Leitantrag Klimawandel und öffentlicher Dienst

Der Kampf gegen die Erderwärmung und die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen sind und bleiben die zentrale Herausforderung unserer Zeit. Der menschengemachte Klimawandel hat bereits jetzt massive negative Auswirkungen auf die Gemeingüter (Ökosysteme, Biodiversität, Wasserhaushalt etc.) und damit unsere natürlichen Lebensgrundlagen, die im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung besonderem staatlichen Schutz unterliegen. Wissenschaftliche Modelle unterscheiden sich lediglich in der Festlegung auf die Zeiträume des Wandels, seine regionalen Ausprägungen und seine Ausmaße.

Der jüngste Bericht des Weltklimarats vom April 2022 zeigt auf, dass sich das Zeitfenster für eine Begrenzung der Erderwärmung sehr schnell schließt. Der Weltklimarat, der die Ergebnisse und Empfehlungen der weltweiten Wissenschaftsgemeinschaft bündelt, geht davon aus, dass nur noch wenige Jahre Zeit bleiben, eine verheerende Klimakatastrophe mit weltweit dramatischen Folgen bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen und massiven Fluchtbewegungen abzuwenden. Die Mehrzahl der Forschenden ist sich einig, dass Katastrophen wie die der Flut in Teilen Nordrhein-Westfalens und von Rheinland-Pfalz im Juli 2021 bereits Vorboten immer häufiger eintretender Extremwetterereignisse sind.

Der Klimawandel ist ein globales Problem, die Erderwärmung kann nicht in Deutschland allein gestoppt werden. Auch die Europäische Union kann das nicht. Europa hat aber wirtschaftlich Gewicht in der Welt, weshalb der europäische Rahmen für die Klimapolitik und Europas aktive Rolle in der Weltklimapolitik unverzichtbar sind. Erfolgreiche technologische Neuerungen können dank Europas Marktmacht dazu beitragen, weltweit Standards für Nachhaltigkeit zu setzen.

Im Rahmen der Weltklimaziele und des europäischen Grünen Deals sind auch einzelstaatliche Maßnahmen wichtig, weil der Wettbewerb im EU-Binnenmarkt bei der Suche nach nachhaltigen und wirtschaftlichen Technologien und Methoden hilft. Der globale Wettbewerb um innovative nachhaltige Technologien ist bereits in vollem Gange und deutsche und europäische Unternehmen stehen voll in diesem Wettbewerb.

Die notwendige Transformation zu einer treibhausgasneutralen, umwelt- und ressourcenschonenden Gesellschaft wirft verteilungspolitische Fragen auf, für die es in allen Sektoren, auch im öffentlichen Dienst, gewerkschaftspolitische Antworten braucht. Der klimaschonende Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft hat erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigung, auch auf die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst. Eine klimaneutrale Wirtschaft kann neue Beschäftigungschancen eröffnen, besonders auf dem Weg zu diesem Ziel wird es aber sozialpolitischer Flankierung bedürfen, um größere gesellschaftliche Spannungen zu vermeiden.

Die Herausforderung durch Russland und China und weitere geopolitische Spannungen bedrohen die weltweite Zusammenarbeit, die für die Begrenzung der Erderwärmung unverzichtbar ist. Gleichzeitig beschleunigt der heiße Krieg, den Russland mit dem Überfall auf die Ukraine in Osteuropa begonnen hat, die Transformation der europäischen Wirtschaft und den Umstieg auf erneuerbare Energien.

Dass der weitere Anstieg der Erderwärmung begrenzt wird, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Klimawandel und seine absehbaren Folgen sind wie der Wandel in der Arbeitswelt durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz mit einer Vielzahl von gesellschaftlichen Veränderungen verbunden. Diese Veränderungen betreffen das Verhalten der Menschen und erfordern Einstellungsänderungen zu vielen Alltagsgewohnheiten. Dies kann einen Verzicht etwa auf Konsumgüter bedeuten, deren Herstellung oder Verwendung nachweislich klimaschädigend ist. Die Anpassung an den Klimawandel und die Bemühung um einen ressourcenschonenderen Umgang mit der Natur und weniger Treibhausgasemissionen eröffnen aber auch Chancen für neue Lebensqualität, vor allem wenn sie mit Technologieoffenheit und gesellschaftlichem Zusammenhalt einhergehen.

Der Klimawandel verlangt eine Veränderung der Prioritäten des politischen Denkens und Handelns von allen Akteuren in Parlamenten und Verwaltungen. Neue Rechtsnormen werden notwendig sein, um der Komplexität des Problems gerecht zu werden, und auch Modifizierungen der bisherigen Arbeitsweisen. Dabei ist sowohl das eigene klimaneutrale Verhalten als auch die gestalterische Aufgabe bei Normbeschlüssen und ihrer Umsetzung in den Blick zu nehmen. Der öffentliche Dienst spielt bei alledem eine herausragende Rolle.

Der dbb beamtenbund und tarifunion

  • betrachtet den Erhalt der Gemeingüter, zu denen eine lebenswerte Umwelt gehört, als zentrale Aufgabe des Staates und der öffentlichen Verwaltung;
  • bekennt sich zum aktiven Beitrag der Verwaltungen in Bund, Ländern und Kommunen und ihrer Mitarbeitenden zur Erreichung der beschlossenen Klimaziele, insbesondere der Treibhausgasneutralität bis 2030 und einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung;
  • unterstreicht, dass der Öffentliche Dienst Vorbild und Schrittgeber im Klimaschutz sein kann, als größter Arbeitgeber auch sein muss;
  • ruft alle Beschäftigten im Öffentlichen Dienst auf, ihren Beitrag bei der damit verbundenen umfassenden Gestaltungsaufgabe zu leisten und fordert von den Dienstherren/Arbeitgebern die dafür gebotenen Rahmenbedingungen zu schaffen;
  • fordert, dass Tarifverhandlungen und die daraus resultierenden Besoldungsanpassungen nicht mit den gemeinsamen Anstrengungen zur Erreichung der Klimaziele verrechnet werden – Klimaschutz bedarf großer Investitionen, losgelöst von der gebotenen Anpassung der Einkommen entsprechend Produktivität und Preisteuerung;
  • unterstreicht, dass es insbesondere zur Erreichung der Klimaziele eine aufgabengerechte Personalaustattung und Bezahlung mit attraktiven Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst braucht;
  • bestärkt die Bundesregierung in ihrem Ziel einer klimaneutralen Bundesverwaltung bis 2030 und die Landesregierungen sowie Kommunen bei deren eigenen Maßnahmen in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich;
  • befürwortet eine kluge Balance von Regulierung und marktwirtschaftlichen Instrumenten im Klimaschutz, um Innovationsprozesse und sozialen Frieden gleichermaßen zu befördern;
  • betont die Bedeutung der öffentlichen Beschaffung, der energetischen Ertüchtigung von Bestandsimmobilien und des klimaneutralen Bauens unter Verwendung nachwachsender, klimafreundlicher Materialien und bei Beachtung nachhaltiger Lieferketten für das Erreichen der Klimaschutzziele;
  • ermutigt die öffentlichen Arbeitgeber, die für eine schnellere Planung und Genehmigung erforderliche Personalstellen zu schaffen; die angestrebte Beschleunigung, um klimafreundliche Investitionen vornehmen zu können, wird nur gelingen, wenn der Fachkräftemangel in der Verwaltung behoben wird;
  • begrüßt das explizite Bekenntnis der Bundesregierung dazu, die Mitarbeitenden mit auf den Weg nehmen, ihre Motivation durch besondere Anerkennung und den Aufbau eines Wir-Gefühls stärken zu wollen sowie auch neue Stellen für innovative Aufgaben zu schaffen;
  • weiß um die enormen finanziellen Belastungen der öffentlichen Haushalte durch die geplanten Maßnahmen in den verschiedenen Handlungsfeldern und fordert deshalb eine transparente und intensive Diskussion in den Parlamenten und Gespräche mit den Personalvertretungen der Mitarbeitenden, damit dem Vorwurf begegnet werden kann, die Finanzierungsfrage sei ein Verhinderungsargument für das Klimaschutzziel;
  • schlägt vor, dass die Einnahmen aus dem europäischen und nationalen Emissionshandel konsequent für die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen Verwendung finden;
  • gibt zu bedenken, dass Marktanreize über das Verursacherprinzip allein nicht ausreichen könnten, die bis 2030 gesetzten Ziele zu erreichen, und fordert dehalb die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Ressourcen;
  • fordert, dass die notwendige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft sozial ausgewogen gestaltet wird;
  • betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Steuergerechtigkeit;
  • fordert die Etablierung eines gesetzlich verankerten Bund-Länder-Klimarates mit Initiativrecht zur Koordinierung aller klimarelevanten Maßnahmen, damit nicht nur im Bereich der öffentlichen Verwaltung, aber eben auch dort, zielstrebig gemeinsame Standards realisiert werden und die Lebensverhältnisse Deutschland, die sich auch an der Qualität der regionalen und lokalen öffentlichen Verwaltung zu messen sind, nicht weiter auseinandergehen;
  • spricht sich für interdisziplinäre Forschungsansätze und entsprechende staatliche Fördermaßnahmen aus;
  • fordert, dass Klima- und Umweltschutz Kerninhalte der Bildungspolitik werden: Allgemein- und berufsbildende Schulen sollten zu klimapositiven Lernorten mit Nachhaltigkeitsbildung werden.
  • fordert eine Einbeziehung in bestehende und künftige Konsultationsprozesse mit den Gewerkschaften zum Klimaschutz;
  • wird für seine eigene Bundesgeschäftsstelle Nachhaltigkeitsziele definieren und umsetzen, die beispielhaft sind und auch von den Fachgewerkschaften im dbb umgesetzt werden können.

Begründung:

Ergibt sich aus dem Antrag.

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