- Einkommensrunde: Demos am 25. März 2015. Fotos: Düsseldorf Friedhelm Windmüller, Hannover Peter Steffen, Saarbrücken Dirk Guldner
Öffentlicher Dienst der Länder
Streiks in fünf Ländern: Beschäftigte machen den Arbeitgebern Druck – Schweigemarsch in Düsseldorf
Mit Warnstreiks in fünf Bundesländern haben Landesbeschäftigte am 25. März 2015 nochmals unmissverständlich klargemacht, was sie von der Blockadehaltung der Arbeitgeber in der laufenden Einkommensrunde für den öffentlichen Dienst der Länder halten: nichts. Von den ganztägigen Arbeitsniederlegungen betroffen waren unter anderem Ministerien, Landes- und Finanzämter, Autobahn- und Straßenmeistereien sowie Schulen im Saarland und in Rheinland-Pfalz, in Bremen und Niedersachsen sowie in Nordrhein-Westfalen.
Vor der vierten Verhandlungsrunde, die am 28. März in Potsdam beginnt, forderten die Streikenden die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) vor allem dazu auf, nun endlich ein Angebot zur linearen Einkommenserhöhung vorzulegen.
Das Video zu den Demos in Saarbrücken, Neu-Ulm und Ulm
Mehr als 4.000 Demonstranten aus dem Saarland und aus Rheinland-Pfalz waren nach Saarbrücken gekommen. Sie folgten dem Aufruf von dbb und DGB-Gewerkschaften, zogen in einem Protestzug durch die Innenstadt und versammelten sich schließlich zu einer zentralen Kundgebung vor dem Innenministerium. Der Zweite Vorsitzende und Verhandlungsführer des dbb, Willi Russ, warf der TdL vor, allein verantwortlich dafür zu sein, „dass eine neue Streikwelle übers Land hinweg fegt“. In den Staatskanzleien vieler Länder herrsche absolute Gleichgültigkeit gegenüber den Anliegen der Beschäftigten, sagte Russ vor den Demonstranten. Es habe in der dritten Verhandlungsrunde in Potsdam fast so ausgesehen, als ob die TdL um eine vierte Runde bettele, „weil sie vernünftige Kompromissentscheidungen nicht treffen konnte oder wollte“, so Russ. „Die Ministerpräsidenten sprechen von Investitionen und sparen im gleichen Moment den öffentlichen Dienst kaputt.“ Die Mehrzahl der Länderchefs habe offenbar die TdL mit dem Motto „Geiz ist geil“ ins Rennen geschickt. Russ: „Es ist genau diese Haltung, die uns bei den Potsdamer Verhandlungen in die Sackgasse geführt hat.“ Russ betonte erneut, dass Kürzungen im Leistungsrecht der Zusatzversorgung, wie von der TdL angestrebt, mit dem dbb nicht zu machen seien.
Mit Blick auf den Streitpunkt Lehrkräfte-Entgeltordnung warf der dbb Verhandlungsführer den Arbeitgebern vor, gar keine wirkliche Entgeltordnung zu wollen. „Die TdL will nicht verstehen, dass diejenigen Lehrerinnen und Lehrer, die im Arbeitnehmerstatus sind, endlich in der Bewertung ihrer Leistung an die verbeamteten Kolleginnen und Kollegen angepasst werden wollen. Wir brauchen eine echte Entgeltordnung für Lehrkräfte - und zwar jetzt und nicht am Sankt Nimmerleinstag.“
Ewald Linn, Landesvorsitzender des dbb saar, dankte den Beamtinnen und Beamten, die sich der „Demonstration des Ärgers“ angeschlossen hatten. „Sie und die Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger erwarten von ihrer Landesregierung als Akt der Gleichbehandlung und Wertschätzung, dass sie nicht schlechter gestellt werden als die übrigen Beschäftigten“, sagte Linn. Topleistungen seien nicht zum Billigpreis zu haben. „Die alljährliche Begründung der Schuldenbremse akzeptieren wir nicht mehr“, machte Linn klar. Deren Umsetzung müsse gesamtwirtschaftlich gelöst werden „und nicht nur auf dem Rücken der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes“.
Ein flächendeckender ganztägiger Warnstreik war auch die Antwort von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Länder Bremen und Niedersachsen auf die Verweigerungshaltung der TdL. 5.000 Beschäftigte, darunter auch zahlreiche Beamtinnen und Beamte, waren dem Aufruf von dbb und DGB-Gewerkschaften gefolgt und verwandelten den Opernplatz in Hannover mit ihrer Kundgebung in ein buntes Fahnenmeer. Zuvor waren sie in Protestmärschen durch die Innenstadt gezogen.
„Wenn die Arbeitgeber ihre Blockadehaltung nicht aufgeben und auch in der vierten Runde immer noch kein verhandlungsfähiges Angebot vorlegen, manövrieren sie Deutschland direkt in einen unbefristeten Streik“, rief Karl-Heinz Leverkus, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft und stellvertretender Vorsitzender der dbb Bundestarifkommission den Demonstranten zu. „Die Gewerkschaften haben ihre Verhandlungs- und vor allem ihre Kompromissbereitschaft drei zähe Runden lang unter Beweis gestellt. Es gab keine Bewegung, kein Entgegenkommen. Jetzt kann nur noch die TdL verhindern, dass die Bundesrepublik still steht.“
Leverkus verwies darauf, dass ein Tarifkompromiss ein verhandlungsfähiges Gegenüber erfordere: „Wenn die nächste Verhandlungsrunde am 28. März in Potsdam einen Sinn haben soll, muss die TdL von ihrem hohen Ross steigen und sich auf echte Verhandlungen einlassen.“ Einen „Unterwerfungsabschluss“ würden die Gewerkschaften nicht unterschreiben, sagte Leverkus mit Blick auf Pläne der Arbeitgeberseite, die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst zu beschneiden: „Mit Erpressung findet man keinen Tarifkompromiss. Wenn wir den öffentlichen Dienst auch künftig wettbewerbsfähig halten wollen, dürfen wir keinerlei Einschnitte bei der Zusatzversorgung zulassen.“
Ein besonderes Zeichen setzte der dbb in Nordrhein-Westfalen. Die in Düsseldorf geplante Demonstration zur Einkommensrunde 2015, zu der 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen, wurde auf Grund des tragischen Flugzeugabsturzes vom 24. März in Frankreich in einen Schweigemarsch umgewandelt. „Eigentlich wollten wir auf dem Burgplatz hart und lautstark mit den Arbeitgebern der Länder ins Gericht gehen und gewerkschaftliche Entschlossenheit demonstrieren,“ erklärte Roland Staude, 1. Vorsitzender des dbb Nordrhein-Westfalen, vor der Veranstaltung. „Aber angesichts der Tragödie um Flug 4U9525 treten alle unsere berechtigten Anliegen und Forderungen heute in den Hintergrund.“ Dies sei ein Tag tiefer Trauer, so Staude weiter: „Unser aller Solidarität und Anteilnahme gilt in dieser Situation den Opfern der Flugkatastrophe, ihren Angehörigen, Freunden und Kollegen. Auch wenn wir am Wochenende in Potsdam wieder unsere berechtigten Einkommensforderungen vorbringen und mit der Tarifgemeinschaft der Länder um einen Kompromiss ringen werden, relativieren sich diesem Tag alle politischen Auseinandersetzungen, und der Blick richtet sich auf das wirklich Wesentliche.“