Leitantrag Weiterentwicklung Entgeltordnung
Herausforderungen für den öffentlichen Dienst annehmen – der Demografie begegnen, Attraktivitätsoffensive starten, Eingruppierung zeitgemäß weiterentwickeln
Um dem bereits jetzt bestehenden und sich in den kommenden Jahren durch altersbedingtes Ausscheiden massiv verschärfenden Personalmangel im öffentlichen Dienst zu begegnen, muss eine Attraktivitätsoffensive für alle Bereiche des öffentlichen Dienstes gestartet werden. Nur so kann der öffentliche Dienst im Wettbewerb um die besten Nachwuchskräfte mit der Privatwirtschaft bestehen. Wichtige Elemente dieser Attraktivitätsoffensive sind regelmäßige Entgelterhöhungen und die zeitgemäße Weiterentwicklung der verschiedenen Eingruppierungssysteme. Ein Augenmerk ist dabei auf die Gleichbehandlung der Beschäftigten in den unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Dienstes zu richten, um den Grundsatz gleicher Bezahlung für gleiche Tätigkeiten im Eingruppierungsrecht umzusetzen. Neben strukturellen Verbesserungen für einzelne Beschäftigtengruppen sind beispielsweise folgende bereichsübergreifende Maßnahmen notwendig:
Modernisierung der Entgeltordnungen konsequent fortsetzen
Durch die Vereinbarung neuer Entgeltordnungen bei Bund, Kommunen und Ländern (inklusive der Lehrkräfte) sind erste wichtige Schritte zur Modernisierung des Eingruppierungsrechts unternommen worden. Dieser Prozess muss jedoch fortgeführt werden, da auch die Entwicklung der Tätigkeiten und der verschiedenen Berufe im öffentlichen Dienst nicht stehen bleibt und regelmäßig weiteren Änderungen unterworfen ist. Hier muss die Eingruppierung Schritt halten. Die bestehenden Eingruppierungssysteme inklusive der Tätigkeitsbeschreibungen müssen fortlaufend auf Stimmigkeit und Aktualität geprüft und weiterentwickelt werden.
Stillstand durch die Problematik „Arbeitsvorgang“ überwinden
Initiativen der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, bestehende Eingruppierungsregelungen zu verschlechtern, gilt es entgegenzuwirken. Vielmehr ist es zur Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Dienstes dringend erforderlich, insbesondere die Regelungen zur Eingruppierung attraktivitätssteigernd weiterzuentwickeln. Die von den unterschiedlichen Arbeitgebern in den vergangenen Einkommensrunden eingeforderten Anpassungen im Eingruppierungsrecht, um die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum so genannten Arbeitsvorgang auszuhebeln, lehnt der dbb daher ab. Die für Beschäftigte in Geschäftsstellenverwaltungen bei Gerichten im Bereich TVöD und Beschäftigte in Serviceeinheiten bei Gerichten im Bereich TV-L ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist umzusetzen. Danach umfasst der zur Eingruppierung maßgebliche Arbeitsvorgang sämtliche mit der Aktenführung zusammenhängende Einzeltätigkeiten. Nach Bildung des Arbeitsvorgangs wird dieser anhand der Tätigkeitsmerkmale der jeweiligen Entgeltordnung überprüft. Eine isolierte Betrachtung nur der schwierigen Tätigkeiten ist dem bestehenden Eingruppierungsrecht nicht zu entnehmen und erfolgt nicht. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung gestellte Anträge auf Höhergruppierung sind umzusetzen. Der dbb fordert die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes auf, nicht weiter mit dem Hinweis auf die Problematik „Arbeitsvorgang“ Verhandlungen zur dringend notwendigen Modernisierung des Eingruppierungsrechts und zu anderen Themen zu verzögern.
Stufengleiche Höhergruppierung auch im TV-L festschreiben
Zur Herstellung der Gleichbehandlung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ist es insbesondere erforderlich, auch im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) den in den übrigen Bereichen des öffentlichen Dienstes bereits weitestgehend geltenden Grundsatz der stufengleichen Höhergruppierung festzuschreiben. Die bisher im TV-L vereinbarte betragsmäßige Höhergruppierung mit einem Garantiebetrag in Höhe von 100 beziehungsweise 180 Euro ist nicht geeignet, zur Motivation der Beschäftigten beizutragen, die eigentlich mit einer Höhergruppierung verbunden sein sollte. Die bereits absolvierten Tätigkeitszeiten sollen nicht durch eine Rückstufung im Rahmen der Höhergruppierung entwertet werden.
Entgeltgruppe 7 im Allgemeinen Teil der Entgeltordnungen angleichen
Ein weiterer zur Herstellung der Gleichbehandlung in den unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Dienstes wichtiger Punkt ist die noch ausstehende Angleichung der Entgeltgruppe 7 in den Allgemeinen Teilen der verschiedenen Entgeltordnungen. Während in den Allgemeinen Teilen der Entgeltordnungen für Bund und Kommunen für den Verwaltungsdienst das Merkmal „gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und zu einem Fünftel selbstständige Leistungen“ in Entgeltgruppe 7 vorgesehen ist, ist dies in den Allgemeinen Teilen der Entgeltordnungen zu TV-L und TV-H nicht der Fall. Dort sind Beschäftigte mit entsprechender auszuübender Tätigkeit in Entgeltgruppe 6 eingruppiert. Erst bei einem Anteil an selbstständigen Leistungen von einem Drittel erfolgt dann, wie bei Bund und Kommunen, eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 8. Hier muss eine Angleichung erfolgen.
Entgeltordnung für Lehrkräfte weiterentwickeln
Seit dem 1. August 2015 ist die Entgeltordnung Lehrkräfte in Kraft. Damit hat der dbb erreicht, dass die zuvor geltenden Richtlinien und Erlasse der Arbeitgeberseite zur Lehrkräfteeingruppierung durch eine tarifvertragliche Regelung abgelöst werden. In der Einkommensrunde 2019 mit der TdL ist es gelungen, die so genannte Angleichungszulage auf 105 Euro zu erhöhen und damit Höhergruppierungen zu erwirken. Die Zulage wird dort gezahlt, wo die Entgeltgruppe (noch) nicht dem jeweiligen Besoldungsamt entspricht. Um die Eingruppierung der Lehrkräfte gerecht und zukunftsfest aufzustellen, muss das System der Angleichungszulage durch die Einführung der so genannten Paralleltabelle (Entgeltgruppe entspricht Besoldungsamt) ersetzt werden. Weitere strukturelle Verbesserungen – etwa die vollständige Berücksichtigung des Vorbereitungsdienstes / Referendariats bei der Stufenlaufzeit – sind notwendig.
Begründung
Nach Schätzung des dbb fehlen aktuell rund 330.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Dies betrifft nicht nur die in der Corona-Pandemie besonders im Fokus stehenden Bereiche Gesundheit, Bildung und Sicherheit, sondern alle Bereich der Verwaltung, von der Steuerverwaltung über die Justiz bis zu den Arbeitsagenturen und Jobcentern. Betroffen sind Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen. Die Problematik wird sich durch Altersabgänge weiter verschärfen. Im kommenden Jahrzehnt werden fast 1,3 Millionen weitere Beschäftigte altersbedingt aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden. Um im Zuge des demografischen Wandels gut qualifizierte Nachwuchskräfte im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft zu gewinnen, das vorhandene Personal zu halten und durch Entwicklungsmöglichkeiten weiter zu motivieren, ist ein attraktives, zukunftsfähiges und gerechtes Entgeltsystem unerlässlich.
Zur Attraktivität und Zukunftsfähigkeit trägt neben einer regelmäßigen und angemessenen Erhöhung der Tabellenentgelte auch eine Eingruppierungssystematik bei, die die Wertigkeit der unterschiedlichen Tätigkeiten zutreffend abbildet und auf Änderungen im Tätigkeitsbild, etwa durch die fortschreitende Digitalisierung und veränderte politische und gesellschaftliche Anforderungen, reagiert. Daher muss die bereits begonnene Modernisierung des Eingruppierungsrechts konsequent fortgesetzt werden.
Zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes „nach außen“ ist nicht zuletzt auch ein gerechtes und nachvollziehbares Eingruppierungssystem „nach innen“ entscheidend. Hierzu tragen gleichwertige Eingruppierungen, Aufstiegsperspektiven und Entgelte in den unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Dienstes entscheidend bei. Ein Wettbewerb von Bund, Ländern und Kommunen untereinander ist nicht zielführend und führt nur zur Schwächung des öffentlichen Dienstes insgesamt. Unterschiedliche Bewertungen gleicher Tätigkeiten und ein unterschiedlicher Umgang mit Höhergruppierungen, je nachdem, mit welchem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes das Arbeitsverhältnis besteht, müssen der Vergangenheit angehören.
Der öffentliche Dienst insgesamt ist nur so zukunftsfähig wie seine Arbeitsplätze. Ob Bund, Länder oder Kommunen – Investitionen in die Weiterentwicklung des Eingruppierungssystems und in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen insgesamt sind unerlässlich, um im Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen zu können.