Bund und Kommunen
Rentenabschläge bei Bezug von Erwerbsminderungs- bzw. Hinterbliebenenrenten
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 11. Januar 2011 entschieden, dass Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten auch bei Rentenbeginn vor dem 60. Lebensjahr verfassungsgemäß sind (AZ 1 BvR 3588/08 und 1 BvR 555/09).
Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI wird bei Erwerbsminderungsrenten für jeden Monat den diese vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden, eine Kürzung um 0,3 Prozent vorgenommen. Die Kürzung wird insgesamt auf einen Abschlag von 10,8 Prozent begrenzt. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist diese Regelung auch in Bezug auf Fälle gerechtfertigt, in denen die Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres begonnen wird.
Nach Auffassung des Gerichts betrifft die rentenrechtliche Regelung den Schutzbereich des Grundrechts auf Eigentum gemäß Art. 14 GG, indem die Vorschrift Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt und zugleich in bestehende Rentenanwartschaften eingreift. Dies sei jedoch verfassungsgemäß, weil die Regelung einem Gemeinwohlzweck dient und verhältnismäßig ist. Die Regelung verfolge das legitime Ziel, die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern und damit die Funktionsfähigkeit des Systems zu erhalten, zu verbessern und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Zugleich ist die Regelung auch verhältnismäßig, weil die Erwerbsminderungsrentner von der vom Gesetzgeber gleichzeitig eingeführten erhöhten Zurechnungszeit und vom früheren Rentenbezug profitieren. Durch die vom Gesetzgeber vorgesehenen Übergangsregelungen wird auch den Grundsätzen des Vertrauensschutzes hinreichend Rechnung getragen.
Es liege auch kein Verstoß gegen das allgemeine Gleichheitsgebot des Art. 3 GG vor. Der Tatsache, dass der Inanspruchnahme der Erwerbsminderungsrente anders als der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente eine schicksalhafte Entwicklung des Gesundheitszustandes vorausgeht, wird dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten bei weitem nicht die bei Altersrenten mögliche Höhe erreichen und zudem noch durch die erhöhten Zurechnungszeiten teilweise kompensiert werden.
Mit dieser Entscheidung folgt das Bundesverfassungsgericht seiner bisherigen Rechtsprechung, die die unterschiedlichen Rentenabschlagsregelungen bislang regelmäßig verfassungsrechtlich nicht beanstandet hat.
Da der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wirkungsgleiche Übertragungen von Rentenreformmaßnahmen in die Beamtenversorgung vornehmen darf - und die Abschlagsregelungen zeit- und inhaltsgleich in die Beamtenversorgung übertragen hatte - ist davon auszugehen, dass die in der Beamtenversorgung geschaffenen Abschlagsregelungen über die bisher bereits entschiedenen Fälle hinaus ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich sind.