Leitantrag Diversität im öffentlichen Dienst

Vielfalt prägt unsere moderne Gesellschaft. Die damit einhergehenden unterschiedlichen Perspektiven, Erfahrungen und Kompetenzen machen unsere pluralistische, demokratische Gesellschaft aus und haben nachhaltig Einfluss auf unser Arbeitsleben.

Der dbb beamtenbund und tarifunion unterstützt das Ziel, Benachteiligung und Diskriminierung entgegenzuwirken, bekennt sich zu der Vielfalt in unserer Gesellschaft und würdigt sie. Er hat deren Bedeutung bereits 2016 mit seiner Unterzeichnung der Charta der Vielfalt und der Mitgliedschaft in der Initiative kulturelle Integration Rechnung getragen. Vor diesem Hintergrund spricht sich der dbb für eine ganzheitliche Diversitätsstrategie für den öffentlichen Dienst aus, die die verschiedenen Dimensionen von Vielfalt sowie bestehende Strukturen und die Erfolge der bisherigen Arbeit berücksichtigt.

Als wichtiger Dienstleister und Multiplikator für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wird dem öffentlichen Dienst eine besondere Rolle zuteil. Ein effektives Diversitätsmanagement stärkt nicht nur die Vorbildrolle der öffentlichen Verwaltung, sondern auch die Identifikation mit dem Staat als Arbeitgeber und Dienstherrn sowie ein auf Diversität ausgerichtetes Verwaltungshandeln.

Der in den kommenden Jahren weiter spürbare Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst erfordert weitere Strategien zur gezielten Fachkräftegewinnung. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, bedarf es einer verstärkten Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes, sowie einer gezielten Werbung für eine Karriere im öffentlichen Dienst, die alle gesellschaftlichen Gruppen anspricht. Dies ermöglicht, die sogenannte „Stille Reserve“ zu nutzen und ungenutztem Arbeitskräftepotenzial entgegenzuwirken.

Es gilt, die Potenziale der Vielfalt zielgerichtet für den öffentlichen Dienst zu nutzen, allen Mitarbeitenden eine chancengerechte Teilhabe zu ermöglichen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Um diese Ziele zu erreichen spricht sich der dbb für die Einführung und Weiterentwicklung eines behördenspezifischen Diversitätsmanagements aus. Die folgenden Vielfaltsdimensionen sind dafür von besonderer Relevanz:

Vielfaltsdimension Geschlecht

Die Vielfaltsdimension Geschlecht bedarf einer differenzierten Betrachtung im Diversitätsdiskurs. Die Ziele der Gleichstellungspolitik sind durch zahlreiche, bereits bestehende Strukturen gekennzeichnet und dürfen nicht vernachlässigt werden.

In Anbetracht der Strukturen und ihrer bisherigen Erfolge ist die Frauenförderung als besonderer Teil einer ganzheitlichen Diversitätsstrategie zu verstehen. Strukturen für den gewinnbringenden Austausch innerhalb der Diversitätsstrategie sind weiterzuentwickeln.

Trotz bisheriger Erfolge wie der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und der EU-Gleichstellungsrichtlinie bestehen jedoch weiterhin Defizite hinsichtlich der Gleichstellung aller Geschlechter. Diese erfordern eine konsistente und nachhaltige Gleichstellungspolitik, die die Lebensrealitäten von Frauen in allen Lebenslagen abbildet und die gleichberechtigte Teilhabe von allen Geschlechtern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zum Ziel hat.

Vielfaltsdimension Teilhabebeeinträchtigung

Die Belange von Menschen mit Behinderung sind fester Bestandteil der politischen Agenda. Der dbb fordert, die Umsetzung einer zielgerichteten Inklusions- und Teilhabepolitik konsequent weiterzuführen. Die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ist ein Gewinn für die Wettbewerbsfähigkeit und Unternehmenskultur sowie ein wichtiger Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Insbesondere im Bereich der Arbeitsmarktpolitik besteht weiterhin großer Handlungsbedarf. Dabei gilt es, den Ansatz der Inklusion zu verfolgen, um Menschen mit Teilhabebeeinträchtigung die tatsächliche berufliche Teilhabe ermöglichen zu können. Zudem tragen Fortbildungen sowie ein effektiv ausgestalteter Arbeits- und Gesundheitsschutz maßgeblich dazu bei, dass die Potenziale aller Mitarbeitenden besser genutzt werden können.

Vielfaltsdimension Nationalität oder Herkunft

Deutschland ist ein Einwanderungsland – über 21 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben eine familiäre Einwanderungsgeschichte. Aktuell sind jedoch nur rund zwölf Prozent der Bevölkerung mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst beschäftigt, was die Hälfte ihres tatsächlichen Anteils an der Bevölkerung ausmacht. Vor diesem Hintergrund bedarf es zahlreicher Maßnahmen, um vermehrt Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst zu beschäftigen und dadurch einen wichtigen Beitrag zur Integration zu leisten. Eine Diversitätsstrategie, die die Vielfaltsdimension der Nationalität oder Herkunft berücksichtigt, führt zu weniger Diskriminierung und Mobbing am Arbeitsplatz sowie einer höheren Arbeitszufriedenheit aller Beschäftigten. Zudem stärkt sie die nachhaltige Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und fördert die trans- und interkulturelle Kompetenz in den Verwaltungen.

Vielfaltsdimension Alter

Die Dimension „Alter“ ist für die öffentliche Verwaltung angesichts des demografischen Wandels von Relevanz. Teams unterschiedlicher Altersgruppen sind für alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung wichtig, da auf diese Weise unterschiedliches Fach- und Erfahrungswissen vorgehalten und ausgetauscht wird. Um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten, sind vor allem Arbeitsbedingungen erforderlich, die die Gesundheit der Beschäftigten erhalten und ein lebenslanges Lernen durch Fort- und Weiterbildung ermöglichen.

Ausblick

Die Aufführung dieser Vielfaltsdimensionen bedeutet nicht, dass andere Aspekte nicht von Relevanz sind. Vielmehr ist Diskriminierung jeglicher Art entschieden entgegenzutreten. Um die Vielfalt unserer Gesellschaft zu würdigen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, steht der dbb der Aufnahme weiterer Vielfaltsdimensionen in das Diversitätsmanagement offen gegenüber. Dies sollte stets im Austausch mit den beteiligten Akteuren, den Sozialpartnern, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft erfolgen.

Die Einführung eines behördenspezifischen Diversitätsmanagements, das die Personal-, Frauen- und Schwerbehindertenvertretung miteinbezieht, erfordert Zeit und Transparenz. Dabei gilt es, alle Mitarbeitenden in den Prozess einzubinden und die entsprechenden Gesetzesgrundlagen zu schaffen. Daher besteht großer Handlungsbedarf, denn nur ein moderner, flexibler und vielfältiger öffentlicher Dienst wird den Herausforderungen unserer Zeit gerecht.

Angesichts der dargestellten Bedeutung eines ganzheitlichen Diversitätsansatzes stellt der dbb beamtenbund und tarifunion als gewerkschaftliche Spitzenorganisation den Anspruch an sich, Vielfalt zu leben und zu fördern.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Vielfaltsdimensionen und deren Auswirkungen auf den öffentlichen Dienst ergeben sich folgende politischen Forderungen des dbb:

I. Verändertes Personalmanagement und angemessene Recruitment-Instrumente

In den Bereichen der Personalauswahl, -Bindung und -Entwicklung ergeben sich eine Vielzahl an Möglichkeiten, um Zugangsbarrieren abzubauen und mehr Vielfalt im öffentlichen Dienst sicherzustellen.

  • Die schrittweise Einführung von anonymisierten schriftlichen Bewerbungsverfahren
  • Diskriminierungsfreie Gestaltung und Formulierung von Beurteilungskatalogen
  • Einführung und Weiterentwicklung von Vielfaltskompetenz, die über trans- und interkulturelle Kompetenz hinausgeht, als Befähigungsmerkmal, insbesondere bei der Auswahl von Führungskräften
  • Berücksichtigung von Vielfalts- und Sprachkompetenzen bei der Personalauswahl (soweit rechtlich zulässig)
  • Gezielte Ansprache potenzieller Bewerberinnen und Bewerber
  • Förderung einer diversitätsbewussten Organisationsentwicklung durch eine angemessene Ressourcenaustattung für Diversitätsbeauftragte- und Budgets

II. Gezielte Förderung von Kompetenzen

Um die notwendige Sensibilität für Themen der Vielfalt im öffentlichen Dienst sicherzustellen, bedarf es einer Kompetenzvermittlung, die den Mehrwert diverser Teams unterstützt und begleitet.

  • Verbindliche Implementierung der wesentlichen Vielfaltsaspekte in Aus-, Fort- und Weiterbildung, auch in der Führungskräfteentwicklung und in den Fachhochschulen des Bundes und der Länder
  • Förderung von sprachlichen- und Vielfaltskompetenzen aller öffentlich Beschäftigten
  • Errichtung eines Praxisforums und eines Netzwerkes, um den Austausch bewährter Methoden zu fördern

III. Miteinbeziehung aller Bildungseinrichtungen

Um eine ganzheitliche Diversitätsstrategie verfolgen und Multiplikatoreffekte nutzen zu können, bedarf es der Miteinbeziehung aller Bildungseinrichtungen – von Kindergärten über Schulen bis hin zu Universitäten.

  • Förderung des Diversitätsverständnisses und Aufnahme des Themas in die Bildungspläne

IV. Mehr Sichtbarkeit von Personen mit Vielfaltsmerkmalen im öffentlichen Dienst

Ein aktives Diversitätsmanagement kann die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung als Arbeitgeber erhöhen und bei der Personalgewinnung unterstützen.

  • Vermehrte Kommunikation von Vielfalt und Chancengerechtigkeit als Stärken des öffentlichen Dienstes
  • Positive Rollenvorbilder: Mitarbeitende des öffentlichen Diensts mit Vielfaltsmerkmalen stärker in die externe Kommunikation einbinden

V. Einstellung auf Grundlage entsprechender Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung

Der dbb spricht sich dafür aus, dass sich die Vielfalt der Gesellschaft stärker im öffentlichen Dienst widerspiegeln muss und bekennt sich ausdrücklich zu den Potenzialen der Vielfalt im öffentlichen Dienst. Pauschale Quoten sind jedoch abzulehnen. Die Einstellung in den öffentlichen Dienst muss auf Grundlage entsprechender Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung erfolgen

Begründung:

bei Bedarf mündlich

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