Digital – Die Kraft der Veränderung
Der öffentliche Dienst muss bei seinen digitalen Angeboten eine gesunde Fehlertoleranz entwickeln: Nicht alles muss von Anfang an perfekt und ausgereift sein. Auf dem Weg zum Ziel dürfen alle Beteiligten weiter lernen und die digitalen Produkte stetig optimieren.
Die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ist in vollem Gange.
Auch der öffentliche Dienst muss die Chancen der digitalen Technologien endlich wertschöpfend nutzen – materiell wie ideell. Wenn der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern, in deren Alltag digitale Anwendungen und Dienstleistungen längst gang und gäbe sind, noch immer analog gegenübertritt und PDF-Formulare das höchste der Gefühle sind, ist das im Jahr 2020 einfach zu wenig. Auch die Beschäftigten zählen übrigens zu diesen Bürgerinnen und Bürgern und haben zu Hause häufig deutlich bessere technische Standards als in ihrer Behörde oder Verwaltung. Diese „Steinzeit“ muss ein Ende haben.
Die Kraft des Digitalisierungsfortschritts kann – richtig eingesetzt und sensibel weiterentwickelt – Deutschlands öffentlichen Dienst auch im digitalen Zeitalter zu einem der besten in der ganzen Welt machen. Entscheidend ist, sich nun endlich auf den Weg zu begeben und gemeinsam mit den Beschäftigten sinnvolle technische Lösungen zu entwickeln – agil im besten Sinne: Von Nutzenden und Benutzenden her gedacht, zielgruppengerecht ausgestaltet, kompatibel über alle Gebietskörperschaften, Behörden- und Verwaltungsebenen hinweg und versehen mit einer gesunden Fehlertoleranz: Nicht alles muss von Anfang an perfekt und ausgereift sein. Auf dem Weg zum Ziel dürfen alle Beteiligten weiter lernen und die digitalen Produkte stetig optimieren. Entscheidend ist, dass das digitale Innovationskapitel für den öffentlichen Dienst jetzt aufgeschlagen wird.
Die Potenziale, die die technologische Veränderung dem öffentlichen Dienst der Zukunft bietet, sind enorm: Im Zuge der Automatisierung einfacher Tätigkeiten, die heute noch weite Teile des Personals binden, und weitreichender Prozessoptimierung können freiwerdende Kapazitäten in ein nachhaltiges Plus an Service und Beratung, in Dienst am Menschen investiert werden. Die Digitalisierung bietet zudem die Chance, Wissen zu vernetzen, innerhalb von Verwaltungen, über Behördengrenzen, ja auch über Landesgrenzen hinweg. So kann der öffentliche Dienst flächendeckend schneller und effektiver werden.
Auch aus der Perspektive der Beschäftigten sind die Digitalisierungsgewinne, etwa in punkto flexiblere Arbeitszeit- und -ort-Modelle, nicht zu unterschätzende Motivationseffekte. So ein Staat, so ein Staatsdienst, macht stark – und sicher auch stolz, und das zurecht.
Die Menschen müssen auch zukünftig im Mittelpunkt stehen. Es wird daher unabdingbar sein, die Frage der „Ethik“ in der Digitalisierung aufzugreifen, zu analysieren und Lösungen zu schaffen, um einer Entgrenzung entgegenzuwirken. Maßgebend ist immer der Blick auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Belastungssituationen wahrgenommen werden müssen. Der Einsatz intelligenter Technik kann ebenso zur Entwertung von Qualifikationen führen wie zu wachsenden Belastungen, wenn die „Automatik“ nur noch schwere und komplizierte Vorgänge zur Bearbeitung auswirft. Digitalisierung führt in vielen Bereichen, die nicht unmittelbar im Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern stehen, potenziell zu einer geringeren Erkennbarkeit der Arbeit und der Ergebnisse der/des Einzelnen. Deshalb ist es wichtig, auch künftig für sinnvolle Arbeitsinhalte zu sorgen, die sich weder in gleichförmigen Vorarbeiten für die automatisierte Verarbeitung erschöpfen, noch in der „Beurkundung“ von Entscheidungen, die bereits digital getroffen wurden und deren Algorithmus kaum mehr nachvollziehbar ist.
Voraussetzung für das Gelingen der digitalen Transformation des öffentlichen Dienstes ist die zwingende Umsetzung des Prozesses gemeinsam mit den Beschäftigten, die das unersetzbare fachliche Know-how in ihrem jeweiligen Gebiet mitbringen und Arbeitgebern/Dienstherrn klar die Grenzen digital möglicher Entgrenzung aufzeigen können, unterstützt von ihren Interessenvertretungen. Flankiert werden muss der Modernisierungs- und Digitalisierungsprozess mit ausreichenden und passgenauen Ausbildungs- und Qualifizierungsangeboten, die den Beschäftigten verbindlich zustehen und sie fit für die Herausforderungen von morgen machen – ein Leben lang. Steht dieser Rahmen, wird die Digitalisierung des öffentlichen Dienstes gelingen. Ob Deutsche Einheit, Finanz- und Wirtschaftskrise, Migration oder immer wieder Fragen der Inneren Sicherheit: Jede dieser Herausforderungen wurde hierzulande mit Augenmaß, Gründlichkeit, Toleranz und Menschlichkeit gemeistert – und so sollte auch die Digitalisierung von Arbeitswelt und Gesellschaft angegangen werden.
Algorithmen, automatisierte Entscheidungsprozesse und selbstlernende Systeme halten Einzug in den Verwaltungsalltag. Dabei gilt, dass der Mensch nicht zum Objekt staatlichen Handelns werden darf. Der gesamte Entscheidungsprozess muss daher stets transparent und nachvollziehbar ablaufen.
Mobiles und zeitlich flexibles Arbeiten ist nicht für alle beschäftigten im öffentlichen Dienst in gleichem Maße realisierbar. Daher muss hier eine dienst- und tarifrechtliche Differenzierung stattfinden mit einer auf die entsprechende Berufsgruppe zugeschnittenen Lösung.
Ausbildung im digitalen Zeitalter
Die Inhalte und Abläufe der Ausbildung verändern sich, digitale Kompetenzen nehmen weiter an Bedeutung zu. Die Vermittlung dieser Kompetenzen muss sich in den Vorgaben des Laufbahnrechts und Ausbildungsordnungen niederschlagen. Digitalkompetenzen müssen als Querschnittsaufgabe bereits in allen Ausbildungsregelungen für Anwärterinnen und Anwärter sowie für Auszubildende verankert sein.
Qualifizierung für das digitale Zeitalter
Qualifiziernug ist ein Schlüsselfaktor bei der Digitalisierung und hat Vorrang vor personalverändernden Maßnahmen. Der Erwerb von Kompetenzen zum Umgang von digitalisierten Prozessen muss Gegenstand vorausschauender Personalentwicklungskonzepte werden.