Öffentlicher Dienst der Länder
Einkommensrunde: Proteste und Warnstreiks ausgeweitet
Nachdem in der vergangenen Woche auch die zweite Runde der Verhandlungen ergebnislos endete, haben die Beschäftigten ihre Protestaktionen und Warnstreiks ausgeweitet.
Mitglieder des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD) und der Deutschen Justiz-Gewerkschaft (DJG) haben den Protest dahin getragen, wo er hingehört: in Hör- und Sichtweite der Politik. Sie forderten am 10. November 2023 vor der Justizministerkonferenz in Berlin das ein, was in diesen Zeiten eine Selbstverständlichkeit sein sollte: faire Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen. „Es geht um Respekt, der auch im Geldbeutel ankommt“, sagte Volker Geyer, dbb Tarifchef, auf der Veranstaltung. „Wir stehen geschlossen zusammen und werden nicht nachlassen, bis ein faires Lohngefüge wieder hergestellt ist. Unsere Botschaft an die TdL ist klar: Es ist Zeit für Gerechtigkeit!“
René Müller, Bundesvorsitzender des BSBD, stellte fest: „Dass das Personal in den Vollzugsanstalten und Gerichten fehlt, liegt an den herausfordernden Arbeitsbedingungen und der niedrigen Bezahlung. Die Arbeitsbedingungen werden seit Jahren nur schlechter, der Druck aufgrund des Personalmangels steigt, die Gewalt gegenüber den Beschäftigten in den Justizdiensten nimmt zu und die Inflation frisst die letzten Tariferhöhungen auf. So kann es nicht weitergehen!“ Die Gehaltsforderungen von 10,5 Prozent bei mindestens 500 Euro, seien angesichts der wirtschaftlichen Lage und der gestiegenen Lebenshaltungskosten moderat und angemessen.
Ebenfalls am 10. November fand in Hamburg ein „Knöllchenfreier Tag“ statt. Beschäftigte der Ordnungsbehörden und der Polizei, die von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) vertreten werden, haben sich an Warnstreiks beteiligt. Dadurch wurde etwa Falschparken gar nicht oder deutlich seltener geahndet. Auch die Auswertung von Radarbildern, das Aufstellen von mobilen „Geschwindigkeitsüberwachungsfahrzeugen“ sowie die gebührenpflichtige Genehmigung von Schwerlast- und Großraumtransporten wurde eingeschränkt. Alleine durch den Warnstreik beim Transport- und Genehmigungs-Management gehen nicht nur dem Staat wichtige Einnahmen verloren, auch private Logistikunternehmen müssen sich auf Einschränkungen einstellen: Ohne Genehmigungen dürfen entsprechende Transporte nicht durchgeführt werden und durch den Personalmangel hängen die zuständigen Stellen bei der Bearbeitung ohnehin mehrere Wochen hinterher.
Auf dem Gänsemarkt in Hamburg haben sich über 1.000 Beschäftigte außerdem zu einer Kundgebung vor dem Dienstsitz des Finanzsenators Andreas Dressel versammelt, wo die Beschäftigten der Finanzverwaltung, die von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft vertreten werden, bereits ab dem frühen Morgen eine Mahnwache eingerichtet hatten. Dressel ist derzeit Vorsitzender der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und damit oberster Vertreter der Arbeitgebenden. Thomas Treff, Vorsitzender des dbb hamburg, sagte auf der Kundgebung: „Alleine hier in Hamburg sind über 4.200 Stellen in der Verwaltung unbesetzt. Wenn jetzt nichts getan wird, um neues Personal zu gewinnen und die vorhandenen Kolleginnen und Kollegen zu halten, sind elementare Bereiche der Daseinsfürsorge wie Gesundheit, Bildung und Sicherheit akut bedroht.“ Michael Adomat, stellvertretender Vorsitzender des dbb hamburg, ergänzte: „Corona, Klimawandel, Kriegsfolgen: Der öffentliche Dienst ist seit Jahren im Dauer-Krisenmodus. Das gesellschaftliche Klima wird rauer und die Übergriffe auf die Kolleginnen und Kollegen nehmen zu. Mit diesen Arbeitsbedingungen ist es schwer genug, ausreichend Personal zu finden. Die Bundesländer können es sich daher schlicht nicht leisten, auch noch bei der Bezahlung abgehängt zu werden.“
Seit dem 9. November machen außerdem verschiedene Gewerkschaften mit einem täglichen Flashmob in Schwerin auf die angespannte Lage im öffentlichen Dienst aufmerksam. „Eigentlich müssten wir 365 Tage im Jahr hier stehen, um deutlich zu machen, was die Stunde geschlagen hat. Die Arbeitsbelastung hat in allen Bereichen enorm zugenommen und die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes ist damit akut gefährdet“, erklärt Michael Blanck, stellvertretender dbb Landesvorsitzender und zuständig für Tarifrecht in Mecklenburg-Vorpommern, beim Start der Aktion. „Gerade bei den tonangebenden Finanzministerien in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder scheint noch nicht angekommen zu sein, wer den Staat jeden Tag am Laufen hält.“
Bereits am 8. November kam es im Saarland zu Aktionen. Beim Warnstreik in der Straßenmeisterei Rohrbach sagte der Bundesvorsitzende der VDStra. Hermann-Josef Siebigteroth mit Blick auf den Konkurrenzkampf um Nachwuchskräfte: „Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder sind keine Angestellten zweiter Klasse. Wenn an der Saar die Leute dem Landesdienst nicht davonlaufen sollen, müssen sie anständig bezahlt werden.“ Ewald Linn, Landesvorsitzender des dbb saar, bekräftigte: „Die Zeit drängt, sonst kommen die Jungen erst gar nicht zu uns!“
Von den Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) sind etwa 3,5 Millionen Beschäftigte betroffen: Direkt ca. 1,1 Millionen Tarifbeschäftigte der Bundesländer (außer Hessen), indirekt ca. 1,4 Millionen Beamtinnen und Beamte der entsprechenden Länder und Kommunen sowie rund eine Million Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger. Zwei Verhandlungsrunden endeten ergebnislos, eine dritte wurde für den 7. bis 9. Dezember 2023 vereinbart. Alle Informationen zur Einkommensrunde gibt es unter dbb.de/einkommensrunde.
Hintergrund: