Einkommensrunde
Die Länder sparen sich kaputt - Tausende Beschäftigte demonstrieren
Trotz Inflation und Fachkräftemangel weigern sich die Länder, die Einkommen im öffentlichen Dienst zu erhöhen. Heute demonstrierten deshalb erneut tausende Beschäftigte.
„In den vergangenen zwei Verhandlungsrunden hatten die Arbeitgebenden, sprich die Länder, genug Gelegenheiten, uns ein Angebot vorzulegen. Statt Angebote zu bitter notwendigen Verbesserungen haben sie uns die kalte Schulter gezeigt“, machte dbb Tarifchef Volker Geyer bei einer Großkundgebung vor 6.000 Teilnehmenden am 30. November 2023 in Stuttgart deutlich. „Wir dürfen uns von den Arbeitgebenden wieder und wieder die gleichen schwachen Argumente anhören: Die Forderungen seien zu hoch und die Kassen leer. In einer Zeit, in der die Inflation seit 2021 anhaltend hoch ist und wir einen Arbeitskräftemangel in Deutschland haben, ist diese Verweigerungshaltung nicht hinnehmbar. Deshalb streiken und demonstrieren heute die Beschäftigten auch in Stuttgart.“ Die derzeit geltenden Einkommen und Arbeitsbedingungen seien mit den aktuellen multiplen Krisen nicht mehr vereinbar. Geyer: „Wer Bildung, Sicherheit, Infrastruktur und Pflege will, muss die Menschen in diesen Bereichen auch angemessen bezahlen, statt an jeder Ecke zu sparen. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst halten Deutschland am Laufen. Wer meint, beim öffentlichen Dienst sparen zu müssen, darf sich nicht wundern, wenn er bald nicht mehr funktioniert. Mit dieser gesellschaftlichen Kurzsichtigkeit sparen sich die Länder selbst kaputt.“
Kai Rosenberger, Landesvorsitzender des BBW - Beamtenbund Tarifunion kritisierte die Konkurrenz zwischen Bund und Kommunen und den Ländern: „Beschäftigte, die für die Länder arbeiten, erhalten für dieselbe Tätigkeit weniger, als wenn sie für Bund oder Kommunen arbeiten würden.“ Der dbb fordert daher 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro, um den Unterschied zwischen den Arbeitgebenden auszugleichen und das Einkommen an die Inflation anzupassen. Rosenberger wies zudem auf die drohende Fachkräfteabwanderung im öffentlichen Dienst hin: „Wir suchen im öffentlichen Dienst der Länder händeringend nach Fachkräften. Da können wir es uns schlicht nicht leisten, wenn wertvolle Fachkräfte wegen der besseren Konditionen zu Bund, Kommunen und die Privatwirtschaft abwandern. Nein, die Länder müssen wieder attraktiv für Fachkräfte werden. Und das gelingt nur mit besserer Bezahlung, besseren Arbeitsbedingungen sowie unbefristeter Übernahme von Auszubildenden und Studierenden.“
In Berlin haben zeitgleich Beschäftigte der Finanzverwaltung einen Warnstreik durchgeführt und vor dem Bundesrat demonstriert. Auch sie forderten vor der dritten Verhandlungsrunde ein substanzielles Tarifangebot der Arbeitgeberseite. Der Bundesvorsitzende des dbb Ulrich Silberbach forderte die Länder auf, die Arbeit der Beschäftigten wertzuschätzen und ihnen den Anschluss an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst zu garantieren: „Unsere Kolleginnen und Kollegen sind es leid, als lästige Bittsteller behandelt zu werden. Sie sorgen mit ihrer Arbeit täglich dafür, Krisen zu meistern – und sie leisten in der Finanzverwaltung einen wesentlichen Beitrag für stabile Steuereinnahmen und fiskalische Rechtssicherheit.“ Dieses Engagement verlange angemessene Einkommen und moderne Arbeitsbedingungen. Mit Blick auf die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder appellierte der dbb Chef, das zu erzielende Tarifergebnis zeit- und wirkungsgleich auf den Beamtenbereich zu übertragen. „Es darf hier kein Taktieren und keine Verzögerungen geben. Für den dbb ist die Einkommensrunde erst abgeschlossen, wenn auch die Beamten und Versorgungsempfänger der Länder und Kommunen Anschluss halten.“
Florian Köbler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft DSTG, bekräftigte die absolute Notwendigkeit eines starken linearen Tarifabschlusses: „Das Zögern der Arbeitgeberseite ist brandgefährlich für Deutschland in Zeiten rasant steigenden Fachkräftemangels. Der Umgang mit den Beschäftigten der Finanzverwaltung ist blanker Hohn. Was ist es für ein Zeichen, wenn der Staat exzellent ausgebildete Beschäftigte so bezahlt, dass sie Wohngeld beantragen müssen? Das ist perfide!“ Mit Blick auf die düsteren Prognosen zum Fachkräftemangel warnt der DSTG Chef vor den drohenden Konsequenzen, sollte den Tarifforderungen nicht zugestimmt werden: “Der Staat riskiert nichts Geringeres, als dass Deutschland handlungsunfähig wird, mit katastrophalen Folgen für die Gesellschaft. Einen Haushalt ohne Gelder zu beschließen, wird auch in Zukunft nicht klappen.“
Hintergrund:
Von den Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) sind etwa 3,5 Millionen Beschäftigte betroffen: direkt ca. 1,1 Millionen Tarifbeschäftigte der Bundesländer (außer Hessen), indirekt ca. 1,4 Millionen Beamtinnen und Beamte der entsprechenden Länder und Kommunen sowie rund eine Million Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger. Es ist noch eine dritte Verhandlungsrunde vom 7. bis 9. Dezember 2023 vereinbart.