Gespräch mit Ramona Pop
Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, spricht über die Relevanz der EU für den Verbraucherschutz und ihre Forderungen an die europäische Gesetzgebung.
dbb europathemen: Warum ist die EU für den Verbraucherschutz wichtig?
Pop: Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie sehr die EU den Verbraucheralltag beeinflusst. Es sind zum Beispiel EU-Regeln, die Verbraucherinnen und Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken bewahren oder für starke Passagierrechte sorgen. Europäische Gesetze hegen Big-Tech-Unternehmen ein und stärken damit die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegenüber Anbietern. Durch die EU haben wir außerdem seit vergangenem Jahr ein neues Sammelklageinstrument, mit dem Verbraucherorganisationen direkt Entschädigungen bei Unternehmen einklagen können.
dbb europathemen: Was sind Ihre wichtigsten Forderungen an die europäische Gesetzgebung?
Pop: Bei der Transformation hin zu einer digitaleren und nachhaltigen Wirtschaft dürfen die neuen Abgeordneten und Kommissionsmitglieder Verbraucherthemen nicht aus dem Blick verlieren. Die Menschen brauchen Sicherheit, gerade in Zeiten des Umbruchs.
Das Verbraucherrecht stammt zu einem großen Teil noch aus analogen Zeiten. Es braucht dringend ein Update, damit es auch im digitalen Raum fair zugeht zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern und Unternehmen. Derzeit gibt es kaum effektive Vorgaben für Unternehmen, ihre Webseiten und Apps fair zu gestalten. Stattdessen nutzen Unternehmen die Schwächen ihrer Kundinnen und Kunden gezielt aus. Da gibt es willkürlich erscheinende Rabatte, fragwürdige Nutzerbewertungen und manipulative Designs. Die EU muss Verbraucherinnen und Verbraucher davor besser schützen.
Wir haben aber auch andere Themen im Blick – zum Beispiel den Verkehrssektor. Damit er nicht zum Stromfresser wird, müssen E-Autos Strom möglichst effizient nutzen. Dabei geht es nicht nur um den Energieverbrauch im Betrieb. Autos müssen unter Berücksichtigung ihres gesamten Lebenszyklus bewertet werden. Das ist gut für die Umwelt und senkt die Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher.
dbb europathemen: Wie stehen Sie zu Forderungen nach weniger europäischer Regulierung?
Pop: Aus verbraucherpolitischer Sicht ist die EU eine Erfolgsgeschichte. Der europäische Binnenmarkt schafft einheitliche Regeln für alle EU-Bürgerinnen und -Bürger und auch für die Unternehmen. Davon profitieren wir alle im Verbraucheralltag. Ein Binnenmarkt ohne gemeinsame Regeln würde nicht funktionieren, das Nachsehen hätten Verbraucherinnen und Verbraucher. Aber natürlich muss Regulierung gut gemacht sein, damit sie gut einzuhalten und durchzusetzen ist.
dbb europathemen: Welche Bedeutung hat die öffentliche Verwaltung für den Verbraucherschutz?
Pop: Damit der Staat seiner Aufgabe nach Schutz der Verbraucherinteressen nachkommen kann, muss die Verwaltung modern und schlagkräftig aufgestellt sein. Ob im Bereich Mobilität und öffentlicher Nahverkehr, Energie oder Gesundheit: Beispiele, die zeigen, wie wichtig die öffentliche Verwaltung für den Verbraucherschutz ist, sind so vielfältig wie der Verbraucherschutz selbst. Da gibt es etwa die Marktüberwachungsbehörden, deren Kontrollen sehr wichtig für den Schutz vor Gesundheitsrisiken sind. Die Kartellbehörden wachen über den Wettbewerb zwischen Unternehmen, damit Verbraucherinnen und Verbraucher keine überhöhten Preise zahlen. Wir setzen uns seit langem für ein Klimageld ein, bei dessen Auszahlung es auch auf die öffentliche Verwaltung ankommt. Auch Lehrerinnen und Lehrer können sich für Verbraucherschutz einsetzen, indem sie ihre Schülerinnen und Schüler möglichst gut auf ihren Alltag als Verbraucher vorbereiten.
dbb europathemen: Bürgerinnen und Bürger haben Rechte und Pflichten; gilt das auch für Verbraucherinnen und Verbraucher?
Pop: Als Verbraucherin oder Verbraucher hat man zum Beispiel Gewährleistungsrechte. Bei Mängeln an einem Produkt erhält man einen Ersatz oder eine Reparatur. Kauft man Ware im Internet, am Telefon oder an der Wohnungstür oder schließt dort einen Vertrag ab, hat man in der Regel ein Widerrufsrecht von 14 Tagen. Pflichten gibt es auch: An einen Kaufvertrag etwa müssen sich beide Seiten halten, als Verbraucherin muss ich zum Beispiel den vereinbarten Kaufpreis bezahlen. Und auch manche Bürgerrechte sind wichtig für den Verbraucherschutz, damit sind wir wieder beim Thema Europawahl – die Wahlentscheidung hat letztendlich auch Einfluss auf den Verbraucheralltag.