Einkommensrunde
Öffentlicher Dienst: 4.000 Beschäftigte demonstrieren in Hamburg
Bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst müssen sich die Länder bewegen – das haben tausende Beschäftigte in Hamburg deutlich gemacht.
„Die Daseinsfürsorge ist in akuter Gefahr. Es fehlen bereits heut über 500.000 Beschäftigte“, sagte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach bei der Kundgebung in Hamburg am 23. März 2023. „Wenn die Länder jetzt nicht die Kurve kriegen und die Einkommen deutlich erhöhen, wird der öffentliche Dienst personell weiter ausbluten. In den nächsten zehn Jahren verlassen über 1,3 Millionen Beschäftigte den öffentlichen Dienst und gehen in den wohlverdienten Ruhestand. Angesichts der Bevölkerungsstruktur und der Geburtenrate ist klar: Der Staat kann froh sein, wenn er die frei werdenden Stellen halbwegs wieder besetzten kann. Die fehlenden 551.500 Menschen zu finden, die sich unter den aktuellen Bedingungen in den Dienst der Gesellschaft stellen wollen, erscheint da fast utopisch.“
Die Chefs mehrerer Fachgewerkschaften unter dem Dach des dbb machten in Hamburg deutlich, mit welchen konkreten Folgen die Bürgerinnen und Bürger rechnen müssen, wenn der öffentliche Dienst personell weiter ausblutet. Heiko Teggatz, dbb Vize und Vorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft, mahnte für den Bereich der Inneren Sicherheit: „Polizeikräfte bundesweit gehen schon lange auf dem Zahnfleisch. Wenn eine Einsatzlage die nächste jagt, müssen wir irgendwann zwangsläufig priorisieren, welche Aufgaben mit welchen Ressourcen erledigt werden. Es ist aber Gift für das Vertrauen der Menschen in den Staat, wenn Verbrechensbekämpfung nur noch Mangelverwaltung ist.“
René Müller, Vorsitzender der Gewerkschaft Strafvollzug, berichtete: „Die Justiz ist am Limit. Das gilt nicht nur für die Gerichte, das gilt natürlich auch für die Justizvollzugsanstalten. Die Resozialisierung von Strafgefangenen findet kaum noch statt, weil die wenigen noch vorhandenen Kolleginnen und Kollegen darum bemüht sind, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Gleichzeitig gibt es immer mehr Übergriffe auf das Gefängnispersonal. Diese Zustände sind ein Angriff auf das Gerechtigkeitsempfinden aller anständigen Menschen – keine Wunder, dass die Politikverdrossenheit im Land immer weiter wächst.“
Florian Köbler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG), betonte die absolute Notwendigkeit eines starken linearen Tarifabschlusses sowie dessen Übertragung auf die Besoldung und Versorgung der Beamtinnen und Beamten in den Ländern, um dem Alimentationsprinzip gerecht zu werden. Er kritisierte die Politik scharf für ihre mangelnde Bereitschaft, den Tarifforderungen gerecht zu werden, und warnte vor den potenziellen Konsequenzen: „Die Politik hat einen Eid auf die Verfassung geschworen, Unheil von Deutschland abzuwenden. Es ist ein Skandal und schwerer Fehler, den Tarifforderungen nicht gerecht zu werden und damit die Handlungsfähigkeit des Staates infrage zu stellen. Wir riskieren, dass unsere besten Kräfte in die freie Wirtschaft flüchten – oder gar nicht erst kommen. Es geht schlicht darum, ob Deutschland handlungsfähig bleibt. Was ist es für ein Zeichen, wenn der Staat die Beschäftigten so bezahlt, dass sie Wohngeld beantragen müssen? Schäbig!“
Für Auszubildende fordert der dbb 200 Euro mehr pro Monat sowie die unbefristete Übernahme. Dazu sagte Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der dbb jugend: „Die Privatwirtschaft ist schon heute in vielen Bereichen deutlich attraktiver für Nachwuchskräfte. Innerhalb des öffentlichen Dienstes drohen die Länder jetzt aber auch noch von Bund und Kommunen vollends abgehängt zu werden. Wir werden aber nicht zulassen, dass die Länderchefs sehenden Auges unsere Zukunft verspielen!“
Von den Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) sind etwa 3,5 Millionen Beschäftigte betroffen: Direkt ca. 1,1 Millionen Tarifbeschäftigte der Bundesländer (außer Hessen), indirekt ca. 1,4 Millionen Beamtinnen und Beamte der entsprechenden Länder und Kommunen sowie rund eine Million Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger. Zwei Verhandlungsrunden endeten ergebnislos, eine dritte wurde für den 7. bis 9. Dezember 2023 vereinbart.
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