Nationaler Aufbauplan
Sozialpartner und Zivilgesellschaft bemängeln die bisherige Einbindung
Sozialpartner und organisierte Zivilgesellschaft kritisieren mangelnde Beteiligung bei der Gestaltung des Nationalen Aufbauplans und fordern eine stärkere Einbindung.
Die Pandemie hat eine Menge Leid gebracht, Europa auch wirtschaftlich ausgebremst. Mit der Aufbau- und Resilienzfazilität „Next Generation EU" hat die EU viel Geld in die Hand genommen, um mit Darlehen und Zuschüssen zu helfen. Die Mitgliedstaaten konnten nationale Aufbaupläne aufstellen und so Investitionsziele ausweisen. Deutschland erhält Zuschüsse, um Modernisierungsprojekte voranzutreiben.
Einige Mitgliedstaaten bezogen ihre Zivilgesellschaft in die Gestaltung der Investitionsvorhaben aktiv ein. Nicht so Deutschland. Das wurde am 9. Juni während des Besuchs einer Delegation des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) in Berlin deutlich.
Die EWSA-Delegation erkundigte sich bei den geladenen Repräsentanten der deutschen Sozialpartner und weiterer zivilgesellschaftlicher Organisationen nach ihrer Beteiligung an der Entwicklung des deutschen Aufbauplans. Die Teilnehmenden erklärten ausnahmslos, die Regierung habe sie kaum oder überhaupt nicht bei der Gestaltung des Aufbauplans konsultiert. Für die dbb Bundesgeschäftsstelle nahm der Volkswirt Rüdiger Hess an dem informellen Austausch teil.
Die Teilnehmenden formulierten die Erwartung, in Zukunft in vergleichbaren Fällen Berücksichtigung zu finden. Das gelte insbesondere für den Zyklus der wirtschaftspolitischen Koordinierung, das Europäische Semester, in dem regelmäßig Reformbedarfe ermittelt werden. Die Modernisierungsvorhaben im Rahmen der nationalen Aufbaupläne stehen in enger Verbindung mit dem Europäischen Semester, für das es allerdings per se keine EU-Gelder gibt, sondern lediglich unverbindliche Reformempfehlungen.
Professor Bernd Schlüter, Vertreter der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege im EWSA, bestätigte, auch seine Organisationen seien nicht gefragt worden. Schlüter sieht Handlungsbedarf: „Wir reden aktuell zu Recht viel über die Stärke unserer Demokratien. Sozialpartner und Zivilgesellschaft sind tragende Säulen unserer freiheitlichen Ordnung. Die Regierung täte gut daran, diese gesellschaftlichen Kräfte aktiver zu beteiligen und bei ihren Vorhaben effektiv zu Rate zu ziehen." Es sei auch Aufgabe des EWSA als beratendes EU-Organ, auf Defizite der zivilgesellschaftlichen Beteiligung an zentralen europäischen Politiken hinzuweisen, so Schlüter.
Der dbb fordert schon lange eine bessere Beteiligung am Europäischen Semester. Immerhin gibt es Signale aus der Bundesregierung, dass die Verbände in Zukunft stärker als bisher teilhaben werden. Bisher findet die Beteiligung überwiegend im Rahmen der Gespräche zum Jahreswirtschaftsgutachten statt. Das betrachteten die Verbände, die am 9. Juni zu dem Austausch ins Europäische Haus am Pariser Platz in Berlin kamen, als nicht ausreichend. Zum Test kommt es, wenn nach der Sommerpause der neue Zyklus des Europäischen Semesters beginnt.