Leitantrag Innere Sicherheit

Präambel

Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat sich auch unser Leben in der bekannten Form komplett geändert. Die bisherige Außen- und Verteidigungspolitik muss national und international überdacht und den veränderten Gegebenheiten angepasst werden. Innerstaatlich muss auf diese veränderten Bedingungen mit neuen Prioritäten reagiert werden, um den Herausforderungen eines Krieges innerhalb von Europa wirkungsvoll begegnen zu können. Deutschland muss dabei als verlässlicher Bündnispartner sowohl der Nato als auch als Teil der Europäischen Union wahrgenommen werden und tatsächlich in der Lage sein, seinen Beitrag zum Erhalt zu leisten.

Die Durchsetzung von Sicherheit, Recht und Ordnung ist unabdingbare Voraussetzung für den Erhalt der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Ohne diese ist ein freiheitliches Leben, wie es in Deutschland seit über 75 Jahren ausdrücklich gewünscht und verfassungsrechtlich verankert ist, nicht vorstellbar.

Darüber hinaus muss Deutschland die Lehren aus den Migrationsbewegungen im Jahr 2015 und den Folgejahren ziehen. Die Bereitschaft der Menschen in Deutschland, Schutzsuchenden ihre Hilfe und Unterstützung anzubieten und ihnen soweit als möglich Teilhabe am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben in Deutschland zu ermöglichen, ist beispielhaft. Der Verzicht auf Kontrolle und Steuerung gefährdet diese Bereitschaft und ist kontraproduktiv. Die Bundespolizei muss durch den Gesetzgeber in die Lage versetzt werden, ihre Möglichkeiten bei der Einreise von Personen optimal zu nutzen und durch Notifizierung der Grenzübergänge zu Polen und Tschechien zu optimieren, wie dies an der Grenze zu Österreich längst der Fall ist.

Artikel 1 des Grundgesetzes verpflichtet alle staatliche Gewalt, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Unzureichende staatliche Strukturen sind nicht geeignet, diesen Verfassungsauftrag hinreichend zu erfüllen. Der Staat hat die Pflicht zur Stärke, so will es unser Grundgesetz. Der dbb beamtenbund und tarifunion unterstreicht deshalb seine Forderung nach einem handlungsfähigen und durchsetzungsstarken Staat. Dies ist nur durch eine gut ausgestattete öffentliche Verwaltung möglich. Nur dann ist der Schutz der Bevölkerung unter gleichzeitiger Wahrung der persönlichen Freiheitsrechte gesichert.

Gleichzeitig hat die Gewalt gegen Menschen, die in ihrer beruflichen Tätigkeit dem Gemeinwohl dienen, ein nie dagewesenes Ausmaß angenommen. Sicherheits- und Rettungskräfte sind schon wegen ihrer äußeren Erkennbarkeit und ihrer körperlichen Präsenz in gefahrengeneigten Lebenssachverhalten unmittelbares Ziel häufig lebensbedrohlicher Attacken. Aber auch in nahezu allen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens müssen Beschäftigte mit verbalen und körperlichen Angriffen rechnen, die sich direkt gegen ihre Person richten. Auch im Strafvollzug ereignen sich immer wieder Angriffe mit schwerwiegenden Folgen für die Beschäftigten.

Handlungsnotwendigkeiten

Strategische Planung der Sicherheitsinteressen

Bislang ist in Deutschland keine Strategie der Inneren Sicherheit erkennbar. Sicherheitspolitik darf sich aber nicht länger nur an der Bewältigung aktueller Krisen und Herausforderungen orientieren. Es braucht langfristige Zielsetzungen und Orientierung, um die Architektur, Ausstattung und konzeptionelle Planung aller Sicherheitsbehörden erfolgreich zu machen. In einem Nationalen Sicherheitsrat muss die Formulierung strategischer Sicherheitsinteressen von allen Sicherheitsbehörden gemeinsam entworfen und entwickelt und die Politik entsprechend beraten werden, um technische Entwicklungen, Personalplanungen und haushalterische Bedingungen an langfristigen Erfordernissen auszurichten.

Forderung

Der dbb setzt sich dafür ein, die strategische Planung von Sicherheitspolitik voranzutreiben und fordert die Einrichtung eines nationalen Sicherheitsrats.

Europäische Grenzsicherung

Europäische Grenzsicherung ist eine der Herausforderungen für Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union. Der dbb begrüßt den Wegfall stationärer Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der EU und die Möglichkeiten der Reise- und Bewegungsfreiheit der Menschen in Europa. Grenzsicherung an den europäischen Außengrenzen muss besser als bisher auf einheitlichem Standard, wirkungsvoll und modern gesteuert werden, um gerade den Schutz unschuldiger Menschen vor schrecklichen Straftaten, wie Menschenhandel, Zwangsprostitution, Arbeitsausbeutung u.v.a.m. zu verhindern. Mit der europäischen Grenzschutzagentur Frontex hat die EU grundsätzlich ein Instrument, um den Schutz der Außengrenzen auf einheitlichem Niveau zu organisieren.

Forderung

Der dbb fordert eine personelle Stärkung und Kompetenzausstattung von Frontex.

Programm 2020

Das seit Jahrzehnten bestehende föderale System der Bundesrepublik Deutschland hat sich auch im Bereich der öffentlichen Sicherheit grundsätzlich bewährt. Gleichwohl darf es den erforderlichen Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden nicht behindern. Mit dem Programm „Polizei 2020“ soll die IT-Sicherheitsarchitektur in Deutschland weiterentwickelt, Informationsverluste und -fehlsteuerungen vermieden, Schnittstellenprobleme beseitigt und insgesamt die Leistungsfähigkeit gestärkt werden. Der dbb begrüßt die Initiative des BMI und die Arbeit des BKA, die mit diesem Programm die zentralen Steuerungsmöglichkeiten verbessern und Fehlentwicklungen der Vergangenheit vermindern wollen. Deutschland muss in die Lage versetzt werden, auch und gerade die Herausforderungen auf europäischer Ebene durch stetigen Austausch von Informationen besser als bisher zu bewältigen.

Forderung

Der dbb fordert die Stärkung des Programms „Polizei 2020“ und die Weiterentwicklung der IT-Sicherheitsarchitektur in Deutschland und Europa.

Bereitschaftspolizei des Bundes und der Länder

Die Bereitschaftspolizei ist eine herausragend wichtige Säule polizeilicher Arbeit in Deutschland. In zahllosen Einsätzen hat sie sich auch und insbesondere in der Corona-Pandemie durch hohe Flexibilität und Einsatzstärke bewährt. Der dbb begrüßt die Entscheidung, durch die Beschaffung von geschützten Fahrzeugen und die Bereitstellung geeigneter Möglichkeiten der Luftverlastung für größere Einsatzeinheiten, um die Schlagkraft der Bereitschaftspolizei insgesamt zu verbessern. Die Bereitschaftspolizei des Bundes wird auch künftig erforderlichenfalls die Polizei der Länder unterstützen, braucht aber eine dauerhafte Stärkung, um die durch zusätzliche Aufgaben im Bereich der Grenzsicherung, Flugsicherheit und den Schutz gefährlicher Orte entstandenen Herausforderungen zu bewältigen.

Forderung

Der dbb setzt sich für eine weitere Stärkung der Bereitschaftspolizei des Bundes und der Länder ein und fordert eine personelle Verstärkung von mindestens 10 Hundertschaften mehr für die Bereitschaftspolizei des Bundes.

Reform des Bundespolizeigesetzes

Zur Erledigung ihrer Aufgaben, die ihr vom Gesetz zugewiesen sind, braucht die Bundespolizei neue Befugnisse, um den größer gewordenen Herausforderungen der organisierten Kriminalität zu begegnen. Schwerste Straftaten müssen verhindert und das Leid unzähliger Menschen vermieden werden. Online-Durchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung dienen nicht der Bespitzelung der Bevölkerung, sondern dem Kampf gegen Menschenhandel mit all seinen Anschlussdelikten. Sie ist auch ein angemessenes Instrument, schon die Vorbereitungshandlungen sogenannter Behältnisschleusungen zu erkennen, zu verhindern und so konkret Menschenleben zu retten. Darüber hinaus braucht die Bundespolizei eigene Befugnisse für aufenthaltsbeendende Maßnahmen innerhalb bundespolizeilicher Zuständigkeit.

Forderung

Der dbb fordert die Reform des Bundespolizeigesetzes, u. a. zur Stärkung von Präventivbefugnissen der Bundespolizei, neu anzupacken und umzusetzen.

Großschadensereignisse

Deutschland ist auf Großschadensereignisse nicht gut vorbereitet. Nicht zuletzt das Hochwasser im Ahrtal hat gezeigt, dass die Warnung der Bevölkerung und das Zusammenwirken unterschiedlicher Handlungsebenen durch erhebliche Optimierungspotentiale dringend zu verbessern ist. Die Corona-Pandemie ist ein herausragendes Beispiel für mangelnde Vorsorge und kaum vorhandene Prävention. Weitere Großschadensereignisse, beispielsweise ein länger andauernder, flächendeckender Ausfall der Stromversorgung, sind vorstellbar und würden zu unabsehbaren Folgen für einen großen Personenkreis führen. Der dbb begrüßt daher die Bemühungen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), den Zivilschutz, die privaten Hilfsorganisationen und die Katastrophenhilfe besser als bisher zu vernetzen und sowohl Vorsorge, als auch die Warnung der Bevölkerung zu optimieren.

Forderung

Der dbb wird zur Bewältigung von Großschadensereignissen weitere strategischen Präventionen und die Reform des Zivilschutzes einfordern.

Stärkung des Personals

Die besondere Wertigkeit der öffentlichen Sicherheit und die Wahrung des Schutzes der Bevölkerung in allen öffentlichen Bereichen wurde nicht nur bei flächendeckenden Katastrophenlagen – wie etwa der Corona Pandemie –, sondern auch bei alltäglichen Ordnungsfunktionen deutlich. Dabei leisten alle Beschäftigten des Bundes, der Länder und auch der Kommunen einen unerlässlichen Beitrag für eine funktionierende Sicherheitsarchitektur. Die Demonstrationen gegen die politischen Entscheidungen zur Bekämpfung des Infektionsrisikos haben ein noch nie dagewesenes Ausmaß angenommen. Dabei entladen sich vermehrt Staatsverachtung und Gewaltbereitschaft einzelner Personen oder radikaler Gruppierungen bei den Einsatzkräften, die dabei zusätzlich selbst hohen Infektionsrisiken ausgesetzt sind. Zu Recht weist daher u. a. der Deutsche Städte- und Gemeindebund immer wieder darauf hin, dass die Kommunen mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet werden müssen, um auch künftige Herausforderungen bewältigen zu können.

Forderung

Der dbb setzt sich für eine weitere Stärkung des Personals in allen Gebietskörperschaften ein, damit überall in Deutschland, mit gleicher Qualität die verfassungsrechtlichen Aufgaben erfüllt werden können. Dazu zählen neben dem Bund und den Ländern auch der Bereich der kommunalen Ordnungsämter und der Strafvollzugsdienst. Bei allen Gebietskörperschaften gilt es Qualität und Quantität des Personals sicherzustellen und zu verbessern. Dazu sind eine gute finanzielle Ausstattung und die Schaffung von besseren Ausbildungsbedingungen und Karriereaussichten, um im Wettbewerb um das beste Personal bestehen zu können, notwendig. Zugleich gilt es gesetzliche Regelungen zu treffen, um das vorhandene Personal vor körperlichen und verbalen Angriffen besser zu schützen bzw. dabei eintretende Verletzungen – auch in Form einer Infektion – als Dienstunfälle anzuerkennen.

Verbesserung der Sachausstattung

Nicht nur die Personal- sondern auch die Sachausstattung standen jahrelang nicht im Fokus der Dienstherren. Die Ausstattung der Sicherheitsbehörden ist fortlaufend auf den neuesten Stand zu bringen, um den Beschäftigten die Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben so zu ermöglichen, wie dies von den Bürgerinnen und Bürgern und auch von den Dienstherren erwartet wird. Moderne Schutzausstattung, digitale Kommunikation und verstärkter Einsatz intelligenter Videotechnik tragen zur Sicherheit der Einsatzkräfte und Effizienz des Ressourceneinsatzes bei. Kriminalität entwickelt sich im gleichen rasanten Tempo wie die Möglichkeiten, die die Digitalisierung eröffnet.

Forderung

Der dbb fordert die Sicherheitsbehörden besser als bisher in die Lage zu versetzen, um technisch und personell wirksam Informationen zu gewinnen, um gegen Kriminalität im In- und Ausland, gegen terroristische und extremistische Bedrohungen sowie Cyber-Attacken vorgehen zu können. Dafür bedarf es u. a. dringend der Modernisierung notwendiger Informations- und Kommunikationstechnologien und der Anpassung der Telekommunikationsüberwachungsgesetze, um den sich ständig verändernden Rahmenbedingungen im Bereich der Kriminalität wirkungsvoll zu begegnen.

IT-Sicherheit / Cybersicherheit

Das IT-Sicherheitsgesetz hat deutlich positive Auswirkung auf das IT-Sicherheitsniveau bei der kritischen Infrastruktur und wurde im Jahr 2021 durch das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 fortgeschrieben. Diese Fortschreibung ist ein unerlässlicher Schritt, den es gilt beizubehalten, da die Angriffe auf die Informationssicherheit sich ständig weiterentwickeln. Nur durch eine konsequente Umsetzung der Informationssicherheit können Digitalisierung und oftmals auch die kritischen Dienstleistungen – wie zum Beispiel die Stromversorgung – gewährleistet und vor Angriffen wirksam geschützt werden.

Auf nationaler Ebene operiert das Cyber-Abwehrzentrum, um Sabotage, Spionage, Kriminalität und Terrorismus im Cyberraum zu bekämpfen und zu verhindern. Unter anderem arbeiten dort das BSI, der Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt sowie die Bundespolizei zusammen. Die Zusammenarbeit dieser Behörden dient dem Austausch wichtiger Informationen und der Bündelung von Expertenwissen zur Gewährleistung von Cybersicherheit auf nationaler und internationaler Ebene. Gerade das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik als die Cybersicherheitsbehörde des Bundes agiert an der technologischen Weltspitze, da es u. a. auch die Bereiche der künstlichen Intelligenz betreut.

Forderung

Der dbb setzt sich dafür ein, den Austausch der Informationen zwischen den Behörden, u. a. im Bereich der Cybersicherheit, voranzutreiben, um bei der Absicherung der künstlichen Intelligenz auch künftig eine führende Rolle zu spielen.

Ebenso müssen, gerade aber nicht nur in den Bereichen der kritischen Infrastrukturen (KRITIS), funktionierende Informationssicherheitskonzepte bzw. Informationssicherheitsmanagementsysteme (ISMS) verankert und permanent aktualisiert werden.

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dbb Geschäftsbericht