Leitantrag Bundespersonalvertretungsrecht

Positionen und Handlungsnotwendigkeiten im Bundespersonalvertretungsrecht

Die Beschäftigten der öffentlichen Einrichtungen sind das lebendige und für die Bürgerinnen und Bürger sichtbare Fundament aller Dienstherren. Ihre Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen, ihre Arbeitsmotivation und ihre Bereitschaft, Veränderungen mitzugehen, waren und sind Bedingung für die Leistungs- und Reformfähigkeit des öffentlichen Dienstes.

Der Gesetzgeber hat die Vertretung der Interessen der Beschäftigten besonderen Gremien, den Personalvertretungen, anvertraut. Diese sind beauftragt, zum „Wohle der Beschäftigten“ und gleichermaßen auch zur „Erfüllung der der Dienststelle obliegenden Aufgaben“ mit der Dienststelle „vertrauensvoll“ zusammenzuarbeiten.

Die Personalvertretungen haben damit eine vermittelnde und befriedende Rolle zwischen Dienststelle und Beschäftigten einzunehmen. Damit dies auch unter den veränderten Rahmenbedingungen einer Gesellschaft und ihrer Verwaltung im Wandel so bleibt, bedarf es angemessener Arbeitsbedingungen und Befugnisse.

Die im Jahr 2021 erfolgte Novellierung des BPersVG stellt auch nach Auffassung des Gesetzgebers nur einen ersten Einstieg in eine bruchlos fortzuführende weitere Novellierung dar. Dies ist richtig, und aus Sicht des dbb besteht Regelungsbedarf insbesondere bei den folgenden Problemkreisen.

Ausschluss der Benachteiligung von Personalratsmitgliedern in der beruflichen Entwicklung

Die Nachwuchsproblematik im öffentlichen Dienst spiegelt sich in der Nachwuchsproblematik für alle Personalvertretungen. Die Bereitschaft von Beschäftigten, sich ehrenamtlich zugunsten ihrer Kolleginnen und Kollegen in personalvertretungsrechtlichen Gremien zu engagieren, ist daher zu fördern.

Benachteiligungen in der beruflichen Entwicklung sind auszuschließen. Zur Sicherung der Akzeptanz der Institution Personalrat als solcher muss jede Regelung zur Verhinderung von Benachteiligungen klar und transparent sein. Engagement in einer Personalvertretung darf insbesondere für freigestellte Mitglieder kein „Karrierekiller“ sein. Der Einstieg in die Personalratsarbeit soll zudem für Neueinsteiger kein Abenteuer, sondern eine planbare berufliche Entwicklungsstufe darstellen. Zu den hier denkbaren vielfältigen Ansätzen gehören die Schärfung der Vorgaben für die Nachzeichnung des fiktiven beruflichen Werdegangs einschließlich Hinterlegung von Freistellungen mit Spiegeldienstposten. Zwingend zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile ist die Sicherstellung der Teilhabe freigestellter Personalratsmitglieder an leistungsorientierter Bezahlung. Eine kontinuierliche berufliche Qualifizierung von Personalratsmitgliedern ist ebenso zu gewährleisten wie hinreichend lange Übergangszeiten in die fachberufliche Praxis nach Beendigung der Freistellung. Die Erstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs in Gestalt eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses auf Beamte im Vorbereitungsdienst trägt dem der Arbeitnehmervertreter entsprechenden Schutzbedürfnis Rechnung.

Schließung von Lücken in der Vertretung der Beschäftigteninteressen

Die Beteiligung an personellen, sozialen und innerdienstlichen Maßnahmen ist die Kernaufgabe des Personalrats. Besonders in Zeiten großer Veränderungen ist die Gewissheit der Beschäftigten über die Einbindung ihrer Interessenvertretungen essentiell für die Bewältigung von Umstrukturierungsprozessen in der öffentlichen Verwaltung.

Daher müssen die Personalvertretungen in die Prozesse, die auf beteiligungspflichtige Maßnahmen abzielen, frühzeitig, insbesondere bereits bei Pilotprojekten und Modellversuchen, zuverlässig und umfassend eingebunden werden.

Entscheidungen werden zunehmend von Stellen getroffen, denen keine die betroffenen Beschäftigten repräsentierende Personalvertretung gegenübersteht. Ein solches Auseinanderfallen von entscheidungsbefugtem Dienststellenleiter und zuständiger Personalvertretung/betroffenen Beschäftigten muss im Geist des BPersVG gelöst werden – der von der Rechtsprechung definierte Maßnahmebegriff gehört auf den Prüfstand. An den vom Gesetzgeber der Beteiligung unterworfenen Maßnahmen bedarf es einer Beteiligung desjenigen Personalrats, der von den von der Maßnahme betroffenen Beschäftigten zur Vertretung ihrer Interessen legitimiert ist. Bei ressortübergreifenden Maßnahmen sind die Interessen der betroffenen Beschäftigten durch die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften zu vertreten.

Ausdehnung des personellen Schutzbereichs des BPersVG

Wer weisungsgebunden in das Dienststellengeschehen eingegliedert und damit den dort geltenden Regeln unterworfen ist, hat Anrecht auf Vertretung seiner Interessen durch die Personalvertretung – selbst wenn sein Arbeits- oder Dienstverhältnis zu einem fremden Arbeitgeber oder Dienstherrn besteht. Dies sichert insbesondere die Beschäftigteneigenschaft von Leiharbeitnehmern und gilt grundsätzlich auch für arbeitnehmerähnliche Personen.

Beschäftigte mit überwiegend künstlerischer oder wissenschaftlicher Tätigkeit müssen einen Antrag stellen, um die Beteiligung des Personalrats zu erlangen. Da ein überwiegender Teil dieser Beschäftigten einen solchen grundsätzlichen Ausschluss aus der Interessenvertretung nicht wünscht, ist das tendenziell die Einbindung des Personalrats erschwerende Antragserfordernis durch ein Widerspruchsrecht zu ersetzen.

Die Annahme, es handele sich bei Beamtenstellen der Besoldungsgruppe A 16 an aufwärts und vergleichbaren Arbeitnehmerstellen um herausgehobene, allein aufgrund des Vertrauens des Dienstherrn zu besetzende Spitzenpositionen, ist obsolet. Die Mitbestimmung bei Personalangelegenheiten dieser Beschäftigten wird dazu beitragen, die vielfach vorwiegend politisch motivierten zu Gunsten objektiver Entscheidungen zurückzudrängen und so einen Anlass für grundlegendes Misstrauen gegenüber der Institution des Berufsbeamtentums auszuschalten.

Anpassung der personellen Ausstattung an das Arbeitsvolumen

Qualifizierte Personalratstätigkeit braucht Zeit. Es muss ein mit dem realen Bedarf korrespondierender zeitlicher Raum für die Wahrnehmung der Personalratstätigkeit zur Verfügung gestellt werden. Von Kandidaturen darf nicht aus Sorge vor Verärgerung der Kolleginnen und Kollegen Abstand genommen werden, weil diese die dienstlichen Aufgaben der Personalratsmitglieder zusätzlich übernehmen müssen. Im Umfang von Dienstbefreiung zur Wahrnehmung von Personalratstätigkeit hat eine Entlastung von dienstlichen Aufgaben stattzufinden, die aufgrund vorsorgender Personalausstattung nicht als Mehrarbeit bei nicht dem Personalrat angehörenden Kolleginnen und Kollegen aufläuft.

Die Aufgaben der Personalvertretungen sind in den vergangenen Jahren deutlich anspruchsvoller, umfangreicher und komplexer geworden. Hochwertige Personalratsarbeit kommt unmittelbar den Beschäftigten und gleichermaßen der Aufgabenerfüllung der Dienststelle zu Gute. Der Umfang der Freistellungen ist an die unstreitig gestiegenen Anforderungen der Personalratsarbeit mindestens in demselben Maße anzupassen, wie der Gesetzgeber es aus den genannten Gründen für Betriebsratsmitglieder für erforderlich hielt.

Digitalisierung der Personalratsarbeit

Die in der Novelle 2021 begonnene Digitalisierung der Personalratsarbeit ist fortzuführen. Ein Ausbau des Anwendungsbereichs audiovisueller Formate entspricht den Erwartungen der jüngeren Generation sowie, altersunabhängig, der in den vergangenen zwei Jahren gelebten Homeofficekultur, fördert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf/Pflege, entspricht der Zielsetzung der Nachhaltigkeitsregelungen des Bundesreisekostengesetzes und ist wesentlicher Baustein zur Steigerung der Bereitschaft von Beschäftigten zur Mitarbeit im Personalrat.

Personalvertretungen sind deshalb schnellstmöglich mit der erforderlichen Technik auszustatten; hierzu gehören neben gesicherten und ausreichend dimensionierten Datenleitungen u.a. auch Abstimmungstools und geeignete Software. Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Option zur digitalen Durchführung personalratsinterner Wahlen zu eröffnen. Das Monatsgespräch zwischen Dienststelle und Personalvertretungen sollte im Hybridformat durchgeführt werden dürfen. Zudem ist ein voraussetzungsloser Anspruch der an einer Personalratssitzung Teilnahmeberechtigten sowie der an einer Personalversammlung Teilnahmeberechtigten auf jeweilige digitale Teilnahme vorzusehen.

Förderung der Qualifizierung für die Mandatsausübung

Personalratsmitglieder sollen und wollen nicht Sand im Getriebe sein, sondern konstruktiv und initiativ auf Augenhöhe mit der Dienststellenleitung tätig sein. Hierzu müssen sie über ein ähnlich breites Wissen verfügen. Der von § 54 Abs. 1 BPersVG eröffnete Interpretationsspielraum ist auszuschöpfen: Ob Wissen durch Schulung in dem von der Rechtsprechung tradierten „herkömmlichen“ Sinn oder durch Bildung im weiteren Sinne, die auch über Vorträge, Erfahrungsaustausch und Weitergabe von Know-how vermittelt wird, darf keine Rolle spielen. Um einen breiteren Wissenspool jederzeit verfügbar sicherzustellen, sind Schulungs- und Bildungsveranstaltungen zudem in größerem zeitlichen Umfang und für mehr Personalrats- bzw. Ersatzmitglieder zu bewilligen. Ergänzend ist das Verfahren zur Freistellungs- und Kostenübernahmezusage durch die Dienststelle zu beschleunigen.

Erweiterung der Gestaltungsoptionen der Dienststellenpartner

Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs für Dienstvereinbarungen kann Personalrat und Dienststelle in die Lage versetzen, ortsbezogene Sachverhalte schnell und auf die speziellen Bedürfnisse zugeschnitten zu regeln. Dies sollte mit einem umfassenden Initiativrecht der Personalvertretungen einhergehen. Gewünschte Einheitlichkeit kann durch den Abschluss von Rahmendienstvereinbarungen auf Ebene der Stufenvertretungen gesichert werden. erforderlich Aufgrund der heterogenen Interessen der Belegschaft notwendiger Vielfalt kann durch Bereitstellung entsprechender zu- oder abwählbarer Module Rechnung getragen werden.

Zeitgerechter Ausbau der Beteiligungsrechte

Das Bundesverwaltungsgericht hat betont, das demokratische Prinzip verlange nicht, Mitbestimmungstatbestände restriktiv zu interpretieren; soweit die Regierungsverantwortung berührt sei, sei dem nicht durch Ausschluss, sondern durch Einschränkung der Mitbestimmung nach den Regeln zur Verantwortungsgrenze Rechnung zu tragen (BVerwG v. 30. Juni 2005 - 6 P 9.04 -, juris, Rn. 19 ff.). In diesem Sinne sind Defizite bei der Beteiligung der Personalvertretungen – nicht nur mit Blick auf aus der Digitalisierung entstandene neue beteiligungsbedürftige Sachverhalte – zu beseitigen.

Eingrenzung des generellen Aufhebungsrechts der obersten Dienstbehörde

Ziel eines jeden Personalvertretungsgesetzes ist es, die Interessen der Dienststelle und der Beschäftigten mittels einvernehmlicher Lösung unter gleichberechtigter Beteiligung der Partner zur Geltung zu bringen. Diesem Kompromissfindungsprozess läuft das Recht der obersten Dienstbehörde zuwider, unter bestimmten Voraussetzungen jede Entscheidung der Einigungsstelle aufzuheben. Ein generelles Aufhebungsrecht entwertet die Beteiligung der Personalvertretungen ebenso wie die Funktion der Einigungsstelle. Es spiegelt ein Bild von Dienststelle und Personalvertretung wider, das mit der Vorstellung einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe nicht in Einklang zu bringen ist.

Ergänzung des analogen gewerkschaftlichen Zugangsrechts um ein digitales

Neue Arbeitsformen außerhalb der Dienststelle und auf den verschiedensten Gründen basierende Abwesenheitszeiten von der Dienststelle machen es Gewerkschaften zunehmend schwerer, Beschäftigte zuverlässig in der Dienststelle anzutreffen. Zur Ausübung des ihnen in Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes garantierten Grundrechts auf koalitionsmäßige Betätigung sind sie indes auf die Kontaktaufnahme zu den Beschäftigten angewiesen. Dies gilt nicht nur, aber insbesondere auch im Vorfeld von Personalratswahlen. Gewerkschaftliche Werbe- und Informationskanäle müssen daher fortlaufend an die jeweils neuen technischen Standards der in der Dienststelle verwendeten digitalen Kommunikationswege und -programme angepasst werden. Das analoge Zugangsrecht der Gewerkschaften zu Dienststelle und Beschäftigten ist daher um ein dynamisches digitales Zugangsrecht zu ergänzen.

Vereinfachung des Personalratswahlverfahrens

Das Wahlverfahren ist fehleranfällig. Die Beteiligten − in der Regel juristische Laien – müssen eine Vielzahl oft schwer verständlicher Vorschriften anwenden und umfangreiche Rechtsprechung berücksichtigen. Benötigt werden eindeutige Vorgaben in der Wahlordnung zum Beispiel für das Verfahren bei Vorabstimmungen und für die Bildung des Wahlvorstands, verbindlich zu verwendende Muster etwa für Zustimmungserklärungen und Wahlvorschläge sowie Beispielskataloge mit klarer Definition der Handlungsoptionen des Wahlvorstands bei Nichteinhaltung der Vorgaben.

Zur Vereinfachung von Abläufen sind die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, etwa für elektronische Kommunikation mit den Beschäftigten und innerhalb des Wahlvorstands, für die Eröffnung der Option zur Durchführung bestimmter Wahlvorstandssitzungen in audiovisuellen Formaten sowie der Personalratswahl als Online-Wahl. Letztere stellt nicht nur eine wesentliche Verfahrenserleichterung für alle Beteiligten dar und trägt zur Kostensenkung bei, sondern trägt durch höhere Wahlbeteiligung zu größerer Legitimierung und Akzeptanz der Personalvertretung bei.

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