Bund und Kommunen
Tarifrecht öffentlicher Dienst
Bis September 2005 war das Tarifrecht für den öffentlichen Dienst, also die Regelung der Einkommens- und Beschäftigungsbedingungen, hauptsächlich im Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) festgelegt. Mit dem Tarifabschluss 2002/2003 für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes unterzeichneten die öffentlichen Arbeitgebenden (Bund, Länder und Kommunen) und die - damals noch eigenständige Organisation - dbb tarifunion eine Prozessvereinbarung für Tarifverhandlungen zur Neugestaltung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes. Die Tarifvertragsparteien zeigten sich darin einig, dass der öffentliche Tarifverbund zu erhalten ist. Das neu zu gestaltende Tarifrecht des öffentlichen Dienstes verlangte Einheitlichkeit und Differenzierung gleichermaßen, also allgemeine und bedarfsorientierte, spartenspezifische Regelungen.
Bei der Neugestaltung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes ließen sich die Tarifvertragsparteien von folgenden wesentlichen Zielen leiten:
- Stärkung der Effektivität und Effizienz des öffentlichen Dienstes
- Aufgaben- und Leistungsorientierung
- Kunden- und Marktorientierung
- Straffung, Vereinfachung und Transparenz
- Praktikabilität und Attraktivität
- Diskriminierungsfreiheit
- Lösung vom Beamtenrecht
- Einheitliches Tarifrecht für Angestellte und Arbeiterinnen/Arbeiter
Die Arbeitgebenden des öffentlichen Dienstes wiesen darauf hin, dass auf Grund der Finanzlage der öffentlichen Haushalte dem Gebot der strikten Kostenneutralität Rechnung zu tragen sei. Die Intention der Neugestaltung des Tarifrechts beinhaltete auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit sowie die Erhaltung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der öffentlichen Wirtschaft. Die dbb tarifunion wollte das Tarifrecht für die Beschäftigten attraktiver gestalten. Im Ergebnis wurde ein Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) angestrebt, der aus einem Allgemeinen Teil und Besonderen Teilen besteht: Der Allgemeine Teil enthält das neue Tarifrecht mit den einheitlichen Regelungen für den gesamten öffentlichen Dienst; das ausfüllende oder spezifische Tarifrecht für die Verwaltungen, Krankenhäuser, Sparkassen, Flughäfen und Entsorgungsbetriebe wird jeweils in einem Besonderen Teil geregelt. Allgemeiner Teil und der jeweilige Besondere Teil sollen zusammen das Tarifrecht der entsprechenden Sparte des öffentlichen Dienstes ergeben. Aus beiden Teilen würden durchgeschriebene und von den jeweiligen Tarifvertragsparteien zu unterzeichnende Fassungen für jede Sparte erstellt. Allgemeiner Teil und die Besonderen Teile stünden unter dem Vorbehalt der Gesamteinigung. Die Tarifvertragsparteien strebten ein einheitliches Inkrafttreten aller Tarifverträge an.
Die Neugestaltung des öffentlichen Tarifrechts wurde dann auch mit Bund und Kommunen im Februar 2005 in Potsdam erfolgreich abgeschlossen. Der neue Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) entspricht den Erwartungen, die Arbeitgebende und dbb tarifunion im Frühjahr 2003 an ihn gestellt hatten: Der TVöD sichert erworbene, tarifvertraglich zugesicherte Arbeitnehmenderechte. Der neue TVöD bietet erweiterte Möglichkeiten, für eine leistungsorientierte Bezahlung, ist transparent und alltagstauglich.
Im krassen Gegensatz zur Einigung mit Bund und Kommunen stand die Verhandlungssituation mit den Ländern: Mit ihrer Entscheidung im März 2004, die Arbeitszeitverträge für Angestellte und Arbeiterinnen/Arbeiter im öffentlichen Dienst zu kündigen, haben die Ministerpräsidenten ihre Bereitschaft aufgekündigt, weiterhin am Prozess der Neugestaltung des öffentlichen Tarifrechts gestaltend teilzunehmen, und sich selbst ins Abseits manövriert. Wer mitten in laufenden Verhandlungen Verträge kündigt, der ist am Tarifkompromiss nicht interessiert. Unter diesen Rahmenbedingungen sahen die Gewerkschaften keine Basis mehr, weiter mit den Ländern, also der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Neugestaltung des öffentlichen Tarifrechts zu verhandeln. Diese Entscheidung hatten sich die Gewerkschaften nicht leicht gemacht, immerhin ging es um 900.000 Arbeitnehmende, die durch die „Herr-im-Haus-Politik“ der Länderchefs bislang nicht an der Neugestaltung teilnahmen. Doch die Kündigung der Arbeitszeittarifverträge war eine Provokation zu viel: Bereits im Sommer 2003 hatten die Länder mit der Kündigung der Verträge über Urlaubs- und Weihnachtsgeld die Neugestaltung des öffentlichen Tarifrechts an den Rand des Scheiterns gebracht. Erst im März 2005 näherten sich Gewerkschaften und Länder wieder an und nahmen Gespräche über die Neugestaltung des Tarifrechts auf Länderebene auf. Nach weiteren intensiven Verhandlungen, denen ein Streik von 14 Wochen Dauer vorausgegangen ist, haben sich die Tarifvertragsparteien im Oktober 2006 auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sowie auf den Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) geeinigt.