Leitantrag Bildung

Präambel

Unsere Gesellschaft befindet sich in einem beschleunigten Wandel. Prozesse wie die sozial-ökologische Transformation, die Digitalisierung und immer kürzere Innovationszyklen sowie die demografische Entwicklung unserer Bevölkerung betreffen nahezu alle unsere Lebensbereiche und führen zu einer bisher unbekannten Dynamik des Wandels. Dies führt zu grundlegenden Veränderungen in der Arbeitswelt und erhöht die Anforderungen an unser Bildungssystem.

Insbesondere in Zeiten des Umbruchs wird der Bildung eine fundamentale Rolle zuteil. Der Bildungssektor muss einerseits der Dynamik des gesellschaftlichen Wandels ausreichend Rechnung tragen und andererseits die weiterhin bedeutsamen Grundlagen vermitteln, die es den jungen Menschen erst ermöglichen, sich auf den Wandel einzulassen. Es gilt, Bildung als Prozess zu begreifen, der fortlaufend zu evaluieren und anzupassen ist. Vor diesem Hintergrund ist eine grundsätzliche und gesamtgesellschaftliche Debatte notwendig, die ideologiefrei und wissenschaftsbasiert die Anforderungen an das Lernen und Leisten im 21. Jahrhundert betrachtet.

Dabei muss berücksichtigt werden, dass Bildung weit mehr als die bloße Wissensakkumulation und den Qualifikationserwerb darstellt. Sie treibt die Persönlichkeitsentwicklung voran, wirkt sich auf die kognitive, sozial-emotionale und körperliche Ebene der Menschen jeden Alters aus und ist Grundlage der gesellschaftlichen Teilhabe und eines selbstbestimmten Lebens.

Bildung ist ein Grundrecht. Daher muss die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am Bildungsprozess selbstverständliche Grundlage jeder (bildungs-) politischen Entscheidung sein.

In diesem Zusammenhang obliegt unserem differenzierten Bildungssystem die Aufgabe, allen Menschen unabhängig von ihrer sozialen und geografischen Herkunft die Teilhabe an Bildungsangeboten zu ermöglichen und dadurch Bildungsgerechtigkeit sowie Chancengleichheit zu gewährleisten.

Um diesem Auftrag nachkommen zu können, muss eine Vielzahl an Herausforderungen bewältigt werden. Es gilt, den dynamischen Anforderungen an Bildung gerecht zu werden und zwischen universellen Grundlagen und anpassungsfähigen Inhalten sinnvoll abzuwägen. Die Chancen der digital unterstützten Bildung für die Medienkompetenz und Teilhabe an der digitalisierten Gesellschaft sind zu nutzen.

Integration, Inklusion und verstärkte ganztägige Bildung, Betreuung und Erziehung bergen große Potenziale für die Bildungsgerechtigkeit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt und müssen weiter vorangetrieben werden.

Um dies zu erreichen sind angemessene Rahmenbedingungen seitens der Politik, ausreichend qualifiziertes Fachpersonal und die notwendigen infrastrukturellen Voraussetzungen von grundlegender Bedeutung. Dabei muss verdeutlicht werden, dass eine auskömmliche Finanzierung entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unseres Bildungssystems ist. Investitionen in unser Bildungssystem bieten neben dem bereits geschilderten Mehrwert für das Individuum eine Vielzahl an Vorteilen für die gesamte Gesellschaft. Sie führen zu technischem Fortschritt, Wirtschaftswachstum, Wohlstand und geringeren Transferausgaben. Vor diesem Hintergrund gilt es, Bildungsausgaben als nachhaltige Investition in unsere Zukunft zu sehen und deren Weg zu bereiten.

Der Staat als zuverlässiger Bildungsträger

Bildung ist eine Partikularinteressen übergreifende Gemeinschaftsaufgabe und liegt daher in der Gesamtverantwortung des Staates. Dieser ist vor dem Hintergrund der vielfältigen Herausforderungen mehr denn je gefordert, ein zukunftsorientiertes Angebot an Bildung, Erziehung und Betreuung sicherzustellen. Bildungspolitische Herausforderungen wie die Fortführung des DigitalPakts oder die Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung lassen sich nur mit einer Neuausrichtung der Verantwortungsgemeinschaft zwischen Bund, Ländern und Kommunen erreichen. Damit einhergehend muss eine verbesserte Kooperation der einzelnen Ebenen erreicht werden.

Föderales Bildungssystem

Der Kerngedanke des Bildungsföderalismus trägt der Vielfalt in der Bundesrepublik Rechnung, stand jedoch immer wieder in der Kritik, wie zuletzt während der Corona-Pandemie. Seine Stärken lassen sich nur entfalten, wenn Chancengerechtigkeit, Wettbewerb, Transparenz und Vergleichbarkeit erreicht werden. Dafür bedarf es einer qualifizierten und ideologiefreien Fortführung der Diskussion um eine Struktur, die den gegenwärtigen Anforderungen, Bedürfnissen und Erwartungen an Bildungs- und Betreuungseinrichtungen angemessen ist. Dabei muss das Ziel sein, das Prinzip des Föderalismus basierend auf einer angemessenen Ressourcenausstattung und gesamtstaatlich definierter Ziele als Chance für einen fairen Wettbewerb und zielführende Lösungen zu begreifen.

Bildung als gesamtstaatliche Aufgabe

Die eingangs geschilderten bildungs- und familienpolitischen Herausforderungen zeugen von der großen Notwendigkeit einer reibungslosen Zusammenarbeit der verschiedenen Ebenen sowie der generellen Unterstützung bildungspolitischer Vorhaben durch den Bund. Zuletzt hat der DigitalPakt Schule zum einen die dringende Notwendigkeit der finanziellen Unterstützung durch die Bundesebene und zum anderen die Schwächen der ebenenübergreifenden Verantwortungsgemeinschaft offenbart.

Daher gilt es, Bildung innerhalb des föderalen Bildungssystems als gesamtstaatliche Aufgabe zu verstehen. Dies setzt eine starke Verantwortungsgemeinschaft zwischen Bundes-, Landes- und Kommunalebene sowie eine nachhaltige Kooperation mit der Wissenschaft und Zivilgesellschaft voraus.

In Anbetracht der Komplexität der Aufgaben, bedarf es der kontinuierlichen finanziellen Unterstützung der Länder und Kommunen durch die Bundesebene, ohne dabei das föderale System zu untergraben. Im Sinne des Wettbewerbsföderalismus sind durch die finanzielle Unterstützung bundesweit vergleichbare Grundvoraussetzungen anzustreben. Nur mit einem „Kooperationsgebot“ und einer reibungslosen Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure wird ein zukunftsfestes Bildungssystem möglich sein.

Personal

Das Personal in unseren Bildungseinrichtungen sowie dessen Umfang, Qualifizierung und Zusammensetzung sind von zentraler Bedeutung für qualitativ hochwertige Bildung, Betreuung und Erziehung.

Fort- und Weiterbildung

In Zeiten substanzieller Veränderungen und sich fortlaufend wandelnder Anforderungen an Bildung, Erziehung und Betreuung werden der Fort- und Weiterbildung des Bestandspersonals eine immer bedeutsamere Rolle zuteil.

Dabei stellt eine fundierte und qualitativ hochwertige Ausbildung des Personals die grundlegende Gelingensbedingung jeglicher Qualifizierungsmaßnahme dar.

Wenn bundesweit einheitliche hohe Qualitätsstandards, eine angemessene Dauer sowie aktuelle und wissenschaftsbasierte Inhalte der Ausbildung gewährleistet sind, kann zielführend darauf aufgebaut werden.

Fortbildungen im Bereich der digital unterstützten Bildung werden dabei zweifelsohne einen großen Teil des Bedarfs ausmachen. Darüber hinaus stellen nebst anderen die Weiterentwicklung der Unterrichts- und Betreuungsqualität, die Gestaltung von Organisationsentwicklungsprozesse sowie der Umgang mit Inklusion und einer steigenden Heterogenität große Qualifizierungserfordernisse dar.

Um der steigenden Bedeutung von Fort- und Weiterbildung gerecht zu werden, bedarf es einer systematischen Erfassung der Bedarfe, verbindlicher Qualitätsstandards, sowie einer kontinuierlichen Evaluation der Angebote. Um die berufliche Fortbildung nachhaltig fördern zu können, muss diese als integraler Bestandteil der Tätigkeit verstanden werden. Dies kann nur gelingen, wenn ausreichend personelle Ressourcen zu Verfügung stehen. Darüber hinaus müssen auch die Potenziale von Bildung nach dem Berufsende weiter vorangetrieben werden. In einer vom Wandel geprägten Welt kann dadurch die gleichberechtigte Teilhabe von älteren Menschen gesichert sowie ein wichtiger Teil zur Lösung gesellschaftlicher und individueller Herausforderung beigetragen werden.

Personalmangel

Zukunftsfeste Bildung, Erziehung und Betreuung kann nur durch ausreichend qualifiziertes Personal realisiert werden. Die Digitalisierung, die stetig steigende Bedeutung von Fort- und Weiterbildung, Aufgaben wie Inklusion und Integration sowie die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung setzen höhere Personalschlüssel und mehr Personal voraus. Dem gegenüber steht der eklatante, bereichsübergreifende Fachkräftemangel, der aus mangelhaften Bedarfsprognosen der Politik resultiert.

In Anbetracht der herausragenden Rolle der Bildung für die Bewältigung unserer gesellschaftlichen Herausforderungen gilt es, dem Fachkräftemangel mit ganzheitlichen Maßnahmen entschieden entgegenzuwirken. Nur wenn über den tatsächlichen Bedarf hinaus eingestellt wird, können die alltäglichen Herausforderungen in unseren Bildungseinrichtungen bewältigt werden. Dringende Voraussetzung dafür ist eine bereichsübergreifende und nachhaltig angelegte Fachkräfteoffensive, die auf einer realistischen Bedarfsprognose basiert. Diese muss mit einer generellen Attraktivitätssteigerung der Berufsbilder im Bildungs- und Erziehungsbereich einhergehen, welche neben höheren Personalschlüssel und angemessenen Weiterbildungsangeboten ein innerbetriebliches Gesundheitsmanagement und eine angemessene Bezahlung umfassen muss. Diese Maßnahmen wirken sich zudem positiv für das Bestandspersonal aus und beugen einen erhöhten Krankheitsstand, Überlastung und das vorzeitige Ausscheiden aus dem Beruf vor.

Multiprofessionelle Teams

Die Zielgruppen der Bildung, Erziehung und Betreuung werden immer heterogener, wodurch die Fachkräfte immer anspruchsvollere Erziehungs- und Bildungsaufgaben zu erfüllen haben. Sowohl leistungsschwache als auch leistungsstarke Kinder und Jugendliche benötigen individuelle Förderung durch geschultes Fachpersonal.

Um den unterschiedlichen Ansprüchen und Bedürfnissen gerecht zu werden, bedarf es multiprofessionell zusammengesetzter Teams, in denen neben dem klassischen Lehr- und Erziehungspersonal je nach Bedarf andere Professionen unterstützend eingesetzt werden. Die daraus resultierenden Förderungsmöglichkeiten stellen einen wichtigen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit dar.

Um einen ganzheitlichen Ansatz gewährleisten zu können, müssen die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klar definiert werden, sowie ausreichend Kooperations- und Absprachezeiten zwischen den jeweiligen Fachkräften sichergestellt werden, um die pädagogisch-inhaltliche Verzahnung gewährleisten zu können. Vor diesem Hintergrund wird der Leitungsfunktion eine bedeutsame Rolle zuteil, die es mit angemessenen Ressourcen zu stärken gilt.

Infrastruktur

Die gegenwärtigen und künftigen bildungspolitischen Herausforderungen resultieren zudem in anderen Anforderungen an die Infrastruktur unserer Bildungseinrichtungen, die einrichtungsabhängig variieren. Dies umfasst ein angemessenes Verständnis für die räumlichen Mindestanforderungen von Bildung, notwendige Maßnahmen im Gesundheitsschutz aller Beteiligten, energetische Sanierungsmaßnahmen sowie eine zeitgemäße Mindestausstattung, die dem technologischen Fortschritt Rechnung trägt. Eine angemessene Infrastruktur trägt dazu bei, die jungen Menschen bestmöglich in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen und sie auf ihre berufliche oder akademische Zukunft vorzubereiten. 

Räumliche Ausgestaltung

Gute Bildung, Erziehung und Betreuung setzen angemessene Räumlichkeiten voraus. Das Raumkonzept unserer Bildungseinrichtungen muss quantitativ und qualitativ hochwertig sowie alters- und fachkräftegerecht sein, curriculare und extracurriculare Angebote müssen dort ihren Platz finden.

Die zunehmende Verbreitung des Ganztagsunterrichts, die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund, Inklusion und die Digitalisierung führen zu veränderten Anforderungen an die räumliche Ausgestaltung.

Um angemessene Lehr-, Lern-, Arbeits-, Ruhe-, Bewegungs- und Spielphasen zu ermöglichen, werden viele Schulgebäude umfangreichen Umbaumaßnahmen unterzogen werden müssen. Dies betrifft auch die Kindertagesstätten, die derzeit zur Erfüllung des Rechtsanspruches Räume wie Turn- oder Essensräume umfunktionieren mussten, um neue Gruppen unterbringen zu können.

Angemessen große Klassen- und Gruppenräume und offene Lernwelten sowie gesonderte Arbeits-, Bibliotheks-, Computer-, Gruppen-, Ruhe-, Experimentierräume, ausreichend Räume für Fachkräfte mit Arbeitsplätzen und Sportplätze sowie bedarfsgerecht gestaltete Außenanlagen müssen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus bedarf es der Räumlichkeiten für die Koordination der Aktivitäten aller Akteure.

Der Gesundheitsschutz der Fachkräfte, der Kinder und Jugendlichen sowie Maßnahmen zur Geräuschdämmung müssen bei der Gestaltung der Räumlichkeiten ausreichend beachtet werden.

Darüber hinaus wird sich die ganztägige Bildung auch auf den Sozialraum Schule auswirken. Dessen Neugestaltung gilt es in Zusammenarbeit mit den Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern, Eltern und den Akteuren der bisherigen Nachmittags- und/oder Randstundenbetreuung sowie den verschiedenen Institutionen und Akteuren an den Bedürfnissen vor Ort auszurichten.

Zudem stellt der Klimaschutz weitere Herausforderungen an den Bau von Kindertagesstätten, Schulen und Universitäten. Bereits bestehende Gebäude müssen energetisch saniert und Neubauten möglichst klimaneutral errichtet werden, sodass die Gebäude unserer Bildungseinrichtungen eine Vorreiterrolle im Kampf gegen den Klimawandel einnehmen.

Ausstattung

Insbesondere die Pandemie hat verdeutlicht, wie wichtig die Digitalisierung und eine zeitgemäße Ausstattung unserer Bildungseinrichtungen für den Bildungserfolg sind. Daher gilt es, alle notwendigen organisatorischen, strukturellen, technischen und personellen Voraussetzungen für die Nutzung passgenauer Hard- und Software zu schaffen. Nur durch die ständige technische Verfügbarkeit der digitalen Medien wird ein Schritthalten der Bildenden und Lernenden mit dem technologischen Fortschritt gewährleistet. In Abhängigkeit von der Bildungseinrichtung muss sichergestellt werden, dass die Lernenden ausreichend auf ihre spätere berufliche Realität vorbereitet werden können.

Dabei muss den Bildungseinrichtungen ermöglicht werden, dass für alle Beteiligten in den Bereichen des Datenschutzes, des Urheber- und des Lizenzrechts maximale Rechtssicherheit sichergestellt wird.

Um gute und digital unterstützte Bildung zu ermöglichen, bedarf es unter anderem einer angemessen schnellen Internetanbindung und der damit verbundenen infrastrukturellen Maßnahmen, eine stabile cloudbasierte Lernplattform, die den Anforderungen der jeweiligen Einrichtung gerecht wird, dienstliche Endgeräte, die die Arbeit des Personals tatsächlich erleichtern sowie eine professionelle IT- und Medienunterstützung für jede Einrichtung.

Die Bedarfe in den Bildungseinrichtungen müssen systematisch erhoben werden, um die Aktualität der Ausstattung gewährleisten zu können. Nur so kann die Teilhabe der Lernenden an der digitalisierten Gesellschaft sichergestellt werden.

Begründung:

bei Bedarf mündlich

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