Bund und Kommunen
Klaus Dauderstädt: "Beamte haben im Alter nur ein Prozent mehr"
Interview von Birgit Marschall und Gregor Mayntz mit dem dbb Bundesvorsitzenden Klaus Dauderstädt in der Rheinischen Post vom 23. April 2016.
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Der Chef des Beamtenbundes verteidigt in der Tarifrunde die Sechs-Prozent-Lohnforderung im öffentlichen Dienst und die hohen Beamtenpensionen.
Sie fordern in der laufenden Tarifrunde sechs Prozent Lohnerhöhung. Warum muss ausgerechnet der öffentliche Dienst mit seinen geringen Produktivitätssteigerungen die höchsten Lohnforderungen stellen?
Klaus Dauderstädt: Wir sehen einen Rückstau bei den Lohnerhöhungen und ein Wertschätzungsdefizit, das wir korrigiert sehen möchten. Wir erwarten, dass der Staat anerkennt, was Tausende Angestellte und Beamte im öffentlichen Dienst beispielsweise in der Flüchtlingskrise leisten. Da sind Millionen von Überstunden aufgelaufen, von denen wir nicht wissen, wie sie abgegolten werden können.
Der Staat ist nicht dankbar genug?
Wir fragen uns schon, welche Prioritäten der Staat beim Geldausgeben setzt. Da wird viel für die Bankenrettung und für die Flüchtlinge ausgegeben. Da fragt unsere Basis: Dafür ist Geld da, für uns aber nicht? Uns geht es aber auch darum, den öffentlichen Dienst wieder attraktiver zu machen...
...aber jeder dritte junge Mensch will doch in den öffentlichen Dienst!
Das mag sein, im Ergebnis haben wir aber nicht genug Bewerber, vor allem bei höher qualifizierten Berufen. Richter und Staatsanwälte sagen zum Beispiel, wir dürfen bei der Bewerberauswahl nicht mehr so strenge Maßstäbe anlegen, weil wir die Planstellen sonst nicht besetzen können. Wir fordern für junge Leute bessere Arbeitsbedingungen: Ein Ende der massenhaften Befristung, höhere Ausbildungsvergütungen, eine insgesamt bessere Bezahlung. Wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig. Auch im Gesundheitswesen. Welcher Arzt geht denn in ein Gesundheitsamt, wenn er in einer privaten Klinik 2000 Euro mehr im Monat bekommt?
In finanzschwächeren Kommunen hat das Folgen: Die Gebühren steigen oder Personal wird abgebaut. Das wollen Sie den Bürgern zumuten?
Mit Gebührenerhöhungen kann man keine Lohnforderungen im öffentlichen Dienst ausgleichen. Die Steuereinnahmen sprudeln. Wenn die Bürger qualitativ wertvolle Leistungen haben wollen, muss dafür genügend Geld aufgewendet werden. Besser wir geben das Geld für einen Polizisten aus als für einen geteerten Radweg.
An welchen Orten, in welchen Einrichtungen wird der öffentliche Dienst seine Warnstreiks ausweiten?
In den Kommunen könnten nach den Krankenhäusern auch Kitas, Bürgerämter, Versorgungsbetriebe bestreikt werden. Wir planen kurzfristige Warnstreiks mit regionalen Schwerpunkten. Richtig wehtun würde ein längerer flächendeckender Streik in den kommunalen Betrieben, aber das ist im Moment nicht angesagt. Wir sind zuversichtlich, dass wir in der nächsten Verhandlungsrunde zum Abschluss kommen können. Beide Seiten wollen keine Schlichtung. Wir rechnen Ende April mit einem deutlich verbesserten Angebot der Arbeitgeber.
Ist der Personalbestand im öffentlichen Dienst den Herausforderungen der Flüchtlingskrise angepasst?
Bei Lehrern, Erziehern, Polizisten oder im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge können wir das Problem nicht von heute auf morgen lösen, allein die Ausbildung dauert drei Jahre. Uns fehlen noch immer zwischen 50.000 und 100.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst, nur um die Versorgung und Integration der Zuwanderer zu bewältigen.
Vielen Bürgern fällt auf, dass die Beamtenpensionen im Schnitt mehr als doppelt so hoch sind wie die Altersrenten. Wie rechtfertigen Sie das?
Das Land Baden-Württemberg hat 2011 eine umfassende unabhängige Studie dazu erstellen lassen. Ergebnis: Bei gleichen Berufen, gleicher Qualifikation und gleichen Erwerbsvoraussetzungen liegen die Pensionen nur um ein Prozent über der Rente. Drei Viertel der Beamten haben eine Universität oder eine Fachhochschule besucht, sie sind höher qualifiziert als der Durchschnitt der Rentner, haben deshalb durchschnittlich auch höhere Einkommen und höhere Alterseinkünfte.
...dafür hatte der Beamte aber eine lebenslange Beschäftigungsgarantie.
Das hat aber mit der Altersversorgung nichts zu tun. Der Beamte hat eine Verpflichtung abgegeben, seinem Dienstherrn lebenslang Treue zu halten...
...viele Arbeitnehmer würden ihrem Arbeitgeber sicher auch gerne lebenslang treu bleiben...
Der Arbeitnehmer kann jederzeit kündigen...
...der Beamte kann auch aussteigen.
Dann verliert er aber seinen ganzen Status.
... ja, das wäre dann so. Der Arbeitnehmer kann bei einer Kündigung ja auch seinen Status verlieren.
Der Ingenieur, der bei Bosch arbeitet, hat auch kein großes Arbeitsplatzrisiko.
Beamte sparen zusätzlich Rentenbeiträge, weil sie nicht in die Rentenkasse einzahlen müssen...
Aber dafür zahlen sie einen erheblichen Beitrag für die eigene Altersversorgung, der jährlich steigt. Das auch noch, wenn sie Pensionäre sind. Kein einziger Rentner zahlt in die Rentenversicherung ein.
Warum sollen Beamte nicht auch in die Rentenversicherung einzahlen?
Das passt nicht. Die Beamtenversorgung und die Rentenversicherung sind zwei völlig unterschiedliche Systeme. Das wäre ein Systemwechsel, der nicht mit dem Artikel 33 Grundgesetz vereinbar wäre und für den Staat noch viel teurer würde. Ein Problem ist, dass es immer noch einzelne Gruppen gibt, etwa Selbstständige, die gar keine eigene Altersversorgung aufgebaut haben. Hier plädiere ich für eine obligatorische Altersversorgung. Wir brauchen eine allgemeine Versicherungspflicht wie in der Kranken- und Pflegeversicherung auch in der Rentenversicherung.
Die Pensionslast summiert sich in den Ländern auf fast 500 Milliarden Euro. Wie sollen die das schultern?
Viele Länder haben Pensionsfonds eingerichtet und bilden Rücklagen für die Pensionen. Die Beamten verzichten dafür seit Jahren auf 0,2 Prozent bei jeder Besoldungserhöhung, damit die Haushalte nachher entlastet werden. Auch im Bund werden für neue Beamte Rücklagen gebildet, aus denen die Pension finanziert werden kann.