EU-Bedienstete
Deutschland ist in Brüssel stark unterrepräsentiert
Der Anteil der Deutschen an den EU-Bediensteten, Beamte und Bedienstete auf Zeit, ist gemessen an Deutschlands Bevölkerung in der EU zu niedrig.
Die Bediensteten der EU-Institutionen sind allein den Europäischen Verträgen verpflichtet. Trotzdem ist es nicht belanglos, welcher Herkunft sie sind. Denn jedes Land hat Besonderheiten, Deutschland beispielsweise sein in der Verfassung garantiertes Berufsbeamtentum und eine ausgerägt föderale Ordnung. Jedes EU-Mitglied hat besondere Gepflogenheiten, die es in Brüssel zu kennen und zu verstehen gilt, weil Rechtsetzungsinitiativen sonst schnell fehlerhaft beziehungsweise unbeabsichtigt zu ausbrechenden Rechtsakten werden können.
Unter dem Richtsatz
So gibt es Einigkeit in Europa, dass die Mitgliedstaaten sich angemessen im Personal der Brüsseler Institutionen wiederfinden müssen. Für alle EU-Mitgliedstaaten gibt es einen ihrem jeweiligen Bevölkerungsanteil entsprechenden Richtsatz. Dieser liegt für Deutschland bei 13,8 Prozent. Diesen Anteil an den Kommissionsbediensteten erfüllt Deutschland schon lange nicht mehr. Formal liegt eine Unterrepräsentation vor, wenn 80 Prozenz des Richtsatzes unterschritten werden. Für Deutschland liegt diese Grenze bei elf Prozent.
Über dem Richtsatz liegt Deutschland nur bei mittleren Führungskräften. Auf der höheren Führungsebene ist Deutschland mit 12,8 Prozent einigermaßen im Lot, jedenfalls noch so gut vertreten, dass formal von keiner Unterrepräsentanz gesprochen werden kann. Anders sieht es bei den Besoldungsgruppen AD5 bis AD14 aus, also im breiten Personalkörper, einschließlich künftiger Führungskräften. Dort liegt Deutschlands Anteil bei 8,2 bis 10,6 Prozent, also klar unter der Grenze.
Die Babyboomer gehen in den Ruhestand
Die Bundesregierung nimmt sich dieses Themas verstärkt an. Sowohl das Bundesinnenministerium, das in dienstrechtlichen Fragen für Austauschbeamte bei der EU und internationalen Organisationen zuständig ist, als auch das Auswärtige Amt, das mit dem Europäischen Amt für Personalauswahl EPSO zusammenarbeitet, sehen die Entwicklung mit Sorge. Denn die Babyboomer gehen bald in den Ruhestand, und dann wird Deutschland mit seinem Anteil am Kommissionspersonal noch weiter zurückfallen. Da Deutschland auf Ebene der Referenten unterrepräsentiert ist, wird es auch weniger aussichtsreiche Bewerber für künftige Führungspositionen haben, so dass auch hier ein Rückgang droht.
Ursächlich für diese Entwicklung sind eine Reihe von Faktoren. Der demografische Wandel und ein großes Angebot an attraktiven Stellen für gut qualifizierte, mehrsprachige junge Menschen in Deutschland selbst spielt eine erhebliche Rolle. Hinzu kommt, dass die europäischen Auswahlverfahren langwierig sind, mittlerweile zu lange dauern angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Außerdem sind die Verfahren besonders auf eine in romanischen Ländern vertraute Art der Bestenauslese zugeschnitten. Experten fordern deshalb schon lange eine Anpassung auch an andere Bildungssysteme und Rekrutierungspraktiken. Neben Deutschland sind vor allem die skandinavischen Länder stark unterrepräsentiert.
Unklarheit über den weiteren Weg
Aktuell scheint es Unklarheit über den weiteren Weg zu geben. Das EPSO wollte ein schlankeres, online-basiertes Zulassungsverfahren in englischer Sprache anbieten. Offiziell wurde dies nun aufgrund technischer Probleme auf Eis gelegt. Inoffiziell scheint es in Frankreich Verstimmung zu geben, weil Paris großen Wert auf die französische Sprache legt und wohl auch auf seine Gepflogenheiten bei der Bestenauslese. Während niemand in Deutschland den altehrwürdigen Concours prinzipiell in Frage stellt, wird es doch innovativer Ansätze bedürfen, um mehr Bewerbungen aus alternden EU-Staaten mit Arbeitnehmermärkten zu bekommen.