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Gastbeitrag von Dr. Anna-Maija Mertens, Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland

Deutschland und Europa auf dem Scheideweg

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Deutschland und Europa stehen an einem Wendepunkt. Die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar ist nicht nur für die nationale Politik, sondern auch für Europa richtungsweisend.

Zahlreiche andere EU-Mitgliedstaaten schauen nach Deutschland und hoffen auf eine starke, proeuropäische Bundesregierung. Aber nicht nur unsere Nachbarstaaten haben diese Hoffnung. Auch die Menschen in Deutschland wünschen sich mehr Klarheit in Sachen deutsche EU-Politik. Während die Bundesregierung ihren Einfluss in Brüssel durch unklare und oft zu späte Positionierungen verspielt, unterstreichen die Bürgerinnen und Bürger die Bedeutung der EU-Mitgliedschaft für Deutschland. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Europäischen Bewegung Deutschland e.V. (EBD) halten 80 Prozent der Menschen die EU-Mitgliedschaft Deutschlands für (sehr) wichtig. Besonders die junge Generation ist pro-europäisch: Bei den 18- bis 29-Jährigen sind es sogar 88 Prozent.

Allerdings legt die Umfrage auch die Enttäuschung der Bürgerinnen und Bürger über die Nichterfüllung vieler Aufgaben durch die EU-Institutionen offen. So sagen beispielsweise 66 Prozent der Befragten, dass die EU zu wenig Anreize für wirtschaftliches Wachstum in den Mitgliedstaaten schafft. 88 Prozent kritisieren, dass die EU die Verteilung von Geflüchteten unzureichend bewältigt. Zudem sehen 62 Prozent die EU nicht in der Lage, die Demokratie ausreichend vor Bedrohungen von innen und außen zu schützen.

Hieraus ergeben sich klare Aufgaben für die neue Bundesregierung: Obwohl die Bedeutung der EU für Deutschland als hoch eingestuft wird, glauben nur 34 Prozent der Befragten, dass Deutschland weiterhin eine Führungsrolle in der EU einnimmt. Diese Diskrepanz ist ein Handlungsauftrag für die neue Bundesregierung.

Wenn wir jetzt nicht handeln, riskieren wir, dass Deutschland und Europa ihren Aufgaben und ihrer Verantwortung gegenüber den Europäerinnen und Europäern nicht gerecht werden. Gerade jetzt, in Zeiten globaler Krisen und großer Herausforderungen, müssen die Probleme gemeinsam auf europäischer Ebene angegangen werden; auch die größten Mitgliedsstaaten werden es ohne die europäischen Verbündeten nicht schaffen. 

Nationale Alleingänge und kurzfristige populistische Strategien werden keine Lösungen generieren, sondern verstärken die Abwärtsspirale und die Politikverdrossenheit. Mehr und strategischere Zusammenarbeit unter den EU-Mitgliedstaaten ist daher unerlässlich. 

Vor diesem Hintergrund fordert die EBD, dass Europa und die europäischen Lösungen in die Politik aller demokratischen Parteien integriert werden.

Aufgrund der mangelnden Koordinierung der Europapolitik durch die Bundesregierung, der unklaren und zu späten Positionierungen zu wichtigen europapolitischen Themen fordern wir ferner eine grundlegende Reform der Europapolitik-Koordinierung. Hierfür haben wir einen Europaplan entwickelt. Dieser sieht vor, dass die politische Leitungsebene der Bundesregierung Verantwortung für die EU-Dossiers übernimmt; der in Brüssel kritisierte sogenannte "German Vote" würde damit der Vergangenheit angehören.

Doch wir können mehr als nur Kritik. Die EBD bietet einen einzigartigen Raum für Dialog und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Kräften und der Politik. Gemeinsam mit unseren über 240 Mitgliedsorganisationen – darunter auch der dbb – engagierten wir uns auch im Rahmen unserer Netzwerk-Kampagne zur Europawahl 2024. Dieser Dialog und der Zuspruch dieser wichtigen Institutionen gegenüber der europäischen Integration ermutigt uns, uns auch weiterhin zuversichtlich für ein geeintes Europa einzusetzen.

Viele der großen Herausforderungen unserer Zeit erfordern Mut, Entschlossenheit und Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, ein starkes, demokratisches und geeintes Europa zu gestalten. Die Europäische Bewegung Deutschland wird auch in den kommenden Jahren eine verlässliche Partnerin und treibende Kraft für europapolitische Fortschritte sein.

 

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