frauenwahlrecht Mut geben
könne – aber auch bedenklich
stimmen müsse. „Wir haben in
den vergangenen 100 Jahren
viel Stagnation und auch einige
Rückschritte erleben müssen“,
sagte die geschäftsführende
Direktorin des Instituts Arbeit
und Qualifikation (IAQ). „Ich
denke, die Frauen, die 1919 da
für gestritten haben, wählen
zu dürfen, wären etwas ent
täuscht über den heutigen
Stand.“ Konkrete Stellschrau
ben auf demWeg hin zu mehr
Gleichstellung sieht sie vor al
lem in verbesserten Arbeitszeit
modellen für Eltern. „Wir brau
chen etwa eine 30-Stunden-
Woche, die beiden Elternteilen
für die Betreuung ihrer Kinder
zugute kommt.“ Bei einem
21-prozentigen Gender-Pay-
Gap sei sonst klar, dass die Frau
in Teilzeit gehe und der Mann
weiter Vollzeit arbeite.
Auch Schwan betonte in die
sem Zusammenhang, dass Mo
delle wie das Elterngeld in der
heutigen Formmitunter tradi
tionelle Rollenbilder verstärken
könnten. „Wir brauchen einen
Mentalitätswandel, dass beide
Elternteile in der Verantwor
tung stehen. Warum sollen
nicht beide etwa ihre Arbeits
zeit gleichmäßig auf 75 oder
80 Prozent reduzieren?“
Jasmin Arbabian-Vogel, Präsi
dentin des Verbandes deut
scher Unternehmerinnen, warb
dafür, alte Rollenbilder abzule
gen. „Wir sollten – wie die
Männer – in Netzwerken aktiv
sein. Wir Frauen müssen die
tradierten Rollenbilder, die im
mer noch nachwirken, able
gen.“ Mit Blick auf die Feier
lichkeiten zum Jahrestag des
Frauenwahlrechts stellte sie
sich an die Seite von Klammer:
„Ich finde die Art, wie 100 Jahre
Frauenwahlrecht in Deutsch
land gefeiert wurde und wird,
skurril. Es wird so getan, als sei
das ein reines ‚Frauen-Gedöns-
Thema‘. Aus meiner Sicht ist es
aber keine Folklore-Veranstal
tung. Sondern ein Thema für
die gesamte Gesellschaft.“
„Wir sind noch lange nicht am
Ziel“, befand auch Thomas Ei
genthaler, stellvertretender dbb
Bundesvorsitzender und Chef
der Deutschen Steuer-Gewerk
schaft (DSTG), mit Blick auf die
Gleichstellung der Geschlech
ter. Der dbb Vize forderte ein
Ende des „Gönnerhaften“, das
vielen Förderungsbemühungen
für Frauen in Verwaltungen bis
weilen immer noch latent an
hänge. Zuspruch, Bestärkung,
Mut machen und Coaching
müssten, wo benötigt, Selbst
verständlichkeiten sein. Einen
wesentlichen Ansatzpunkt für
eine bessere Verwirklichung der
Gleichstellung und mehr Frau
en in Führungsposition im öf
fentlichen Dienst sieht er in den
Bewertungskriterien für Beför
derungen. „Diese waren, tradi
tionell bedingt, über lange Zeit
sehr männlich komponiert und
formuliert – und wurden bei
der Beurteilung Frauen nicht
positiv zugeschrieben, weil es
keine Entsprechung gab. Hieran
haben wir in der Vergangenheit
natürlich schon gearbeitet, aber
die Ergebnisse können uns noch
nicht zufrieden stimmen. Wir
müssen diese Kriterien so for
mulieren, dass sie nicht aussie
ben.“
Unternehmerin Arbabian-Vo
gel befand in diesem Zusam
menhang: „Führung in Teilzeit
funktioniert. Wir müssen weg
von der Präsenzkultur und hin
zu anlassbedingter Präsenz.“
Quoten könnten ein Instru
ment sein, um Gleichberechti
gung voranzubringen, auch
wenn viele junge Frauen damit
fremdelten. „Sie sagen, sie
wollen nach ihrer Kompetenz
bewertet werden. Dennoch:
Die gläserne Decke existiert.
Wir müssten die bestehende
Quote viel weiter fassen, als
sie heute festgelegt ist.“
Gesine Schwan bekannte, dass
sie früher eine Gegnerin von
Quoten gewesen sei – dies habe
sich aber geändert. Aber: „Rol
lenbilder in der Gesellschaft,
Förderung durch die Politik, Me
chanismen der Ökonomie: Für
echte Gleichberechtigung müs
sen viele Dinge gleichzeitig an
gegangen werden.“
In einem kurzen Schlusswort
verabschiedete sich der stell
vertretende dbb Bundesvorsit
zende und Fachvorstand Tarif
politik Volker Geyer im Namen
der dbb Bundesleitung von den
Teilnehmerinnen und Teilneh
mern der 60. dbb Jahrestagung
und dankte insbesondere den
mitwirkenden Fachleuten. „Wir
nehmen die Informationen
und Anregungen, die in den Re
den und Podiumsdiskussionen
vorgetragen wurden, als An
sporn, weiterhin hart dafür zu
arbeiten, die Situation der Be
schäftigten im öffentlichen
Dienst weiter zu verbessern.
Daran werden wir uns auch in
der Einkommensrunde für die
Länderbeschäftigten orientie
ren, die am 21. Januar 2019
beginnt.“
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Ute Klammer
<
Volker Geyer
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Gesine Schwan
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dbb magazin | Januar/Februar 2019
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