Stellungnahme
Kommissionsinitiative zur Stärkung und Förderung des sozialen Dialogs
Brüssel erwartet mehr von den europäischen Sozialpartnern. Aus einer aktuellen Mitteilung spricht Unzufriedenheit mit dem Sozialen Dialog.
Der europäische soziale Dialog beinhaltet Diskussionen, Konsultationen, Verhandlungen und gemeinsame Aktionen, an denen Organisationen der Sozialpartner, sowohl von Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite, beteiligt sind. In diesem Zusammenhang gibt es auf der einen Seite einen dreiseitigen Dialog unter Beteiligung öffentlicher Behörden und auf der anderen Seite einen zweiseitigen Dialog zwischen den europäischen Arbeitgeber- und Gewerkschaftsorganisationen. Dieser findet auf branchenübergreifender Ebene und in den Ausschüssen für den sektoralen sozialen Dialog statt.
Die Kommission legte Ende Januar eine Initiative zur weiteren Stärkung und Förderung des sozialen Dialogs mit konkreten Maßnahmen auf nationaler und EU-Ebene vor. Mit der Initiative soll der soziale Dialog befähigt werden, sich an die sich verändernde Arbeitswelt und neue Trends auf dem Arbeitsmarkt vor dem Hintergrund des Übergangs zu einer digitalen und klimaneutralen Wirtschaft und der Entstehung neuer Formen der Beschäftigung anzupassen.
In dem Kontext plant die Kommission den regelmäßigen sektorübergreifenden dreiseitigen Austausch mit dem beratenden Beschäftigungsausschuss (EMCO) und dem Ausschuss für Sozialschutz (SPC) des Ministerrats weiter zu fördern.
Außerdem sollen die sektorübergreifenden Sitzungen des EU-Ausschusses für den sozialen Dialog zu arbeitsmarktrelevanten Themen wie Qualifikationsdefizite oder gerechte Übergänge ausgeweitet werden. Die sektorübergreifenden Sozialpartner sollen gezielt zu ihren politischen Prioritäten konsultiert werden, bevor die jährlichen Arbeitsprogramme der Europäischen Kommission erstellt werden.
Ferner sollen die in den EU-Verträgen vorgeschriebenen politischen Konsultationen noch stärker auf die sektorübergreifenden Sozialpartnerstrukturen zugeschnitten werden.
Es wird darüber hinaus beabsichtigt, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen, um die Mitgliedsorganisationen der Sozialpartner für die EU-Politik und die Arbeitsmarktinstitutionen zu sensibilisieren.
Bewertung des dbb
Der dbb stimmt generell der Feststellung zu, dass die Regelungen des sozialen Dialogs in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind, was die Rolle der Tarifverhandlungen bei der Festlegung der Arbeitsbedingungen, die Kapazität und die Mitgliedschaft der Organisationen, die formalen Strukturen für die Beteiligung der Sozialpartner an der Politikgestaltung und -umsetzung sowie ihre politische Bedeutung betrifft. In diesem Zusammenhang bewertet es der dbb als kritisch, dass die Mitgliedstaaten in der Ratsempfehlung in Paragraph 1 dazu aufgerufen werden, ILO-Konventionen zu ratifizieren und effektiv umzusetzen. ILO Konvention 87 kann so ausgelegt werden, dass Beamtinnen und Beamte, die keine hoheitlichen Aufgaben innehaben, das Streikrecht haben. Der dbb bekennt sich dazu, dass die Koalitionsfreiheit durch die mit Verfassungsrang – in Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes – verankerten beamtenrechtlichen Strukturprinzipien geprägt und eingeschränkt ist. Also, dass das Rechtsverhältnis des Beamten durch den Gesetzgeber und nicht durch Tarifvertrag geregelt wird und dass im Konfliktfall die Durchsetzung der Interessen durch Streik nicht möglich ist.
Der dbb kritisiert, dass die europäischen branchenübergreifenden Sozialpartner und ihre nationalen Mitglieder bereits in vielen Foren unterstützt und konsultiert werden, darunter das Europäische Semester, der Triparte-Sozialgipfel, der makroökonomische Dialog und die so genannten Dedicated Hearings. Auch im Ausschuss für den sozialen Dialog, im EMCO und im SPC werden sie bereits gehört. Der dbb schlägt vor, dass anstatt sich noch mehr auf die sektorübergreifenden Sozialpartner zu konzentrieren, eine bessere Einbeziehung der unabhängigen sektoralen Sozialpartner und ihrer nationalen Mitglieder einen tatsächlichen Mehrwert für die Politikgestaltung und den sozialen Dialog bringen kann.
Der dbb begrüßt die angekündigten Pläne zur Überprüfung der Methodik von Repräsentativitätsstudien, die in mehrfacher Hinsicht auf etablierte Sozialpartnerorganisationen ausgerichtet sind und weiteren oder neuen Akteuren in den Wirtschaftssektoren nicht den gleichen Spielraum lassen.
In diesem Kontext erhofft sich der dbb, dass ein neuer Ansatz den Weg für differenziertere Schlussfolgerungen der Studien ebnen und sicherstellen kann, dass sich ihre Ergebnisse auch in der Zusammensetzung und Repräsentativität der Ausschüsse widerspiegeln.
Die Ratsempfehlung sieht eine nicht näher definierte Stärkung der Fähigkeiten der nationalen Sozialpartnerorganisationen vor, auf EU-Ebene geschlossene Sozialpartnervereinbarungen umzusetzen und erwähnt in diesem Zusammenhang auch die Repräsentativität der nationalen Organisationen. Für den dbb wird nicht ersichtlich, wie hier die Fähigkeiten der Sozialpartner gestärkt werden sollen. Der dbb warnt, dass eine wie auch immer geartete Stärkung durch den Staat die Tarifautonomie unterlaufen und auch zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Gewerkschaften führen könnte, wo wie in Deutschland Gewerkschaftspluralismus besteht.
Auch wird empfohlen, Mittel in „angemessener Höhe“ aus dem Europäischen Sozialfonds ESF+ für die Stärkung ihrer Sozialpartner zur Verfügung zu stellen. Für den dbb stellt sich hier die Frage der Unabhängigkeit der Sozialpartner und etwaiger Wettbewerbsverzerrungen.
Der dbb begrüßt, dass die Kommission die Sozialpartner aufruft, die Teilhabe aller relevanten repräsentativen Europäischen Sozialpartnerorganisationen am europäischen sozialen Dialog zu fördern. Jedoch fordert der dbb hier von der Europäischen Kommission als Finanzier und Organisator des europäischen sozialen Dialogs klare Schritte, wenn etablierte sektorale Sozialpartner den Eintritt anderer repräsentativer Gewerkschaftsorganisationen aus Eigeninteressen blockieren.