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Interview mit Lutz Supplitt und Joachim Wuermeling

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Digitaler Euro: Wie verändert er Zahlungen in Europa und welche Chancen bietet er der Bundesbank?

Lutz Supplitt ist Bundesvorsitzender der VdB Bundesbankgewerkschaft und Vorsitzender des Hauptpersonalrats

Joachim Wuermeling ist Executive in Residence bei dem Institute for Deep Tech Innovation und war bis 2023 Mitglied im Vorstand der Deutschen Bundesbank

 

Europathemen: Was ist der digitale Euro?

Wuermeling:  Geld der Zentralbank kann verschiedene Formen annehmen. Wir können heute Münzen, Geldscheine oder Kontoguthaben. Der digitale Euro repräsentiert den Euro demgegenüber in digitaler Form in einem geschützten Datensatz.  Der Euro ist aber derselbe, auch wenn er nun in einer digitalen Version zur Verfügung gestellt wird. Allerdings hat digitales Geld viele Funktionen und Vorteile gegenüber der alten Welt von Bargeld und Bankkonten.

Europathemen: Was genau sind denn die Vorteile? Was kann man mit dem digitalen Euro besser machen? Vor allen Dingen auch mit Blick auf die öffentliche Verwaltung, auf den Staat?

Wuermeling: Der digitale Euro ist ein Zahlungsmittel, das alle anderen Zahlungsmittel ersetzen kann, wenn man das möchte: Im Geschäft, im Internet-Handel, zwischen Privatpersonen, bei Behörden – und das in ganz Europa Das bedeutet: Man muss nicht mehr eine Vielzahl von Karten, Girokarten und Kreditkarten nutzen und zusätzlich Apps von PayPal oder Apple herunterladen. Das ist praktisch. Die Zahlungen sind außerdem schneller, sie sind günstiger und sie sind auch sicherer als die kontobasierten Zahlungen. Während die meisten, auch die inländischen Zahlungen heute über US-Firmen und Systeme geleitet werden, nutzt der digitale Euro ausschließlich europäische Infrastrukturen.

Europathemen: Wie schauen denn die Kolleginnen und Kollegen der Bundesbank auf dieses Projekt? Wie schaut der VdB als Gewerkschaft auf den digitalen Euro?

Supplitt: Das Projekt digitaler Euro wird interessiert wahrgenommen, aber noch nicht in dem Umfang, wie es vielleicht anzunehmen wäre. Hintergrund ist, dass der digitale Euro als ein Projekt in dem Programm „Wandel“ gesehen wird und das ist das derzeit beherrschende Thema. Mit dem Programm „Wandel“ soll die Bundesbank für die Herausforderungen der Zukunft aufgestellt werden, wozu unter anderem auch eine Organisationsmodernisierung gehört. Das Programm ist gerade in den Transformationsprozess gestartet und bringt Stellenstreichungen mit sich. Der Bereich des digitalen Euro ist der einzige, in dem aktuell neue Stellen geschaffen beziehungsweise aufgebaut werden. Damit sehen etliche Kolleginnen und Kollegen Chancen in diesem Aufgabenbereich. Der digitale Euro bietet berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und wird von einigen als eine einmalige Gelegenheit gesehen, an einer Innovation mitzuarbeiten und diesen digitalen Euro mitzugestalten. Folglich sind all diejenigen, die an diesem Projekt arbeiten, mit hoher Begeisterung dabei. Für die anderen hingegen ist der digitale Euro ein Projekt, mit dem sie derzeit vielleicht noch nicht so viel anfangen können. Schließlich wird die mögliche Einführung nicht vor 2028 oder 2029 gelingen. Bei einem Zeithorizont von vier bzw. fünf Jahren ist der digitale Euro für viele noch ferne Zukunft.

Und wie schauen wir als Gewerkschaft darauf? Als VdB Bundesbankgewerkschaft freuen wir uns über die Vorstandsentscheidung, dass der digitale Euro für die Bundesbank eine Top-Priorität hat. Durch die aktive Mitarbeit der Bundesbank bei der Entwicklung der digitalen Währung wurde bzw. wird weiterhin ein zukunftsweisender Bereich mit interessanten Aufgaben und Tätigkeiten aufgebaut. Als Gewerkschaft begrüßen wir selbstverständlich die Einrichtung zusätzlicher Stellen.

Aus meiner Arbeit in der dbb Fachkommission Wirtschaft und Steuerrecht kenne ich den Wunsch der Kolleginnen und Kollegen der Finanz- und Steuerverwaltung, die sich immer wieder für Obergrenzen bei der Barzahlung einsetzen. Der digitale Euro wäre bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und der Geldwäsche aus Sicht der DSTG und dem BDZ sicherlich hilfreich. Insofern verweise ich gerne auf die kommende digitale Währung, wobei der digitale Euro kein Surrogat für das Bargeld sein soll.

Europathemen: Bedeutet dies das Ende des Bargelds?

Supplitt: Der digitale Euro komplettiert das Bargeld und wird es nicht ersetzen. Unabhängig vom digitalen Euro sehen wir bereits seit einigen Jahren bei der Bargeldnutzung einen rückläufigen Trend.  Die Gründe sind vielfältig und liegen unter anderem in der Zunahme der Kartenzahlungen, die insbesondere von der jüngeren Generation favorisiert werden. Ich möchte allerdings betonen, dass der Vorstand der Deutschen Bundesbank eine Bargeldstrategie beschlossen hat, mit der er sich zum Bargeld bekennt. Mit dieser Entscheidung wurde eine Konsolidierung und die Modernisierung des Filialnetzes beschlossen. Das bedeutet es werden Filialen geschlossen, aber es sind auch Neubauten geplant. Die damit einhergehenden Investitionen zeigen deutlich, dass die Bundesbank weiterhin auf ihr Kernprodukt das Bargeld setzt.

Europathemen: Sie sprachen auch von zusätzlichen Funktionalitäten gegenüber dem analogen Geld. Welche sind das?

Wuermeling: Die entscheidende zusätzliche Funktionalität liegt darin, dass man den digitalen Euro programmieren kann. Damit kann man Zahlungen automatisierten, für den Fall, dass eine Leistung erbracht wurde oder eine andere Bedingung eingetreten ist. Der Zahlungsvorgang als solcher könnte dann entfallen. Das führt zu enormen Effizienzgewinnen, aber auch zu neuen Geschäftsmodellen, zum Beispiel Zahlung für Nutzung statt Kauf.

Europathemen: Wäre das auch ein Thema für die öffentliche Verwaltung?

Wuermeling: Aber ja! Man könnte Verwaltungsvorgänge, bei denen Zahlungen eine Rolle spielen, vollständig oder „End-to-End“ automatisieren, also mit der Bezahlung. Heute ist es doch so: Jeder digitalisierte Verwaltungsvorgang wird unterbrochen, wenn bezahlt werden muss. Denn dann muss jemand eine Überweisung ausführen, an einer Kasse Bargeld vorlegen oder irgendwo eine Karte einstecken. Zum Beispiel könnte die Gebühr für eine Kfz-Anmeldungen automatisch in dem Moment transferiert werden, indem der Bürger die Zulassungsstelle mit dem neuen Kfz-Schein verlässt. Das kann man für unendlich viele Verwaltungsvorgänge durchspielen, beim Einnehmen vom Geld durch den Staat, aber auch beim Ausgeben. Leider muss ich aber feststellen, dass sich in der Verwaltung bisher für diese Funktionalität niemand interessiert. Vor dem Hintergrund, dass wir bald die wenigen noch verfügbaren Mitarbeiter für andere Aufgaben als Zahlvorgänge brauchen, ist das umso verwunderlicher.

Europathemen: Welche Priorität hat das Vorhaben für die Europäische Zentralbank? 2028 oder sogar 2029, wie Herr Supplitt gerade sagte, das ist noch weit weg.

Wuermeling: Für so ein anspruchsvolles IT- Projekt ist das kein wirklich langer Zeitraum. Schließlich muss eine gewaltige Infrastruktur aufgebaut werden. Sicherheit steht dabei an höchster Stelle, denn es geht um Geld für viele Menschen und Unternehmen. Wir reden hier von der gesamten Eurozone mit 350 Millionen Einwohnern. Da kann man sich keine Patzer leisten.

Europathemen: Was passiert denn bis dahin?

Wuermeling: Die EZB treibt die Vorbereitungen mit großer Verve voran. Das Projekt soll Ende 2025 konzeptionell abgeschlossen sein. Und dann schließt sich eine Phase von Versuchen und Testläufen an, für die man sich viel Zeit genommen hat, damit das Ganze am Ende funktioniert. Weil jede Transaktion von der EZB validiert werden muss, braucht es ein ziemlich großes, leistungsfähiges digitales System, das jede Sekunde über Hunderttausende von Transaktionen freigibt.  Daneben gibt es die fortgeschrittenen Anwendungen, oder sagen wir den smarten digitalen Euro, der die Programmierung von Zahlungen erlaubt, wie eben erläutert. Schließlich gibt es noch die Transaktion zwischen den Finanzunternehmen, die normalerweise über Bundesbankkonten abgewickelt werden. Das sind nochmal wieder andere Anforderungen.

Europathemen: Was ist mit der Cybersicherheit?

Wuermeling: Die ist bei allen Anwendungen im Finanzbereich eine große Herausforderung, genauso wie die Vertraulichkeit einer Zahlung. Allerdings beruhen auch alle traditionellen Finanzinfrastrukturen auf IT-Systemen, ob das beispielsweise eine Überweisung ist oder eine Transaktion an einem Terminal in einem Geschäft ist. Insofern stellt sich die IT-Sicherheitsfrage im Finanzsektor überall und nicht nur bei dem digitalen Euro. Bisher ist es jedenfalls gelungen, ich klopfe auf Holz, die zentralen Finanzinfrastrukturen mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten und unter Beachtung der hohen gesetzlichen Anforderungen störungsfrei zu halten.

Europathemen: Wie kann man verhindern, dass der digitale Euro ein gefundenes Fressen für die Europagegner wird?

Supplitt: Dass die Euro- oder Europagegner dieses Themas aufgreifen werden, wird weder die Bundesbank noch die Europäische Zentralbank verhindern können. Insofern stellt sich vielmehr die Frage, wie dem begegnet werden kann. Die europafeindlichen Populisten werden den digitalen Euro sicherlich nur als eine neue Facette der gemeinsamen Währung sehen. Somit ist ihre ablehnende Haltung und die dabei an den Tag gelegte Argumentationsstrategie bekannt. Mit Falschinformationen sowie dem Schüren von Ängsten wird versucht werden, Stimmung gegen den digitalen Euro zu machen. Genau an diesem Punkt muss angesetzt werden. Es ist wichtig, die Bevölkerung frühzeitig zu informieren und dabei die wesentlichen Vorteile in den Vordergrund zu stellen. Das Interesse am digitalen Euro ist in der Bevölkerung durchaus vorhanden. Bei einer öffentlichen Veranstaltung der Bundesbank Mitte September in der Hauptverwaltung in Frankfurt am Main verdeutlichte der hohe Zuspruch zu den Kurzvorträgen zum digitalen Euro das große Interesse. Insofern erachte ich frühzeitige Informationsveranstaltungen als zielführend.

Entscheidend werden sicherlich die Kommunikations- und Informationskampagnen zum Einführungszeitpunkt sein. Mit aussagekräftigen Fakten muss die breite Öffentlichkeit erreicht werden. Und wie es gerade eben schon von Herrn Wuermeling angesprochen wurde, sollten die Vorteile, wie die schnelle, sichere und europaweite Zahlungsmethode, im Vordergrund stehen. Was ich darüber hinaus noch als Vorteil sehe, ist natürlich eine gewisse Unabhängigkeit von den transatlantischen Anbietern. Diesen Aspekt sollten wir immer im Blick haben.

Wuermeling: Dem kann ich nur zustimmen. Während des Europawahlkampfs hat der digitale Euro kaum eine Rolle gespielt. In einigen wenigen Mitgliedstaaten hat es ein paar kritische Diskussionen gegeben, in den Niederlanden oder in Österreich. Da gab es Befürchtungen, es sollte das Bargeld abgeschafft und der gläserne Bürger geschaffen werden. Weder das eine noch das andere ist der Fall So hat die Kampagne auch nicht richtig verfangen hat. Das hat auch mit dem grundsätzlichen Vertrauen hierzulande zum Beispiel in die Bundesbank zu tun. Ein warnendes Beispiel ist hier die Diskussion in den USA, wo sich tatsächlich die populistische Erzählung verfestigt hat, dass die Freiheit des Amerikaners mit einem digitalen Dollar eingeschränkt würde, weil alles sichtbar würde für den Staat.  Das hat zu einer kompletten Blockadehaltung in den USA geführt. Am langen Ende kann das tatsächlich zur Folge haben, dass wir als Europäer einen echten Vorteil haben, weil wir ein modernes digitales Zahlungsmittel auch für die Industrie einführen, während die USA sich wegen Verschwörungstheorien daran hindern lassen.

 

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